##btw13

CDU/CSU: Fremde Lorbeeren

von , 5.7.13

Es ist die beste SPD, die es je gab. Ich rede natürlich von der Union. Mit dem rhetorischen Verzicht auf ihre letzte ‘Kernkompetenz’, die ja so recht nie eine war, räumen die Konservativen jetzt auch die einzige Bastion, die ihnen noch verblieben war, eine immer sanktionsbewehrtere und radikalere Innenpolitik:
 

“Mit dem Segen von Merkel und Seehofer vollzieht die Union den nächsten radikalen Kurswechsel: CDU und CSU verabschieden sich nach jahrelangem Kampf von der Vorratsdatenspeicherung.”

 
Gut, der Friedrich steht jetzt zwar blöd da, aber der war eh nie der Hellste, also passt das schon. Sofern diese nicht abreißende Kette von CDU-Abschieden aus alten Selbstgewissheiten uns eines beweist – Homo-Ehe, Mindestlohn, Atomausstieg usw. – dann nur eines: Dass ‘die Linken’ eigentlich immer richtig liegen, und dass der Konservatismus mit der gebotenen Verspätung diese Wendungen irgendwann unter Windungen nachvollziehen wird, selbst wenn sie zunächst nur an den Worthülsen klempnern. Die ‘Linken’ und die ‘Öko-Faschisten’ von den Grünen wären also die eigentlichen gesellschaftspolitischen Schnellmerker – ihr Problem: Sie stehen zu früh auf.

Für ihr Hinterherhinken wird die Union jetzt im September gewählt – für eine im Kern immer linkere Politik, die dabei stets so verspätet kommt, wie beispielsweise auch der ICE in deutsche Hauptbahnhöfe einläuft. Was mag bloß als nächstes dran sein? Drogenfreigabe? Euro-Bonds? Vermögenssteuer?

Einige altkonservative Dinosaurier löcken zwar noch wider den Stachel, mehr als ein im Kern religiöses Vokabular ist aber auch ihnen nicht geblieben. So mosert der Professor Biedenkopf, längst mehr FDP als CDU, heute im ‘Handelsblatt-Newsletter’:
 

“Die Politik erliegt der Versuchung, ihre Wahlchancen durch Manipulation des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung zu verbessern.”

 
Dröseln wir uns diesen rhetorischen Galimathias mal auf, dessen Qualität wohl kaum die Anschaulichkeit ist: ‘Die Politik’ – das wäre natürlich Bundeskanzlerin Merkel samt ihrer Entourage. Die anderen können ja nicht gemeint sein, weil diese notorischen Frühaufsteher zurecht ‘bloß Opposition’ sind. Diese Kanzlerin betreibe ferner eine waschechte ‘Manipulation’, also ein Hütchenspiel, nur um an der Macht zu bleiben. Mit anderen Worten: Sie macht doch tatsächlich eine mehrheitsfähige Politik. Mit dem ‘Verhältnis von Leistung und Gegenleistung’ meint Biedenkopf dann vermutlich jene unaufhörlichen Milliardengeschenke an Banken und Großanleger – – – obwohl, hmmmhmmm, vielleicht zielt er ja auch auf all das unnütze ‘Sozialgedöns’ für den vernachlässigenswerten Plebs, also auf jene absolut entbehrlichen ‘Geschenke’, die einem echten Liberalen schon immer deshalb ein Graus waren, weil sie in die falsche Richtung fließen.

Die große ‘Versuchung’, der unsere notgeile Politik dann ‘erliegt’, das wäre schließlich eine durch und durch religiöse Kategorie: Satan, der große ‘Versucher’, naht sich mit sardonischem Lächeln unseren politischen ‘Leistungsträgern’, um durch sein teuflisches Spiel uns alle in die ewige Verdammnis zu führen, weil das verfügbare Geld nun mal zum höheren Ruhm Gottes im sakralen Bereich stets nach oben zu fallen hat. Eine solche Sicht widerspricht zwar den Naturgesetzen, aber konnte unser Herr Jesus nicht auch übers Wasser wandeln? So ähnlich jedenfalls habe ich mir das Gebrabbel des alten Herrn übersetzt – ganz schlau bin ich daraus leider nicht geworden.

 

Nachtrag

Weil’s in den Kommentaren als bloß ‘rhetorische Wende’ glossiert wurde, es soll wohl doch mehr werden:
 

“Unter dem Eindruck der amerikanischen Internetspionage erwägt die CSU jetzt offenbar eine bemerkenswerte Kehrtwende. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE drängt Parteichef Horst Seehofer (CSU) auf eine Abkehr von der bisherigen Position zur Vorratsdatenspeicherung.”

 
Crosspost vom Stilstand
 

  • Kai Biermann hat sich auf dem Neusprech-Blog ebenfalls Gedanken über die rhetorische Volte gemacht: Mindestspeicherdauer
  • ZDF: Union streitet um Vorratsdatenspeicherung
  • Alle Klarheiten beseitigt:
     


     

 

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.