#Bundeshaushalt

Innenministerium verzögert Neubewertung von Lobbyisten-Einsatz

von , 8.3.10

Nach der Verwaltungsvorschrift zum Einsatz externer Mitarbeiter in der Bundesverwaltung muss das Bundesministerium des Innern (BMI) dem Deutschen Bundestag jährlich einen Bericht zum Einsatz von Lobbyisten in der Bundesverwaltung erstatten. Der zweite Bericht dieser Art wurde hier exklusiv veröffentlicht. In einem Schreiben an die Bundesministerien vom 14. Mai 2009 kündigte das BMI eine bewertende Bilanz der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Einsatz externer Personen in der Bundesverwaltung bis zum Ende des Jahres 2009 an. Die Verwaltungsvorschrift wurde am 18. Juni 2008 vom Kabinett beschlossen. Bis zum heutigen Tag hat das BMI die Bilanz nicht vorgelegt. Deshalb sah sich das BMI nun im Bundestag kritischen Fragen der Opposition ausgesetzt.

Der Abgeordnete Michael Hartmann, stellvertretender innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, fragte das BMI in einer Fragestunde des Bundestages, warum die angekündigte Evaluierung bis zum heutigen Tag nicht vor liegt und „welche anderen vordringlichen Aufgaben“ das BMI so sehr beschäftigten, „dass die Evaluierung laut Auskunft aus dem eigenen Hause voraussichtlich erst im ersten Quartal 2010 abgeschlossen sein wird und es zu einer Verzögerung von nicht nur wenigen Wochen, sondern von bis zu drei Monaten kommt“.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Ole Schröder (CDU), begründete die Verzögerung wie folgt: Da seit dem Inkrafttreten der Verwaltungsvorschrift am 17. Juli 2008 erst „knapp 1,5 Jahre vergangen“ seien, sei „wegen der Kürze des Erhebungszeitraums“ die Evaluierung „zurückgestellt“ worden. Das Bundesministerium des Innern habe auf der 3. Sitzung des Haushaltsausschusses des Bundestages angekündigt, dass die Evaluierungsergebnisse „spätestens mit dem 2. halbjährlichen Bericht 2010 gegenüber dem Haushaltsausschuss dargestellt werden.“

Hartmann machte in der Fragestunde auch erneut zum Thema, dass im 3. Lobbyistenbericht vom Oktober 2009 vier Nachmeldungen enthalten sind, die bereits in den vorherigen Berichten hätten aufgeführt werden müssen. Auf die entsprechende Frage antwortete Schröder, dass die Bundesministerien für die Meldung der bei ihnen tätigen externen Mitarbeiter beim BMI selbst verantwortlich seien. Pikanterweise betraf eine der ungewöhnlichen Nachmeldungen jedoch das Bundesinnenministerium selbst. Die entsprechende externe Person sei in einem elektronischen System „durch ein Büroversehen zunächst fehlerhaft erfasst“ worden, so Schröders Erklärung.

Versehen scheinen in den Bundesinstitutionen häufig, wenn es um die Meldung bestimmer Sachverhalte geht: In der Vergangenheit begründeten auch die Bundestagsabgeordneten Sigmar Gabriel (SPD) und Jürgen Trittin (Grüne) unterlassene Meldungen von Nebentätigkeiten mit einem „Versehen im Ministerbüro“ und mit einem „Versehen“. Der CSU-Abgeordnete Norbert Geis unterließ es eigenen Angaben zufolge ebenfalls aus „Versehen“ zu melden, dass er Präsident einer Stiftung ist, die dem katholischen Geheimbund Opus Dei nahesteht.

Was die zwei nachgemeldeten Mitarbeiterinnen der privaten Euroimmun AG im für die Pandemiebekämpfung zuständigen Robert-Koch-Institut anbelangt, sei „zunächst angenommen worden“, dass sog. Altfälle, also Fälle, in denen Lobbyisten ihren Einsatz bereits vor Inkrafttreten der Verwaltungsvorschrift begonnen haben, „nicht gemeldet werden müssten“, so Schröder, der mit der Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (geb. Köhler) verheiratet ist.

In dem genannten Schreiben an die Bundesministerien wies das Innenministerium darauf hin, „dass der Bundesrechnungshof die klare Erwartung geäußert hat“, dass die Altfälle „so schnell wie möglich zu Ende geführt werden“. Die beiden Mitarbeiterinnen der Euroimmun AG, einem Lübecker Unternehmen für medizinische Labordiagnostika, im Robert-Koch-Institut sollen dem 3. Lobbyismus-Bericht aber dennoch bis zum 31. März 2010 beziehungsweise bis zum 1. Juli 2011 in der nachgeordneten Behörde des Bundesgesundheitsministeriums tätig sein. Beim Bundesrechnungshof konnte man sich hierzu auf Anfrage nicht äußern: „Das ist ein Einzelfall und dazu kann ich beim besten Willen keine Stellung nehmen. Das müssen wir erstmal prüfen“, so Martin Winter, Pressesprecher der Bundesrechnungshofs. Was der Bundesrechnungshof zu diesem Umstand für eine Auffassung vertrete, könne er „auch morgen nicht“ sagen.

Heidi Klein vom Vorstand von LobbyControl e. V. kritisiert: „Das Innenministerium hat seine Hausaufgaben nicht gemacht und windet sich jetzt vor der berechtigten Nachfrage aus dem Parlament mit fadenscheinigen Ausreden. Es ist absolut inakzeptabel, dass die Bundesregierung es offensichtlich nicht schafft, ordentlich Rechenschaft über externe Mitarbeit in den Ministerien abzulegen.“ Klein meint, die meisten Fehler in den Berichten, die zu den Nachmeldungen führten, wären gar nicht aufgefallen, wenn LobbyControl die Berichte nicht mehrfach nachgeprüft hätte. „LobbyControl tritt angesichts der Problematik von Interessenkonflikten und einseitiger Einflussnahme weiter dafür ein, die Praxis der Beschäftigung externer Mitarbeiter in Ministerien ganz zu stoppen“, so Klein.

Derweil hat Hartmann nach Aussage seines Büros erreicht, dass der 3. Lobbyismus-Bericht der Bundesregierung, nachdem dieser bisher nur den Abgeordneten des Haushaltsausschusses vorgelegt wurde, nun auch im Innenausschuss des Bundestages bei dessen nächster Sitzung am 24. März 2010 auf die Tagesordnung kommt. Abgeordnete der SPD-Bundestagsfraktion beschäftigen sich im Rahmen der Arbeitsgruppe Inneres der SPD-Fraktion aktuell auch mit der Einführung eines von lobbykritischen Organisationen seit langem geforderten Lobbyregisters. Thema sind dort auch Karenzzeiten für Politiker, die nach Ausübung ihres Amtes in die Privatwirtschaft wechseln.

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