#AGOF

Wie die Online-GEZ aussehen könnte

von , 10.1.13

Statt sich im vergangenen Jahr sowohl mit Google (Leistungsschutzrecht) als auch der ARD (tagesschau-App) anzulegen, hätten die Verlage in Deutschland, zumindest diejenigen, die online aktiv sind, ihre Lobbyarbeit in ein anderes Projekt stecken sollen: Die Einführung einer Online-GEZ.

Die Gegenargumente bezüglich einer staatlich – im Fall einer GEZ sogar nur indirekt – unterstützen Online-Presse sind ebenfalls durch die Leistungsschutzrecht-Debatte hinfällig geworden. Wer Lobbyarbeit für ein ihn begünstigendes Gesetz machen kann, kann auch Lobbyarbeit für direkte Unterstützung machen. Und den Beweis, dass die Politik durch eine nicht politisch unterstützte Presse wirklich besser überwacht werden kann, sind die Medien ebenfalls noch schuldig. Die Financial Times Deutschland jedenfalls wird ihn 2013 nicht erbringen können.

Ab Januar wurde das Gebührenmodell umgestellt. Statt nach Gerät, zahlt künftig jeder Haushalt. WGs und Familien sparen sogar Geld. Die Rundfunkgebühr, künftig Rundfunkbeitrag genannt, wird aber weiter kritisiert. Im Spiegel las man neulich sogar DDR-Vergleiche. Der Vorwurf: Auf diese Art würden ARD und ZDF sicherstellen, weiterhin Milliarden zu bekommen, obwohl immer weniger Menschen TV- und Radio konsumieren.

Die Zahl der Haushalte, die weder Radio, noch TV, noch Internet besitzen, sprich, erst jetzt zahlen müssen, darf jedoch getrost als verschwindet gering angesehen werden. Vielleicht wäre die Anerkennung für den Beitrag höher, wenn nicht nur das Bezugsmodell vereinfacht, sondern das ganze Modell der Gegenwart angepasst würde. Auf diese Art könnte man direkt mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Ein Modell:

Man rundet die Gebühr von 17,98 Euro auf den glatten Betrag von 20 Euro pro Monat auf. Ja, das ist mehr Geld. Die etwa zwei Euro mehr sind im Übrigen die Mindesthöhe beim Flattrn, zudem wäre das nur etwa ein Kafee to go außer Haus – pro Haushalt. Ein Monatsabo der FAZ kostet, das nur als Vergleich, derzeit 46,90 Euro.

Legt man zugrunde, dass die Gebührenplaner auch 2013 mit konstanten Gesamteinnahmen rechnen, und 2011 etwa 7,53 Milliarden eingenommen wurden, bedeutet das: Es wird von etwa 35 Millionen Wohnungen ausgegangen. Heißt auch: Die zwei Euro mehr brächten etwa 70 Millionen Euro zusätzlich im Monat, über 800 Millionen im Jahr! Zur Einordnung: Laut Bundesanzeiger hatte Spiegel Online im Jahr 2009 Personalkosten von etwa 7,7 Millionen Euro. Selbst ohne Werbung wären also hunderte solcher Redaktionen möglich. Dies zeigt auch wieder, wie vergleichbar günstig eine Online-Redaktion ist.

Lassen wir die Höhe nun erst einmal dahingestellt und kommen auf die Ausgaben-Seite eines beliebigen Betrags bei einer Online-GEZ. Hierfür könnten sich Publikationen bewerben. Bedingungen für eine Aufnahme wären:

  • Teilnahme am AGOF-Messverfahren
  • Die Inhalte sind ohne eine Paywall zugänglich
  • Das Angebot ist publizistisch tätig und hat möglichst wenige Verstöße gegen den Pressekodex, wobei eine Definition von “möglichst wenige” noch zu finden wäre

Für den letzten Punkt müsste ein sinnvoller Kriterienkatalog erstellt werden. Der Pressekodex-Parameter könnte hierbei eine sinnvolle Ergänzung sein. Damit könnte man sicherstellen, dass ethisch fragwürdige Publikationen nicht gefördert werden. Auch könnte man so Versuche verhindern, mit Skandalen die Reichweite zu erhöhen. Schließlich soll durch die Gebühr demokratiefördernde Berichterstattung gefördert werden.

Der Ausschluss einer Paywall soll sicher stellen, dass nicht, wie bisher häufig beim Rundfunkbeitrag, der Vorwurf gebracht wird, man müsse für etwas zahlen, das man gar nicht nutzt beziehungsweise nutzen kann. Außerdem sollte niemand doppelt abkassieren. Wer glaubt, mit einer Paywall mehr zu verdienen, als durch eine GEZ-Ausschüttung, dem steht dieser Schritt frei.

Das AGOF-Messverfahren ist nötig, um die Durchführung zu ermöglichen. (Dazu gleich mehr.) Hier muss jedoch ein Problem beseitigt werden: Von diesem Punkt abgesehen, stünde die GEZ-Teilnahme auch Blogs und anderen kleinen Angeboten offen, was bewusst auch der Fall sein soll – immerhin besetzen die häufig Nischen und können ebenfalls demokratiefördernd sein. Die AGOF-Kosten sind gerade für kleine Angebote aber nicht unerheblich. Hier müsste geprüft werden, ob Quersubventionierungen oder Rabatte möglich wären.

Nun zur Durchführung:

  • Die Angebote von ARD, ZDF und Dritten werden zunächst nicht mit einbezogen, da diese über die sonstigen Gebühren bereits abgegolten sind. Perspektivisch sollten sie aber auch in die andere Gruppe rutschen, der Gebührenanteil für Online könnte dann höher als zwei Euro liegen. Denn der Online-Part würde dann alle Online-Angebote umfassen (also auch die der Öffentlich-Rechtlichen), der Part für die Öffentlich-Rechtlichen nur noch deren TV- und Radio-Angebot. Außerdem sollten im gleichen Schritt – gleiches Recht für alle – die Beschränkungen für die Öffentlich-Rechtlichen wegfallen (Stichworte: Depublizieren, nicht zu presseähnlich, etc.).
  • Vom Online-Budget werden 75 Prozent entsprechend der Unique User laut AGOF unter allen Teilnehmern ausgeschüttet.
  • Die restlichen 25 Prozent werden über einen „GEZ-Button“ ähnlich Flattr ausgeschüttet. Der Button soll wie folgt funktionieren: Jede Seite kann ihn einbinden. Jeder Beitragszahler hat zudem eine eigene Beitragsnummer. Freiwillig kann er sich damit einen Account anlegen, mit dem er „seine 50 Cent“ verteilen kann. Entweder monatlich neu, oder per fester Einstellung über ein Abo – wie bei Flattr eben.

Das Beteiligungsverfahren soll den Gebührenzahlern mehr Mitspracherecht geben und sie nicht außen vor lassen. So könnte die Akzeptanz des Beitrags erhöht werden. Aber es ist noch ein weiterer Effekt zu erwarten: Bei Flattr sieht man bereits, dass häufig gerade kritische Berichterstattung besonders belohnt wird. Wer sich als Medium also zum Beispiel mit einem Anzeigekunden anlegt und so in diesem Punkt weniger Einnahmen zu erwarten hat, könnte durch die Anerkennung der Leser für diese journalistische Leistung den Verlust ausgleichen.

Auch Medien, die wertgeschätzt werden, aber in Schieflage geraten, könnten mit Solidarität rechnen. Bei der Frankfurter Rundschau zeichnet sich dies zum Beispiel gerade ab: Die Zeitung verkauft überraschend viele Solidaritäts-Abos. Auch die Financial Times Deutschland wurde mit viel Solidarität bedacht. Nur konnte sie sich davon nichts kaufen. Mit einer partizipativen Online-GEZ hätte sie das vielleicht gekonnt.

Von einer Online-GEZ könnten also viele profitieren, ohne, dass sie jemanden weh tut. Politisch wäre sie, richtig angepackt, durchaus mehrheitsfähig. Dafür müssten die Verlage aber etwas beisteuern. Diesen Weg will man offenbar nicht gehen. Die Bild ätzt derzeit mit Nachdruck gegen den neuen Rundfunkbeitrag. So bringt man ein System in Misskredit, obwohl das rein privatwirtschaftliche Gegenmodell gerade alles andere als zukunftsfähig erscheint.

Crosspost von YOUdaz.com

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.