#Bundesverfassungsgericht

Bewaffneter Bundeswehr-Einsatz im Inneren: BVerfG öffnet die Tür einen Spalt breit

von , 23.8.12

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum – wohlgemerkt bewaffneten –  Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist seit ihrer Veröffentlichung Ende letzter Woche viel diskutiert worden und auf unterschiedliche Resonanz gestoßen.

Mich hat insoweit die – wieder einmal – unkritische und zustimmende Pressemitteilung der Piratenpartei irritiert. Von einer Partei, die sich die Verteidigung der Bürgerrechte auf die Fahnen geschrieben hat, erwarte ich schlicht eine ganz andere Haltung.

Aus bürgerrechtlicher Sicht ist der bewaffnete Einsatz der Streitkräfte im Innern ein absolutes No-Go. Der halbgare Kompromiss zwischen dem Ersten und dem Zweiten Senat des BVerfG ist weder juristisch überzeugend, noch mit einer liberalen Grundhaltung vereinbar.

Liebe Piraten, das Gericht setzt dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren keine engen Grenzen, sondern erlaubt es vielmehr erstmals, bewaffnete Streitkräfte im Inland (in engen Grenzen) überhaupt einzusetzen. Zumindest das hätte in der Pressemitteilung stehen müssen.

Weil der Richter am Bundesverfassungsgericht Gaier in seinem Sondervotum (ab Randnummer 60 des Beschlusses) besser und überzeugender darlegt, warum die Entscheidung des Plenums falsch ist, als ich es je könnte, spare ich mir an dieser Stelle juristische Ausführungen, sondern empfehle einfach die Lektüre dieses Sondervotums.

Update vom 23.08.2012:

Nachdem u.a. in den Kommentaren geäußert wurde, ich hätte die Entscheidung des BVerfG nur falsch verstanden bzw. würde sie falsch interpretieren, möchte ich noch einige Ergänzungen anbringen.

Nachdem das BVerfG schon bisher der Ansicht war, dass die Mittel der Bundeswehr in technisch-unterstützender Art und Weise auch in Unglücksfällen oder bei Naturkatastrophen eingesetzt werden dürfen, hätte es dieser Plenumsentscheidung hierfür nicht bedurft. Der Beschluss zielt vielmehr darauf ab, den bisherigen Einsatzzweck und -umfang der Streitkräfte im Inneren auszuweiten.

Die Erlaubnis des Einsatzes “spezifisch militärischer Kampfmittel” auch in Unglücksfällen (im Sinne des Art. 35 Abs. 3 GG) eröffnet jedenfalls einen denkbar weiten Anwendungsbereich. Praktische Anwendungsfälle sind nicht Naturkatastrophen, sondern beispielsweise Einsätze im Zusammenhang mit Terroranschlägen. Und genau das ist problematisch.

Man sollte auch nicht vergessen, dass die Entscheidung vor dem Hintergrund des Luftsicherheitsgesetzes ergangen ist, und das BVerfG den Aspekt der “Lufzwischenfälle” ausdrücklich thematisiert. Die Lufzwischenfälle gehören also durchaus zu den denkbaren neuen Anwendungsfällen.

Kriegsgerät (Flugzeuge, Panzer etc.) dürfen auf Grundlage von Art. 35 GG bereits jetzt eingesetzt werden. Zumindest entspricht dies der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG. Technisch-unterstützende Maßnahmen der Bundeswehr waren bereits bisher auch mittels des Einsatzes von Kriegsgerät möglich, solange die personellen oder sachlichen Mittel der Streitkräfte nicht in ihrem Droh- oder Einschüchterungspotential genutzt worden sind (Rn. 50 des Beschlusses).

Das bedeutet zusammengefasst, dass das BVerfG – über die bisherige Rechtsprechung hinaus – nunmehr entschieden hat, dass die personellen und sachlichen Mittel der Bundeswehr in Unglücksfällen gerade auch spezifisch militärisch eingesetzt werden dürfen, um Zwang auszuüben, bzw. mit dem Ziel, das militärische Droh- oder Einschüchterungspotential von Kriegswaffen zu nutzen.
 
Crosspost von Internet Law

  • Bei Metronaut hat sich John Nebel ebenfalls mit dem Thema befasst.

 

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