#Andrej Hunko

Telekommunikationsüberwachung in Deutschland nimmt deutlich zu

von , 9.9.13

Der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko und die Fraktion der Linkspartei haben der Bundesregierung im Rahmen einer kleinen Anfrage eine Reihe von Fragen zur Telekommunikationsüberwachung durch Polizei und Geheimdienste gestellt.

Die Bundesregierung hat diese Anfrag am 04.09.2013 beantwortet bzw. nicht beantwortet. In der Vorbemerkung der Antwort der Bundesregierung heißt es zunächst:
 

Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Fragen 2, 5, 9, 10, 13, 17, 18,  19,  22, 25, 26, 33, 34 sowie 36 in offener Form ganz oder teilweise nicht erfolgen kann. Die erbetenen Auskünfte sind geheimhaltungsbedürftig, weil sie Informationen enthalten, die im Zusammenhang mit der Arbeitsweise und Methodik der Sicherheitsbehörden und insbesondere seinen Aufklärungsaktivitäten und Analysemethoden stehen.

 
Das ist natürlich eine bequeme Haltung der Bundesregierung, die aus ihrer Sicht zudem den Vorteil bietet, dass niemand nachprüfen kann, ob man nicht einfach unangenehme Wahrheiten verschweigt.

Die Bundesregierung möchte u.a. nicht mitteilen, anhand welcher Suchbegriffe der BND Internet- und Telekommunikation im Rahmen des G10-Gesetzes durchsucht.

Aus Gründen des Staatswohls hat die Bundesregierung auch die Frage, ob Bundesbehörden Metadaten an großen Intemetknoten wie DE-CIX ausfiltern, nicht beantwortet. Die Nichtbeantwortung impliziert m.E. aber, dass dies geschieht.

Geantwortet hat die Bundesregierung auf die Frage, welche Bundesbehörden derzeit die sog. stille SMS zur Ortung von Handys einsetzen. Es sind dies das Bundesamt für Verfassungsschutz, das BKA, der BND, der MAD und die Bundespolizei. Die Auskunft der Bundesregierung zeigt, dass Verfassungsschutz, BKA und Bundespolizei das Instrument im ersten Halbjahr 2013 genauso oft eingesetzt haben wie im Gesamtjahr 2012.

Der Einsatz der stillen SMS hat sich also allein bei den Bundesbehörden verdoppelt. Dieses Instrument wurde im ersten Halbjahr 2013 in ca. 125.000 Fällen eingesetzt. Hinzu kommt, dass die Zollbehörden ebenfalls stille SMS in mehr 138.000 Fällen allein im ersten Halbjahr 2013 verschickt haben.

Und das sind wohlgemerkt nur die Zahlen der Bundesbehörden. Da Polizeiarbeit weitgehend Ländersache ist und die Bundesländer zudem eigene Verfassungsschutzbehörden unterhalten, muss davon ausgegangen werden, dass dieses Überwachungsinstrument auf Landesebene noch häufiger eingesetzt wird.

Auch die Frage, welche Software zur Überwachung, Ausleitung, Analyse und Verarbeitung ausgeforschter digitaler Kommunikation bei den In- und Auslandsgeheimdiensten zum Einsatz kommt, wollte die Bundesregierung nicht beantworten.

Ein besonderes Schmankerl findet man am Ende des Textes, weshalb ich sowohl die Frage als auch die Antwort hier unkommentiert wiedergeben möchte:
 

47. Inwiefern entspricht die Aussage des Bundesinnenministers, dass es ein „Supergrundrecht” auf Sicherheit gebe, auch der Haltung der Bundesregierung (WEL  T, 16. Juli 2013)?

Zu 47.  Dem Bundesverfassungsgericht zufolge ist die vom Staat zu gewährleistende Sicherheit der Bevölkerung vor Gefahren für Leib, Leben und Freiheit ein Verfassungswert, der mit den Grundrechten in einem Spannungsverhältnis steht. Die daraus abgeleitete Schutzpflicht findet ihren Grund sowohl in Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 als auch in Artikel 1 Absatz 1 Satz 2 GG (BVerfGE 120, 274, 319).

Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte gegen den Staat. Sie sichern die Freiheitssphäre des einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt. Allgemeininteressen, denen Grundrechtseingriffe dienen, sind in der konkreten Abwägung stets mit den betroffenen Individualinteressen abzuwägen.

 
Crosspost von Internet Law

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