von Tobias Gillen, 20.2.14
Die Diskussion, ob Blogger nun Journalisten sind und auch so behandelt werden sollten, beschäftigt derzeit die Medienmacher. Radiowatcher Ekki Kern ist der Frage in seinem Blog nachgegangen und hat bei mehreren Pressestellen von Radiosendern nachgefragt, was sie darüber denken – mit zum Teil bedenklichen Antworten.
Es fing an mit netzpiloten.de-Projektleiter und Blogger Tobias Schwarz, netzpolitik.org-Macher Markus Beckedahl und Videoblogger Tilo Jung. Alle Drei haben in jüngster Vergangenheit ihre ganz eigenen Erfahrungen mit dem Deutschen Bundestag gemacht: Tobias Schwarz erhielt beim Akkreditierungsantrag eine Absage, weil “zu viele Blogger” versucht hätten, dem Besuch der Kulturstaatsministerin Monika Grütters beizuwohnen. Markus Beckedahl wurde eine Jahresakkreditierung verwehrt, weil er mit seinem Blog “keine parlamentarische Berichterstattung” mache – wer netzpolitik.org kennt, weiß, dass das völliger Unsinn ist. Ein ähnliches Problem hatte Videoblogger Tilo Jung, der den Zugang für sein YouTube-Format “Jung & Naiv” beantragt hatte.
Die anschließende Debatte, die auch munter öffentlich diskutiert wurde, nahm radiowatcher.de-Betreiber Ekki Kern zum Anlass, bei Pressestellen von Radiosendern anzufragen, wie man dort zu der Frage stehe, wer Journalist ist und wie man mit Bloggern umgehe.
Die zeitgleich per E-Mail an die Pressestellen gesendeten Anfragen sind eigentlich eine Einladung, feines PR-Blabla loszuwerden und den ach so löblichen Umgang mit Bloggern zu preisen. Dennoch scheinen einige Pressestellen ein zumindest fragwürdiges Bild von dieser neuen Medienwelt zu haben. Beispiele? Na, aber gerne doch.
Von “Premium-Bloggern” und “unserem Berufsstand”
Der Leiter der Pressestelle des Deutschlandradios, Carsten Zorger, stellt fest:
Blogger sind keine Journalisten, aber Journalisten sind Blogger.
Das ist so nicht ganz richtig. Journalisten können Blogger sein, wenn sie denn möchten und sich ein eigenes Blog zulegen. Aber pauschal sind Journalisten natürlich keine Blogger. Aber auch Blogger können – insofern sie denn den Anspruch haben – Journalisten sein.
Das liegt einerseits daran, dass Journalismus in Deutschland kein geschützter Beruf ist und sich somit theoretisch jeder halbwegs sprachbegabte Grundschüler Journalist nennen könnte. Aber auch an der Tatsache, dass es inzwischen genügend Blogger gibt, von denen sich so mancher Journalist eine saftige Scheibe abschneiden könnte. Was zum Beispiel ein Markus Beckedahl (und sein Team) bei netzpolitik.org leisten, sucht in der Berichterstattung über netzpolitische Zusammenhänge hierzulande seinesgleichen.
Aber Carsten Zorger geht noch weiter. Der Deutschlandfunk gewichte jede Anfrage nach gewissen Kriterien:
Fragen Blogger oder Journalisten an, spielt natürlich die Reichweite des jeweiligen Mediums eine große Rolle.
Es gibt einen Unterschied zwischen “Reichweite” und “Relevanz”. Sortiert eine Pressestelle Anfragen nach der Relevanz des Mediums, halte ich das bei einem möglicherweise sehr hohen Aufkommen an Anfragen sogar für nachvollziehbar.
Auch wenn prinzipiell keine Unterscheidung unter Journalisten gemacht werden sollte: Dass eine Pressestelle dem auf Nachrichten getrimmten “SPIEGEL ONLINE” vor dem erst nächste Woche wieder erscheinenden “Hinterwälder Wochenblatt” antwortet, macht schon zeitlich Sinn. Anfragen aber rein nach der Reichweite eines Mediums zu gewichten, erachte ich als grundlegend falsch.
Was wäre dann nämlich die Konsequenz? Ein Blogger, der es mit Sensationsgier und Boulevard auf Klicks abgesehen hat, würde eher eine Antwort bekommen als ein solcher, der seriös und unaufgeregt berichtet. Und das nur, weil er am Ende des Monats mehr Seitenaufrufe hat? Relevanz und Reichweite gehen zwar häufig einher. Eine so pauschale Äußerung halte ich aber für fragwürdig.
Im Gespräch mit Ekki Kern geht Zorger noch weiter – und gibt den reichweitenstarken Bloggern gleich einen Namen:
“Premium-Blogger”, wie er sie nennt, hätten ein besonderes Gewicht und würden demnach mit Priorität behandelt. “Wir müssen unseren Berufsstand schützen!” – auch das sagt Carsten Zorger.
“Premium-Blogger” klingt, als haben sich die Blogger eines dieser teureren Tickets gekauft, mit denen man im Kino dann in den hintersten drei Reihen mit der gepolsterten Rückenlehne sitzen darf. Mal im Ernst: Reichweite = Premium? Das bedeutet, dass BILD.de durch seine enorme Reichweite nun auch Premium-Journalismus macht? Oder wie genau darf man das verstehen? Wenn Blogger untereinander auf diese Art und Weise ab- und aufgewertet werden, ist der Deutschlandfunk – was Internet und Betrachtung der heutigen Medienlandschaft betrifft – rückständiger, als ich dachte. Da fügt sich der Satz “Wir müssen unseren Berufsstand schützen” sehr geschmeidig ins Bild ein.
Doch nicht nur der Deutschlandfunk hat unter den Radiosendern etwas verschobene Ansichten. Antenne Bayern, die radiowatcher.de bereits mehrfach genauer unter die Lupe genommen hat, scheint ein Problem mit kritischen Bloggern zu haben. So verweigert der Sender dem Watchblog seit April 2013 jegliche Aussage mit folgender Begründung:
Leider haben wir nach dem Beantworten Ihrer letzten Anfragen ein gewisses Maß an Fairness und kollegialem Respekt im gegenseitigen Umgang vermisst. So möchten wir bis auf Weiteres davon absehen, Ihnen zusätzliche Auskünfte zu geben, die über unsere normale Berichterstattung on air und online hinausgehen.
Ziemlich unsouverän, dafür, dass Antenne Bayern der größte Privatsender in Deutschland ist. Bei Betrachtung der radiowatcher.de-Berichterstattung sind stets Nachfragen beim Sender und mitunter auch Updates bei Nachbesserungen seitens des Senders zu finden. Was genau Antenne Bayern mit mangelnder Fairness und fehlendem “kollegialem Respekt” meint, bleibt trotz Nachfragen von radiowatcher.de bislang unklar. Vermutlich aber, dass sich radiowatcher.de an etlichen fragwürdigen Aktionen des Senders in der Vergangenheit abgearbeitet hat – getreu der Aufgaben eines Watchblogs eben. Auch die jüngste Anfrage zum Verhältnis zu Bloggern blieb unbeantwortet, so Kern.
Blogger vs. Journalisten: “Get over it”
Tobias Schwarz bringt es eigentlich ziemlich genau auf den Punkt: “Get over it!” Die Frage, ob Blogger oder Journalist, ist längst nicht mehr zeitgemäß. Sind journalistisch arbeitende Blogger nun auch Journalisten? Natürlich! Dafür muss man heute nicht mehr in der “Süddeutschen” oder auf spiegel.de schreiben. Wer sich eine journalistische Plattform schafft und auf dieser Arbeit nach journalistischen Grundsätzen betreibt, der ist genauso Journalist, wie der Lokalzeitungsredakteur oder der ARD-Korrespondent auch.
Diese Debatte im Jahr 2014 sagt viel über die Entwicklung der Medienlandschaft in Deutschland aus. Das ist der eigentliche Punkt.
Offenlegungen: Ich stehe mit Ekki Kern in freundschaftlichem Verhältnis und hatte vor Veröffentlichung Einsicht in seinen Artikel. Zudem bin ich für netzpiloten.de als Autor tätig. Dennoch spiegelt dieser Blogpost natürlich meine eigene, unabhängige Meinung wieder.
Crosspost vom tobiasgillen Blog
- Siehe auch Tobias Schwarz, Abgeordnete setzen sich für Blogger im Bundestag ein und “Zu viele Blogger” wollen über den Bundestag berichten!?