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“Gerecht” und “zweckmäßig” – Gutachten zu Datenschutz und GEZ-Reform

von , 20.9.10

Die geplanten Einzugsmethoden der GEZ für die allgemeine Rundfunkabgabe sind datenschutz- und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zu diesem Ergebnis kommt der ehemalige Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Hans Peter Bull, in einem Gutachten für ARD und ZDF, das heute in Berlin vorgestellt wurde.

Laut Presseerklärung kommt Bull zu dem Ergebnis,

dass die Vorschriften des im Entwurf vorliegenden Rundfunkbeitragsstaatsvertrags mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar sind. Danach sind insbesondere der geplante einmalige Meldedatenabgleich, regelmäßige Meldedatenübermittlungen und Anzeige- sowie Auskunftspflichten der Beitragspflichtigen ebenso wie Auskunftsrechte gegenüber öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden.

Die Prinzipien der Datensparsamkeit und Datenvermeidung bewertet der ehemalige Datenschützer Bull – “in einer Gesellschaft, die sich auf allen Gebieten des Zusammenlebens der Informationstechnik bedient,” – als geradezu paradox.

Das Gutachten kann bei ard.de heruntergeladen werden.

Carta dokumentiert einige der zentralen Ergebnisse des Bull-Gutachtens:

V. Ergebnisse

A. Grundsätzliches

1. Die laut gewordene Kritik, es entstünde zukünftig ein „zentrales Melderegister“ bei der GEZ, beruht ganz offensichtlich auf der Annahme, dass eine umfassende Datei auch von zahlreichen Stellen genutzt werden könne, und auf der Vorstellung, große Dateien wie die der Rundfunkanstalten und der GEZ begründeten besonders große Gefahren für Persönlichkeitsrechte der Betroffenen. Damit wird verkannt, dass der Datenbestand der Rundfunkanstalten gerade nicht von anderen Interessenten genutzt werden kann, sondern nur dem Zweck der Beitragserhebung dient.

2. Datenschutz ist stets Individualrechtsschutz. Für die datenschutzrechtliche Bewertung kommt es nur auf das Verhältnis des Einzelnen zu der verantwortlichen Stelle und die Auswirkungen auf die Rechts- und Interessensphäre des Einzelnen an, nicht aber darauf, ob gleichzeitig auch andere in gleicher Weise betroffen sind, und seien es auch viele. Ein Datenverarbeitungsverfahren, das eine große Masse von Personen jeweils in geringem Maße beeinträchtigt, ist datenschutzrechtlich eher zulässig als die Verarbeitung sensibler Daten einer kleinen Zahl Betroffener. Durch die Sammlung und Verarbeitung der Rundfunkteilnehmerdaten werden die Rechte der einzelnen Betroffenen nur in ganz geringem Maße berührt; dies ist zulässig.

3. Auch das Prinzip der Datensparsamkeit und Datenvermeidung rechtfertigt keine Pauschalkritik der Datenverarbeitung durch die Rundfunkanstalten und die GEZ. Dieses Prinzip ist nur einfachgesetzlich festgelegt und wirkt überdies in einer Gesellschaft, die sich auf allen Gebieten des Zusammenlebens der Informationstechnik bedient, geradezu paradox. Vielfach liegt es gerade im Interesse der Betroffenen, dass entsprechende Angaben über sie gespeichert sind. Im Übrigen ist nicht erkennbar, wie die Ermittlung der Rundfunkbeitragsschuldner und der Einzug der Beiträge ohne die bisher gespeicherten Daten möglich sein soll.

4. Personenbezogene Daten sind zwar grundsätzlich beim Betroffenen zu erheben, aber wenn die Betroffenen unbekannt sind, ist die Erhebung ohne Kenntnis des Betroffenen unvermeidlich. So ist es bei der Ermittlung von „Schwarzhörern“ und „Schwarzsehern“. Das Datenschutzrecht des Bundes und der Länder lässt für diese Fälle die Datenerhebung bei Dritten ohne Kenntnis der Betroffenen zu.

5. Die Neuregelung der Rundfunkfinanzierung ist gerechter als das bisherige Recht, und sie ist auch zweckmäßig. Demgegenüber läuft die Kritik daran im Ergebnis darauf hinaus, dass aus Einzelregelungen und Prinzipien des Datenschutzrechts eine angebliche verfassungsrechtliche Verpflichtung zu einer anderen, deutlich weniger effektiven Regelung der Rundfunkfinanzierung hergeleitet wird. Würden diese Monita berücksichtigt, so wäre der Erfolg der vorgesehenen Umstellung stark gefährdet. Das Ziel, ein möglichst hohes Maß an Gebühren- bzw. Beitragsgerechtigkeit herzustellen, wäre dann gerade nicht erreichbar.

6. Auch die Idee, den Beitragseinzug den Finanzämtern zuzuweisen, ist nicht tragfähig. Die Rundfunkanstalten sind vielmehr schon nach allgemeinen Organisationsgrundsätzen (Verbot der Mischverwaltung) gehalten, diese Aufgabe selbst zu erfüllen. Nur dies entspricht auch dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks.

7. Die angebliche Unbestimmtheit einzelner Vorschriften des RBStV betrifft zum Teil nur beitragsrechtliche Fragen. Soweit Unklarheit über die Zulässigkeit einzelner Formen der Datenverarbeitung bestehen sollte, ist sie durch angemessene Auslegung der Vorschriften ausräumbar. Tatsächliche Ungewissheiten sind nach den Regeln des Beweisrechts und der Beweislastverteilung zu behandeln.

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