#Leistungsschutzrecht

Das unbestimmte Leistungsschutzrecht: Auf dem Weg zur PC-Gebühr

von , 12.3.10

Gestern hatte ich zum Thema Leistungsschutzrecht (LSR) ein Déjà-vu-Erlebnis: Das Prinzip für eine möglichst lautlose Einführung des LSR kennen wir doch eigentlich schon. Es läuft momentan wie bei der Einführung der “Rundfunkgebühren für neuartige Rundfunkempfangsgeräte” (vulgo PC-Gebühr). Das Thema soll mit möglichst vagen Aussagen möglichst bis zum Schluss unterhalb der öffentlichen Empörungsschwelle gehalten werden. Außerdem vermeiden die Befürworter eines LSR (also die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage) eine breite Solidarisierung gegen ihre Pläne, indem einzelne Interessengruppen auseinander dividiert werden.

Man erinnere sich an die Phase vor der PC-Gebühr: Da hieß es in den Verhandlungen und beim Beschluss des Rundfunkänderungsstaatsvertrags 2004 auch zunächst: Wir haben jetzt die rechtliche Grundlage, aber wir werden sie (noch) nicht anwenden. Dann wurde sie ab 2007 angewandt, aber (zunächst) nur in Höhe der Radiogebühr. Die öffentliche Empörung hielt man in Grenzen, indem man versicherte, der allergrößte Teil der Privathaushalte sei ja ohnehin nicht betroffen (nur dann, wenn sie bisher kein Radio angemeldet hatten). Außerdem wurde das Schweigen der Großbetriebe erkauft, indem man die Abgabe auf einen PC pro Grundstück beschränkte, den Konzernen also einen gewaltigen Mengenrabatt gewährte. Am Ende blieben Kleingewerbetreibende, Solo-Selbstständige und Heimarbeiter übrig. Von den Heimarbeitern wurden dann aber letztlich noch einmal alle Lehrer ausgenommen (mit der absurden Begründung: Schulen als öffentliche Arbeitgeber hätten keine Gewinnerzielungsabsicht und Lehrer, die daheim ihren Unterricht vorbereiten, demnach auch nicht).

Dafür werden seitdem Bäcker, Friseursalons, Webdesigner oder freie Journalisten für die berufliche Nutzung eines PCs zur Kasse gebeten, auch wenn ihr Umsatz gering ist. Demnächst, wenn es nach den Ministerpräsidenten geht, sogar mit der vollen Rundfunkgebühr. Und da in Deutschland keine Sammelklagen zulässig sind, muss jeder Kleingewerbetreibende und Solo-Selbstständige, der sich zu Unrecht abkassiert glaubt, gesondert Klage einreichen. Noch ist kein Verfahren weiter als bis zur Instanz eines Oberverwaltungsgericht gekommen, und natürlich herrscht angesichts der völlig unterschiedlichen Urteile je nach Gericht weiterhin Rechtsunsicherheit.

So ähnlich sehe ich das auch beim Leistungsschutzrecht kommen. Bei der Auftaktveranstaltung zum Kölner Forum für Medienrecht sagte Christoph Keese, Cheflobbyist des Axel Springer Verlags, nach einer Meldung von Heise Online gestern erstmals, wer denn Zahlungen nach dem Leistungsschutzrecht entrichten solle:

Zahlen sollen in Zukunft nicht nur Portale wie Google, die kostenfrei abrufbare Inhalte systematisch auswerten, sondern jeder gewerbliche Nutzer der Verlagsangebote im Internet. Dabei nannte Keese explizit die schätzungsweise 20 Millionen gewerblich eingesetzten PCs in Deutschland.

Das ist so ziemlich das Konkreteste, was wir bisher zu diesem Thema vernommen haben. Denn genauso wie die angeblich schutzwürdigen Leistungen der Verlage im Internet bisher vor allem negativ formuliert wurden (keine einzelnen Texte, keine Überschriften, kein Layout, keine Verlinkungen), hieß es auch bei Fragen zum Kreis der potenziell Zahlungspflichtigen bisher vor allem, das geplante Gesetz richte sich nicht explizit gegen Google und nicht gegen Blogger. Außerdem müsse für Journalisten und andere Urheber eine “angemessene und ausgewogene Lösung gefunden werden (Pressemitteilung der Bundesregierung nach einem Treffen von Kulturstaatsminister Neumann und Presseverlegern).

In einem von Carta übernommenem Interview mit Promedia erläuterte Burda-Rechtsvorstand Robert Schweizer:

Die ersten Gespräche mit den politischen Entscheidungsträgern beginnen derzeit. Ein Textvorschlag soll jedoch, wenn auch möglichst umgehend, erst vorgelegt werden, wenn Verleger und Journalistengewerkschaften rundum einen Konsens gefunden haben.

Doch solch eine Branchenregelung würde ganz schnell zu Abgrenzungsproblemen führen. “Journalist” ist bekanntlich keine geschützte Berufsbezeichnung. Kommt man nur mit Presseausweis in den Genuss der LSR-Befreiung? Nur wenn man hauptberuflicher Journalist ist? Was ist mit Bloggern? Was mit gewerblichen Bloggern? Netzpolitik fragt sich zu Recht: “Und wer kontrolliert eigentlich, wieviele PCs in Unternehmen stehen?” Weiter wäre zu fragen: Was ist eigentlich eine gewerbliche Nutzung? Keese nannte bei einer Podiumsdiskussion der Heinrich-Böll-Stiftung im Januar als typischen Fall einen Bankangestellten, der sich mit Hilfe frei zugänglicher Verlagsangebote im Netz vor der Kreditvergabe über einen Mittelständler informiert und dazu in der Bank Texte herunterlädt oder ausdruckt, anstatt die gedruckte Zeitung zu kaufen. Doch ist es auch eine gewerbliche Nutzung, wenn der Mitarbeiter das Gleiche zuhause tut und die Texte am nächsten Morgen in die Filiale mitbringt? Die Antwort auf diese Frage blieb Keese schuldig.

Halten wir fest: Für 20 Millionen schwer definierbare gewerblich genutzte PCs soll also künftig eine Abgabe in unbestimmter Höhe für eine unbestimmte Leistung entrichtet werden, wenn es ein Leistungsschutzrecht gibt. Außerdem gibt es nicht-öffentliche Gespräche zwischen Verlags- und Gewerkschaftsvertretern über Ausnahmereglungen für nicht genau definierte Interessengruppen, die aber offenbar auch nur nebenbei geführt werden, weil die Verlage laut Heise nun eine Kartellausnahmegenehmigung beantragen wollen, für die sie gar keine Zustimmung der Journalisten-Gewerkschaften bräuchten. Vielleicht ist dieser Kenntnisstand endlich Anlass, über dieses Thema eine breite und demokratisch legimierte Debatte zu führen, bevor Tatsachen zulasten Unbeteiligter geschaffen werden. Die PC-Gebühr lässt grüßen.

Ulrike Langer hat diesen Text zuerst auf ihrem Blog Medial Digital gepostet. Wir crossposten ihn mit freundlicher Zustimmung der Autorin.

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