von Redaktion Carta, 26.10.17
Im Folgenden dokumentieren wir einen Auszug aus der Studie „Medienvielfalt = Meinungsvielfalt? Historische, systematische und digitale Perspektiven auf Meinungsbildung und öffentliche Meinung“ von Hans-Jürgen Arlt (Universität der Künste), Wolfgang Mühl-Benninghaus (Humboldt Universität) und Jürgen Schulz (Universität der Künste). Die Studie wurde im im Auftrag der Organisation der Mediaagenturen (OMG) und der ZDF Werbefernsehen GmbH erstellt und kann über die Website der UDK bezogen werden.
1 Ewige Wahrheiten contra falsche Ansichten und böse Absichten
Die Meinung hat keinen guten Ruf, weil es ihr erlaubt ist, als bloßes Meinen, als schlecht informierte Ansicht aufzutreten. Allerdings kommt um eine Meinung nicht herum, wer mitreden, gar mitentscheiden will. Meinungsfreiheit gilt seit dem 18. Jahrhundert als ein hohes, grundrechtlich geschütztes Gut. Signifikant für die Moderne ist dieser Doppelcharakter der Meinung: Sie bleibt einerseits die minderwertige Ansicht, der es an Einsicht mangelt. Anderseits macht sich die aufgeklärte Auffassung geltend, die bessere Einsicht entstehe erst aus dem „herrschaftsfreien“ Widerstreit der vielfältigen Meinungen. Hier liegt über den individualrechtlichen Aspekt hinaus die allgemeine Begründung für den Wert der Meinungsvielfalt. Die moderne Ambivalenz im Umgang mit der Meinung prägt auch die öffentliche Meinung, deren gleichzeitige Gering- und Wertschätzung.
Historisch war die Meinung über viele Jahrhunderte hinweg die kleine dumme Schwester des Wissens; nicht selten auch die gefährliche böse, die mit dem Schierlingsbecher oder auf dem Scheiterhaufen endete. Jenseits der Einsicht in das „So ist es“, außerhalb der (ewigen) Wahrheit, die als Einheit von Wissen und Glauben auftrat, existierten nur oberflächliche, falsche Ansichten und böse Absichten. Die Wahrheitsinstanzen (Philosophen, Priester, Feldherrn) wechselten, die Meinungen blieben minderwertige Abweichungen, „unzureichendes Fürwahrhalten“ (Kant), letztlich eine zu vernachlässigende Größe, sofern sie sich nicht offensiv gegen das herrschende Wissen wendeten.
Eine öffentliche Meinung, die sich neben den religiös fundierten und herrschaftlich gebilligten Auffassungen über Gott, die Welt und das Alltagsleben – oder gar gegen diese – hätte artikulieren können, gab es nicht. Reformationen waren nur denk- und postulierbar als Rückkehr zu den wahren Werten, nicht als Proklamationen neuer Ideen.
Den sozialen Status der Meinung aufzuwerten, wie es dann seit der Aufklärung geschah, konnte nicht ohne Folgen bleiben für den Stellenwert der obligatorischen Gewissheiten. Das Recht auf eine eigene Meinung verlangt nicht nur den Respekt vor anderen „eigenen Meinungen“, es verträgt sich auch nicht mit einer Wahrheitsinstanz, die immer alles besser weiß. Meinungsfreiheit weicht das harte Entweder-oder auf, das Und will toleriert werden; wo Absolutheit herrschte, macht sich Relativität breit. Verbindlichkeit muss in Einklang gebracht werden mit nur vorübergehender Gültigkeit. Demokratische Politik (andere Regierungsmehrheit, andere Gesetze), wirtschaftliche, wissenschaftliche, künstlerische Freiheiten, der Abschied von der „Objektivität“, ein plurales Wahrheitsverständnis in der Erkenntnistheorie – alle diese und noch mehr Phänomene hängen mit der Anerkennung der Meinungsfreiheit zusammen. „Statt der Monumente hat man jetzt nur noch die Momente, in denen ein bestimmter Wissensstand unterstellt werden kann.“ (Luhmann 1997, S. 1104 )
Man kann die moderne Gesellschaft beschreiben als eine Versuchsanordnung, individuelle Meinungs- und Entscheidungsfreiheiten zu vermehren (als Überdosis wird daraus ein sozial verantwortungsloser Liberalismus) und trotzdem kollektiv verbindliche Gewissheiten zu retten (als Überdosis wird daraus ein terroristisch gestützter Totalitarismus).
2 Die Meinung im sozialen Netz des Denkbaren und Machbaren
Die zentrale Bedeutung der Meinungsfreiheit tritt hervor, wenn sie als Kommunikationsfreiheit erfasst wird, in der sich Gedankenfreiheit ausdrückt und mit der Handlungsfreiheit direkt verbunden ist. Weder Gedanken, die sich nicht mitteilen dürfen, noch Meinungen, die sich nicht in eigenen Entscheidungen und Handlungen niederschlagen können, werden auf Dauer Freiheitsqualitäten bewahren.
Meinungsvielfalt gehört zu einer modernen Gesellschaft wie das Büro und der Bahnhof, Großstadt und Museum. So viele Köpfe, so viele Meinungen ist zwar ein altes lateinisches Sprichwort, aber wie Rasen im Regen wächst Meinungsvielfalt erst in der Moderne. Die Ausdifferenzierung mannigfaltiger Lebensumstände, bunter Subkulturen, individualisierter Lebenswege, hochspezialisierter Praktiken und Detailkenntnisse machen Meinungsunterschiede zur allgegenwärtigen Normalität. Meinungsvielfalt ist unter den modernen Lebensbedingungen ein Tatbestand, um dessen Existenz sich niemand zu sorgen braucht. Sie stellt sich ein. Es bedarf keiner Massenmedien, die sie herstellen.
Meinungsbildungsprozesse sind eingebettet in das Denkbare und das Machbare, in Sozialisationsprozesse und Alltagspraktiken. Emotion und Kognition, Psyche und Gesellschaft, Reflexion und Praxis sind an der Meinungsbildung beteiligt. „Handeln ist individuell; es geschieht vielfach aus subjektiven Einschätzungen, Motiven, Kalkülen. Aber das ist nicht alles – andere Menschen sind darin einbezogen; wir sind nicht allein, andere haben uns geformt, wir orientieren uns an ihnen. Wir haben einen langen Prozess der Erziehung, des Aufwachsens, der Teilnahme an sozialen Zusammenhängen hinter uns.“ ( Gebauer & Wulf 1998, S. 8) Und wir sind in diesem Beziehungsnetz stets mitten drin, nicht nur als Beobachter dabei.
Moderne Demokratie- und Wirtschaftstheorien konstruieren sich in der Regel ein anderes, ein vorsoziales Individuum und dividieren dabei Meinung und Lebenspraxis auseinander. „Die Unfähigkeit gegenwärtiger Demokratietheorie, der Frage der Aktivbürgerschaft gerecht zu werden, folgt daraus, dass sie mit einer Subjektkonzeption operiert, die Individuen der Gesellschaft vorausgehen lässt als Träger von natürlichen Rechten und entweder als nutzenmaximierende Akteure oder als rationale Subjekte. In jedem Fall sind sie von Verhältnissen des Sozialen, der Macht, Sprache, Kultur und allen anderen Praktiken, die Akteurschaft (agency) möglich macht, abstrahiert. Von den rationalistischen Ansätzen wird die eigentliche Frage nach den Existenzbedingungen des demokratischen Subjekts ausgeschlossen.“ (Mouffe 2008, S. 98)
Es handelt sich um eine Vorstellung von erklärungsbedürftiger Realitätsferne, dass aktuelle Veröffentlichungen der entscheidende Einflussfaktor oder gar die einzige Quelle der Meinungsbildung seien. Öffentliche Mitteilungen drängen sich als Ursachen der Meinungsbildung in den Vordergrund, weil sie, das ist ihr Grundmerkmal, beobachtbar sind. Sie lassen sich im Unterschied zu privaten und organisationsinternen Kommunikationen sehr viel leichter beschreiben und analysieren.
Gleichwohl: Die massenhafte Vermehrung der Printprodukte, die Entwicklungen von Rundfunk und Film, die enorme Steigerung digitaler Produktions- Distributions- und Speicherpotentiale haben zweifelsfrei dazu beigetragen, dass Informationen als Basis von Meinungsbildung inzwischen weitaus mehr aus der Beteiligung an öffentlicher Kommunikation gewonnen werden als in vormodernen Vergangenheiten. Sich eine Meinung über Themen (Geschehnisse und Personen) ohne persönlichen Zugang und eigene Anschauung zu bilden, ist normal geworden. Festzuhalten ist jedoch, dass über das Zusammenspiel zwischen den direkten Erfahrungen der persönlichen Lebenswelt und den massenmedialen Mitteilungen wenig geforscht wird. Das Interesse richtet sich einseitig auf Medienwirkungen, wobei das Arbeits- und das Familienleben, die Erfahrungen als Konsumenten, Klienten, Patienten, als Vereinsmitglieder und Veranstaltungsbesucher, als Touristen und Fortbildungsteilnehmer etc. abgeblendet bleiben.
Die öffentliche Kommunikation beschäftigt sich mit sich selbst und hält sich für das Ganze. Meinungsbildung ist lebensgeschichtlich viel tiefer verankert als in der Beteiligung an Öffentlichkeit.
Können bisher ausgeschlossene soziale Schichten als Rezipienten oder sogar als Sprecher an öffentlicher Kommunikation teilnehmen, wird, diese historische Erfahrung ist durchgängig, zugleich steigende Partizipation begrüßt und sinkendes Niveau beklagt. Die moderne Öffentlichkeit ist relativ vielstimmig und bietet Zugang für jedermann. Bis zur Digitalisierung war sie jedoch stark geprägt von den Monologen ihrer Absender, der Massenmedien, auf die das Publikum zuhause reagieren konnte, aber nur selten öffentlich mit eigenen Beiträgen. Das Kommunikationsverständnis, das sich aufgrund dieser Konstellation entwickelte, war theoretisch und praktisch absenderfixiert, hier die Sprecher als Subjekt, dort das Publikum als Objekt. Kommunikationserfolg hing in dieser Sichtweise primär von der Auswahl und der Funktionstüchtigkeit des Sendekanals ab. Die Erreichbarkeit des Publikums wurde als ausschlaggebendes Kriterium gewertet, auf Meinungsbildung Einfluss zu nehmen. Fragen nach dessen Bereitschaft, Aufmerksamkeit zu schenken und das Mitgeteilte zu verstehen, nach dessen eigener Deutungskompetenz, nach den Bedingungen für dessen Zustimmung oder Ablehnung blieben zweitrangig.
3 Meinungsbild und Meinungsmache: Wirtschaft und Politik können der Versuchung nicht widerstehen
Die positive Karriere der (eigenen) Meinung hängt direkt zusammen mit dem Individualisierungsprozess, der sich in wachsenden Entscheidungsfreiheiten der Einzelnen niederschlägt – Freiheiten des Dürfens, nicht ohne weiteres des Könnens. (Die Differenz zwischen Dürfen und Können wird unter dem Begriff „soziale Gerechtigkeit“ zum Dauerthema.)
Zu einem regelungsbedürftigen Sachverhalt wird Meinungsvielfalt, sobald Entscheidungen getroffen werden sollen. Der Markt des Wirtschaftssystems und die Demokratie des politischen Systems bilden die beiden großen Arenen, in welchen Meinungsvielfalt und Entscheidungseinheit koexistieren. Die politische Meinung der Wählerinnen und Wähler sowie die wirtschaftlichen Präferenzen der Kundinnen und Kunden wirken sich in der Demokratie einerseits sowie auf dem Markt andererseits auf sehr unterschiedliche Weise, aber am Ende direkt auf die Chancen der Leistungsanbieter aus. Weder den politischen Parteien, die um die Regierungsmacht konkurrieren, noch den Unternehmen, die Produkte und Dienste anbieten, können die Meinungen des Publikums, das sie anzusprechen versuchen, gleichgültig sein.
Mit der Meinungs- und der Marktforschung bilden sich auf beiden gesellschaftlichen Feldern Methoden und Konzepte heraus, um je aktuelle Meinungsbilder zu ermitteln und Möglichkeiten zu finden, Meinungsbildung zu steuern. Dabei haben sich die Akteure von Politik und Wirtschaft wechselseitig im Blick und sind bestrebt, erfolgversprechende Strategien der Forschung und Beeinflussung zu übernehmen. Allerdings gilt bis heute: Die Befunde aktueller Meinungsumfragen wie auch die Resultate der Beeinflussungsversuche können keine Zuverlässigkeit bieten, bleiben Werte ohne Gewähr. Dass und warum es so ist, wird in dieser Studie anhand des Informations- und des Kommunikationsbegriffs systematisch begründet. Im Kern lautet die Argumentation: Unsere Alltagssprache nimmt, wenn sie Information sagt, eine pragmatische Abkürzung. Sie unterschlägt, dass es kommunikativ stets um zwei verschiedene Informationen geht. Die Mitteilung basiert auf der bestehenden Information des Absenders, sie wird vom Adressaten in dessen entstehende Information verwandelt – ohne jede Garantie, dass die Ausgangs- und die Eingangsinformation identisch sind. Der Kommunikationszusammenhang ist kein Logistikgeschehen, bei dem bestimmte Botschaftsinhalte in einen Container (z.B. Werbeanzeigen, Plakate, TV-Spots) gepackt und zu Empfängern transportiert werden, worauf diese dem Container exakt dieselben Inhalte entnehmen.
Die empirischen Erfahrungen des Scheiterns, Meinungen berechenbar zu erfassen und gezielt zu beeinflussen, sowie laufend erneuerte Versprechungen von Forschern und Beratern, jetzt doch über verbesserte Herangehensweisen zu verfügen, sind zwei Seiten derselben Sache: Weder die Politik noch die Wirtschaft können die Versuche unterlassen, sowohl sich ein Meinungsbild als auch Meinungen zu machen. Die Geschichte der Meinungs- und Marktforschung kann deshalb geschrieben werden als mehr oder weniger erfolgreiches Bestreben – war es erfolgreich, weiß man nicht wirklich warum – , das Unmögliche möglich zu machen.
Trotzdem: Die Orientierungswerte, die Meinungs- und Marktforschung liefern, sind für Politik und Wirtschaft unverzichtbar. Um solche Orientierungswerte zu ermitteln, werden Kommunikationsleistungen, Medienwirkungen und Menschbilder unterstellt, die auf Vereinfachungen hinauslaufen, die operativ unvermeidlich sind, aber trotzdem Vereinfachungen bleiben. Wer auf der Basis unterkomplexer Vorstellungen von Kommunikation, Medienwirkung und hausgemachter Anthropologie politische, juristische oder wirtschaftliche Entscheidungen trifft und treffen muss, sollte sich der Relativität seiner Entscheidungsgrundlagen bewusst und mit monokausalen Schlussfolgerungen vorsichtig sein. Hinter forsche Trivialisierungen ein dickes Fragezeichen zu setzen, ist ein zentrales Plädoyer dieser Studie.
4 Wirtschaftliches Sorgenkind der Öffentlichkeit ist der Journalismus
Im Zuge der Medienentwicklung und des Wandels der Öffentlichkeit haben sich etwa mit Beginn des 19. Jahrhunderts vier „Programme“ aktueller öffentlicher Kommunikation herausgebildet: Die Werbung und die PR (oder je nach Sprachgebrauch auch die „Öffentlichkeitsarbeit“) als Formate der „Auftragskommunikation“, die Unterhaltung und der Journalismus. Bezogen auf die Fragen von Meinungsbildung und Meinungsvielfalt wird die auf öffentliche Kommunikation begrenzte Sichtweise (siehe Punkt 2) jetzt noch einmal enggeführt und auf Journalismus fokussiert, nicht völlig ohne Berücksichtigung der Unterhaltung.
Die vier Programme stehen unter publizistischen und unter wirtschaftlichen Aspekten in wechselnden Beziehungen zueinander. Publizistisch unterliegen sie der generellen Anforderung, die Aufmerksamkeit eines Publikums auf sich zu ziehen. Wie besonders Lehrkräfte wissen, braucht auch die Kommunikation unter Anwesenden die Aufmerksamkeit der Adressaten. In der öffentlichen Kommunikation ist Aufmerksamkeit knappe Ressource und begehrtes Einkommen zugleich (vgl. Franck 1998). Wirtschaftlich muss die Zahlungsfähigkeit der Produzenten und Distributeure öffentlicher Mitteilungen gewährleistet sein.
Das wirtschaftliche Sorgenkind der vier Programme ist der Journalismus. Ihm ist es noch nie gelungen, auf Dauer das Geld zu seiner Refinanzierung alleine durch den Verkauf seines Produkts zu erwirtschaften. Es gibt keine zahlungsbereite (private) Nachfrage, welche die Kosten einer wirtschaftlich erfolgreichen Produktion und Distribution professioneller journalistischer Arbeit refinanziert. Wer mit aktuellen Veröffentlichungen Geld verdienen will, macht Werbung und/oder Unterhaltung, Journalismus alleine jedenfalls nicht.
Auf dieses Problem reagieren Medienunternehmen, die (auch) journalistische Leistungen anbieten, mit Geschäftsmodellen, die mit Werbeeinnahmen und Querfinanzierungen innerhalb des Unternehmens Gewinne, mindestens Zahlungsfähigkeit sichern. Natürlich lässt sich aus journalistischer Sicht auch umgekehrt fragen: Können Verlage und Sender ohne die Informationsleistungen des Journalismus Anzeigen- und Werbeplätze verkaufen? Seit private Funkmedien senden, kann diese Frage im Prinzip bejaht werden. Seit es das Internet gibt, stellt sich die Frage anders, nämlich ob der Journalismus noch hinreichend Werbung zu akquirieren vermag.
5 Die Erwartungen an den Journalismus sind normativ, also tendenziell kontrafaktisch
Die gesellschaftlichen Erwartungen an die journalistische Arbeit sind wissenschaftlich vielfach beschrieben (vgl. z. B. Neuberger & Kapern 2013), juristisch vom Bundesverfassungsgericht verbindlich formuliert, auf Konferenzen und Kongressen tausendfach vorgetragen. Sie können – bei allen Streitigkeiten in Einzelfragen – im Grundsatz als geklärt gelten. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts hat die Position der höchsten juristischen Instanz unter Bezugnahme auf das berühmte „Spiegel“-Urteil des Jahres 1966 so zusammengefasst: „Politische Entscheidungen – so heißt es im Urteil – können nicht getroffen werden, wenn der Bürger sich nicht umfassend informieren kann. Und zwar sowohl in tatsächlicher Hinsicht als auch in Bezug auf die verschiedenen Meinungen, die sich zu einem Thema bilden. Deswegen – so das Bundesverfassungsgericht – sei es Aufgabe der Medien, als ‚orientierende Kraft in der öffentlichen Auseinandersetzung’ die notwendigen Informationen zu beschaffen und zu ihnen Stellung zu beziehen. Außerdem dienten die Medien dazu, die in der Gesellschaft sich ständig neu formenden Meinungen und Forderungen an die Politik heranzutragen, damit diese sie in ihr Handeln einbeziehen könne. Zusammengefasst sei deswegen eine ‚freie, regelmäßig erscheinende politische Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich’.“ (Voßkuhle 2013). Dass er als ein Dienstleister der Demokratie funktioniert, wird vom Journalismus erwartet und so stellt er sich auch in seiner Selbstbeschreibung dar. Wobei die gängige Redeweise, „die Medien“ seien für die Demokratie unentbehrlich, insofern Verwirrung stiftet, als Werbung, PR und Unterhaltung diese demokratische Aufgabe ganz offenkundig nicht haben.
Journalismus, so lässt sich seine Aufgabe präzisieren, hat auf der Basis von Unabhängigkeit aktuelle Nachrichten und Berichte sowie anlassbezogene orientierende Analysen zu gesellschaftlich relevanten Themen allgemeinverständlich anzufertigen; dabei ist er zur richtiger und überparteilicher Darstellung sowie zu kritischer Kontrolle angehalten. Alle anderen Akteure der öffentlichen Kommunikation verfolgen mit ihren Publikationen andere Interessen und Ziele: Werbung will zugunsten ihrer Auftraggeber (Kauf-)Verhalten beeinflussen, PR/Öffentlichkeitsarbeit will die Sache ihrer Auftraggeber legitimieren, Unterhaltung erfüllt Erlebniswünsche des Publikums.
Die Eigenschaften, die Qualitäten, die der journalistischen Arbeit gesellschaftlich abverlangt werden, haben den Status von Normen. Normen sind – praktisch nie voll erfüllbare – Erwartungen, deren Anziehungskraft gebraucht wird, um die tatsächliche Praxis nicht „verkommen“ zu lassen. Die Funktion von Normen liegt darin, dass sie aufrecht erhalten werden, obwohl (genauer: weil) das Alltagshandeln mehr oder weniger von ihnen abweicht. Eine Gesellschaft, die ihre Normen zugunsten des Realismus ihrer gewöhnlichen Praktiken „beerdigt“, verliert wesentliche ihrer Qualitäten. Dass sich der Begriff des „Qualitätsjournalismus“ etabliert hat, zeigt die Bereitschaft an, sich im Großen und Ganzen von den Qualitäten des Journalismus zu verabschieden, sie nur noch als Besonderheit zu erwarten.
Die als Realitätstüchtigkeit legitimierte Abkehr von journalistischen Normen, die zu einer puren, auf Werbeeinnahmen fixierten Aufmerksamkeitsökonomie hin tendiert, ist aber nur die eine Seite des Problems. Als andere Seite sehen wir bei höchsten politischen und juristischen Instanzen einen naiven Umgang mit journalistischen Normen, der Begriffe wie Objektivität und Authentizität vorschreibt, als handle es sich bei hinreichend gutem Willen um jederzeit einlösbare Kriterien, deren Verfehlen automatisch gegen den real existierenden Journalismus spreche. Auf diese Weise wird die journalistische Arbeit schlechter gemacht als sie ist. Kriterien wie Objektivität, Authentizität etc. können unter den Bedingungen von Meinungsfreiheit nur umstritten sein. Sie sind nicht nur bewegliche, sondern auch undefinierbare Ziele, es kann nur darum gehen, um sie zu „ringen“ und in der Auseinandersetzung um sie, Näherungswerte zu erzielen. Dass öffentliche Kommunikation – genau wie wirtschaftliche, wissenschaftliche, juristische, politische etc. – ihre eigenen Realitäten schafft, in diesem Fall: Medienrealitäten, darf inzwischen als Alltagswissen gelten.
6 Wunschbürger versus Normalbürger: Ökonomisches Kalkül, politische Vernunft, rationale Ignoranz
Immer wenn politische Kommunikation Journalismus thematisiert, bezieht sie sich auf dessen demokratische Funktion und spricht dabei von „der öffentlichen Aufgabe der Medien“ (obwohl sie nur die journalistischen Veröffentlichungen der Medien meint). Dass dem Journalismus wirtschaftliche Selbstverwertung nicht gelingt, ist nicht sein originelles Problem, sondern ein generelles Phänomen öffentlicher Güter. Die journalistischen Normen verlangen, dass die allgemeinen Belange gegenüber partikulär-persönlichen Interessen, dass gesamtgesellschaftliche Perspektiven gegenüber privaten Sichtweisen die Berichterstattung bestimmen sollen. Im Unterschied zu Bürgerinnen und Bürgern, die politisch hoch motiviert sind oder sogar (sei es haupt-, sei es ehrenamtlich) politische Leistungsrollen ausüben, haben Normalbürger keine sich rational aufdrängenden Nutzenanreize, in gesamtgesellschaftlichen, also (innen- und außen-, wirtschafts-, bildungs-, medien-, gesundheits- etc.) politischen Angelegenheiten gut informiert zu sein.
Dem Bild des politisch vielseitig interessierten und sich laufend aktuell informierenden Bürgers, das die parlamentarische Demokratie in ihrem Selbstverständnis und in ihrer Selbstbeschreibung proklamiert, widersprechen die Rationalitäten des Alltagsverhaltens. Selbst gut informiert zu sein und mit einer qualifizierten Meinung einen Beitrag zur politischen Vernunft leisten zu können, macht Normalbürger in ihrem Alltag nicht direkt erfolgreicher und politisch nicht einflussreicher, ihre Stimme bleibt in der Wahlkabine eine (in Zahlen: 1) Stimme. Sich selbst gut zu informieren, verhindert schlecht informierte kollektive Resultate nicht; und von guten kollektiven Ergebnissen profitieren auch die Uninformierten. „Die Schlussfolgerung ist, dass für den typischen Bürger en gros eine rationale politische Ignoranz zu prognostizieren ist, sobald spürbare Informationskosten für den Einzelnen auftreten.“ (Lobigs 2017, S. 10f.) Aus dieser rationalen politischen Ignoranz resultiert das Problem zahlungsbereiter Nachfrage für Journalismus. Aber eben nicht für Journalismus alleine. Beispielsweise ist die gesamte politische Kommunikation der Regierungen und Parteien (nicht nur in Deutschland) weit überwiegend steuerfinanziert. Wäre sie auf zahlungsbereite Nachfrage angewiesen, herrschte eine große politische Stille im Land.
7 Warum die Politik die Medien für fast alles verantwortlich macht
Die Tatsache, dass es in der Demokratie für die „Schicksalsentscheidung“, wer politische Macht gewinnt oder verliert, auf Meinung und sonst nichts ankommt, macht Meinungsforschung, Meinungsumfragen und sogenannte Politbarometer, die Stimmungslagen messen, zu herausragend wichtigen Instrumenten des Politikprozesses. Mehr als auf jedem anderen gesellschaftlichen Feld geht es in der Politik um Meinung. Mehr als jede andere potentielle Meinungsquelle nimmt die Politik die Medien, genauer: den Journalismus, als meinungsbildende Kräfte wahr. Wenn die Medien als wichtigste Meinungsquelle ausgemacht sind, muss sich der Wunsch nach Meinungsvielfalt als Forderung nach Medienvielfalt ausdrücken.
Die Politik konzentriert sich auf den Journalismus als Meinungsbildner, denn er ist für politische Kritik und für Versuche politischer Einflussnahme (sei es über PR, sei es über Medienpolitik, sei es über direkte Interventionsversuche) freigegeben. Bevor man den Souverän, die Bürgerinnen und Bürger selbst kritisiert, rügt man lieber die Medien und schreibt ihnen die Verantwortung für „falsche“ Meinungen zu. Soll heißen: Im Zentrum der politischen Auseinandersetzung über Meinungsbildung stehen, unabhängig von der überaus strittigen Frage ihrer Wirkungskraft, die Medien als Einflussfaktoren nicht zuletzt deshalb, weil die Politik auf sie Einfluss nehmen kann. Es ist die alte Geschichte von dem Mann, der nachts seinen Schlüssel unter einer Laterne sucht.
Sorgen und Beschwerden über einen Mangel an Meinungsvielfalt werden logischerweise in erster Linie solche politischen Akteure vorbringen, die mit ihren Wahlergebnissen nicht zufrieden sind. Da es immer Wahlverlierer und darüber hinaus weitere politisch Engagierte und Interessierte gibt, die sich öffentlich unterrepräsentiert fühlen, bleibt Meinungsvielfalt ein Dauerproblem. Die Anlässe, es zu thematisieren, reißen nicht ab, wie vielfältig die öffentliche Kommunikation im allgemeinen und der Journalismus im besonderen auch sein mag.
Dass dabei für die gesellschaftliche Öffentlichkeit einerseits und die Organisationsöffentlichkeit andererseits mit zweierlei Maß gemessen wird, fällt zwar auf, bleibt aber weitgehend unangefochten. Meinungsvielfalt in politischen Parteien wird in der Regel nicht als Weg zu besseren Parteibeschlüssen gewertet, sondern als Zerstrittenheit, die das Image negativ beeinflusst sowie Vermutungen über Entscheidungs- und Handlungsschwierigkeiten nährt.
8 Medialer Strukturwandel: Das Neue wird, reduziert auf das Brauchbare, gewöhnlich
Das Internet macht heute Kommunikationen möglich, die bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein höchstens in Expertenzirkeln vorstellbar waren. In der Vergangenheit hatten Sprache, Schrift, Druck- Bewegtbild- und Funkmedien auf ihre je eigene Weise Kommunikationsmöglichkeiten eröffnet, mit welchen sich die jeweiligen Gesellschaften erst zurechtfinden mussten. In wechselseitigen, zunächst Jahrhunderte, später Jahrzehnte währenden Anpassungsprozessen zwischen den neuen Möglichkeiten und den bisherigen (religiösen, politischen, wirtschaftlichen, familiären etc.) Routinen bildeten sich soziale Praktiken heraus, die sich (mit beachtlichen kulturellen Unterschieden) zu Gewohnheiten im Umgang mit den „neuen Medien“ verfestigten. Bestimmte Weisen der Verwendung konnten sich etablieren, andere Potentiale wurden als unbrauchbar wieder vergessen. Das Neue wurde, reduziert auf das Brauchbare, gewöhnlich.
Einen vergleichbaren, allerdings zeitlich, sozial und sachlich besonders dramatischen Anpassungsprozess zwischen neuen Kommunikationsmöglichkeiten und alten Routinen (der Industriegesellschaften) hat die Digitalisierung ausgelöst. Sie verursacht Aufregungen, weil sie erstens mit Hochgeschwindigkeit, zweitens mit enormer sozialer Reichweite über den gesamten Globus hinweg und drittens fast alle Arbeits- und Kommunikationsebenen betreffend Veränderungen provoziert.
Man kann im Kontext Digitalisierung über alles reden und man tut es, sofern man öffentliche Aufmerksamkeit gewinnen will, mit den dafür notwendigen Dramatisierungen des verheißungsvollen Fortschritts – im Lichte der viel versprechenden Zukunft verdüstert sich die Vergangenheit – und des bedrohlichen Verfalls: im Dunkel der Warnungen leuchtet ‚die gute alte Zeit’ so hell, wie sie als damalige Gegenwart nie erschienen ist. „Doch bei genauer Betrachtung des 20. Jahrhunderts stellt sich schnell heraus, dass das Internet nicht die erste Informationstechnologie war, die angeblich alles für immer und ewig veränderte.“ (Wu 2012, S. 20) Die Anfänge des Telefons, des Hörfunks und des Films lösten ähnliche Aufregungen aus – eben auch deshalb, weil die moderne Öffentlichkeit als gesellschaftliche Selbstbeobachtungsinstanz im Modus der Aufregung funktioniert und dabei „eine sich über sich aufregende, sich selbst alarmierende Gesellschaft“ (Luhmann 1997, S. 1100) herauskommt. Es gibt Indikatoren für eine fundamentale Veränderungsdynamik der Digitalisierung, das Ausmaß der öffentlichen Dramatisierung ist jedoch kein geeigneter Maßstab.
Das Verhältnis zwischen neuen und alten Medien lässt sich unter den drei Aspekten der Konkurrenz, der Komplementarität und der Integration beschreiben (vgl. Neuberger 2017); so auch das Verhältnis zwischen Internet und dem bisherigen professionellen Journalismus. Die harte Konkurrenz findet ökonomisch statt, nicht politisch-publizistisch. Journalismus als Profession gewinnt durch das Internet, Journalismus als Mediengeschäft verliert. Digitalisierung wäre ein Förderprogramm für journalistische Qualität, wäre sie nicht zugleich ein massiver Angriff auf die wirtschaftliche Rentabilität bisheriger journalistischer Arbeit.
Komplementär und partiell integriert sind Journalismus und sogenannte soziale Medien, weil sie sich wechselseitig als Informationsquelle nutzen, sich gegenseitig kritisch beobachten und weil der Journalismus diese Plattformen auch zur Verbreitung seiner Inhalte nutzt. Plattformen sind keine Content-Produzenten, sie bieten nur eine Bühne und steuern die Auftritte. „So wichtig neue Intermediäre inzwischen sind: […] Die angezeigten oder verlinkten Artikel werden von traditionellen Medien erstellt. Die Selektionskriterien sind aber intransparent.“ (Puppis, Schenk & Hofstetter 2017, S. 355).
In das Dunkel der Algorithmen, die für Suchmaschinen und Online-Plattformen Adressen und Mitteilungen sortieren, lässt sich Licht bringen. Diese drei Kriterien dürften dominieren: Erstens Neuigkeit: Was neu hinzugekommen ist im Unterschied zum vorhandenen Bestand. Zweitens Prominenz: Was die meisten anderen User interessant fanden im Unterschied zu Adressen und Mitteilungen, die weniger bis keine Resonanz fanden. Drittens individuelle Präferenz: Was der bestimmten Einzelperson, gemessen an ihrem bisherigen Suchverhalten, interessant erscheinen könnte.
Die Kommunikationssituation, die das Internet schafft, verschiebt den Akzent von den (äußeren) Ereignissen, die vorher im Paket eines Massenmediums gebündelt vorlagen, hin zum (inneren) Erleben, das die Wahl zwischen den unendlich vielen Mitteilungen anleitet. Mit der Individualisierung des Rezeptionsverhaltens und der Vervielfältigung der erreichbaren Adressen nimmt die öffentliche Meinungsbildung den Charakter von Moden für Szenen an.
9 Ein anderer Journalismus und etwas anderes als Journalismus
Computer und Internet verändern die journalistischen Arbeitsbedingungen technisch, sozial und zeitlich. Es entwickelt sich ein anderer Journalismus, zu dessen Eigenschaften unter anderem gehört: Die multimediale Aufbereitung von Themen und mehrkanalige Distribution von Beiträgen werden selbstverständlich; Datenjournalismus und die Robotisierung von Arbeitsabläufen halten in den Redaktionen Einzug. Die periodische Berichterstattung verwandelt sich online in eine laufende; ständige und eilige Aktualisierungen prägen den Online-Journalismus. Die Interaktion mit dem Publikum, das sich jetzt jederzeit selbst öffentlich zu Wort melden kann, wird unverzichtbar, sie erweitert Arbeitsmöglichkeiten und absorbiert Arbeitskapazitäten; Veröffentlichungen werden in Echtzeit vergleichbar, die Transparenz steigt.
Aber es entwickelt sich nicht nur ein anderer Journalismus, sondern auch etwas anderes als Journalismus. Die Aufmerksamkeitsökonomie beschäftigt keine Journalisten, sondern Animateure. Auch Animation kann man besser oder schlechter, intelligenter oder plumper, originell oder als platte Nachahmung machen. Jedoch ist auch gute Animation kein Journalismus, weil sie ein anderes Primärziel verfolgt – nämlich Auflagen, Quoten und Klicks zu steigern als Belege für Publikumskontakte, die an Werbetreibende verkauft werden können –, deshalb andere Selektionskriterien hat und deshalb andere Darstellungsweisen pflegt. Es ist nicht dasselbe Handwerk, auch wenn manche Werkzeuge von beiden, Journalisten wie Animateuren, benutzt werden. (vgl. Arlt & Storz 2016) Wenige Beispiele:
- Animateure entscheiden über „veröffentlichen oder nicht“ anhand von Bild und Überschrift, der Text ist eine lästige Beigabe, die möglichst keine offenkundigen Unrichtigkeiten enthalten soll, ansonsten nur eines muss: als Geschichte funktionieren.
- Der journalistische Vorspann, der den wichtigsten Inhalt aufgreift und die orientierenden W-Fragen beantwortet, weicht in der Animation dem Teaser-Text, der „Lockstoffe“ aussendet, neugierig machen soll, indem er sich in Andeutungen ergeht über die Brisanz des Beitrags.
- Journalisten halten Distanz, Animateure präsentieren sich „mitten drin“, als Beteiligte, am liebsten als Betroffene: „die Tränen der Frau Schreinemakers, dieses Sich-selbst-Involvieren“ (Weischenberg 1998, S. 363).
- Journalisten versuchen Darstellung und Bewertung der Geschehnisse möglichst zu trennen, Animateure bewerten, bejubeln und beschimpfen, moralisieren und protestieren.
- Animateure haben kein Interesse an Vielfalt, sie zielen auf billige Reichweite, auf das eine große Thema, dem sich alle im Publikum zuwenden und das mit wenig (Kosten-)Aufwand aufbereitet werden kann.
10 Auch online gilt: Wo tatsächlich Journalismus drin ist, wird Meinungsvielfalt mitgeliefert
Die Richtungsentscheidung, die ansteht, ist konzeptionell klar, wenngleich praktisch kompliziert. Sollen journalistische Veröffentlichungen vorrangig oder sogar ausschließlich als wirtschaftlich kalkulierte Waren produziert werden, die – sonst bleiben sie als Kommunikationsangebot unverkäuflich – auch irgendeinen Informationswert haben müssen? „Irgendein Informationswert“, der im wirtschaftlich günstigen Fall eine hohe Reichweite bei billigen Herstellungs- und Vertriebskosten erreicht, wird in der Regel ein Unterhaltungs- oder Sensations- bzw. Skandalwert sein. Oder sollen journalistische Veröffentlichungen vorrangig als gesellschaftspolitisch relevante, perspektivenreiche und sachlich richtige Informationsleistungen angeboten werden, die – sonst können sie nicht als Erwerbsarbeit professionell produziert werden – auch irgendwie bezahlt werden müssen? „Irgendwie bezahlt werden“ stellt eine Herausforderung dar, die in der Offline-Vergangenheit mal recht, mal schlecht gelöst wurde, auf die es unter den Bedingungen der Digitalisierung bislang keine stabil-tragfähige Antwort gibt. Beides gleichzeitig, gute Geldquelle und gute Informationsquelle, mag gelegentlich gelingen, aber nicht auf Dauer, wie die Geschichte des Journalismus lehrt.
Mit den Kommunikationsmöglichkeiten der Digitalisierung stellt sich die Herausforderung der Finanzierbarkeit von Journalismus neu. Das Risiko zeigt sich bereits praktisch, nämlich dass auf dem freien Markt eine Kommerzialisierungsspirale zur „De-Institutionalisierung eines gesellschaftlich-relevanten Onlinejournalismus führen wird, der durch einen Neu-Institutionalisierungsprozess pseudo-journalistischer Angebote parallel begleitet wird“. (Lobigs 2017, S. 5f.).
Wo tatsächlich Journalismus drin ist, wird Vielfalt mit großer Selbstverständlichkeit mitgeliefert. Qualität garantiert Vielfalt. Das Thema Medien- und Meinungsvielfalt gehört in die journalistische Qualitätsdebatte.
Arlt, H.-J., & Storz, W. (2016). Journalist oder Animateur – ein Beruf im Umbruch. Thesen, Analysen und Materialien zur Journalismusdebatte. Online: https://www.otto-brenner-
Franck, G. (2007). Ökonomie der Aufmerksamkeit. München-Wien: Hanser
Gebauer, G. & Wulf, C. (1998): Spiel – Ritual – Geste. Mimetisches Handeln in der sozialen Welt. Reinbeck: Rowohlt.
Lobigs, F.(2017). Paradigmenwechsel in der Ökonomie gesellschaftlich relevanter digitaler Medieninhalte. Expertise im Auftrag der Eidgenössischen Medienkommission EMEK. Online: https://www.emek.admin.ch/inhalte/pdf/Expertise_EMEK_Frank_Lobigs_v.pdf (Zugriff: 9.9.2017).
Luhmann, N. (1997). Die Gesellschaft der Gesellschaft. 2 Bände. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Mouffe, C. (2008). Das demokratische Paradox. Wien-Berlin: Turia + Kant.
Neuberger, C. (2017). Journalismus und Digitalisierung. Profession, Partizipation und Algorithmen. Expertise im Auftrag der Eidgenössischen Medienkommission EMEK. Online: https://www.emek.admin.ch/inhalte/pdf/EMEK_Expertise_Neuberger.pdf (Zugriff: 10. 6. 2017).
Neuberger, C. & Kapern, P. (2013). Grundlagen des Journalismus. Wiesbaden: Springer VS
Puppis, M., Schenk, M., & Hofstetter, B. (Hrsg.) (2017). Medien und Meinungsmacht. Zürich: vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich.
Voßkuhle, A. (2013). Kritischer Journalismus als Verfassungsauftrag. Festrede zur Verleihung des Otto Brenner Preises 2013. Online: https://www.youtube.com/watch?v=VmW7MByWy9k
Weischenberg, S. (1998). „Journalismus ist Journalismus ist Journalismus…“ In: T. M. Bardmann (Hrsg.), Zirkuläre Positionen 2. Die Konstruktion der Medien. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 359-385.
Wu, T. (2012). Der Masterswitch. Aufstieg und Niedergang der Medienimperien. Heidelberg u.a.: mitp
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