#Bundestagswahl

Wer traut noch Westerwelle?

von , 19.5.09


Sehr geehrter Herr Westerwelle,

gestatten Sie, dass ich mich kurz vorstelle: ich bin mittelständischer Unternehmer und besitze in Westfalen einen Betrieb mit 150 Mitarbeitern. Ich bin katholisch und habe mein ganzes Leben CDU gewählt – aus Tradition und weil die CDU mein politisches Zuhause ist. Mein wirtschaftspolitisches Vorbild ist Friedrich Merz. Bis zum Wochenende war ich aber fest entschlossen, diesmal bei der Bundestagswahl FDP zu wählen, denn die CDU hat in der großen Koalition die Prinzipien der Marktwirtschaft verraten und ist immer sozialdemokratischer geworden. Mit der Wahl der FDP wollte ich die marktwirtschaftlichen Kräfte in einer schwarz-gelben Koalition stärken. Auch die Tatsache, dass Friedrich Merz von Frau Merkel aus dem Bundestag vertrieben wurde, hat mich an der CDU zweifeln lassen.

Jetzt aber werde ich in meiner Entscheidung wieder schwankend. Sie haben auf dem FDP-Parteitag zwar vor einem Linksrutsch und einer linken Mehrheit gewarnt, dennoch aber eine Koalition der FDP mit SPD und den Grünen nicht ausgeschlossen. In einem Interview haben Sie sogar gesagt, eine Ampelkoalition sei “im Augenblick” ausgeschlossen. Unter diesen Umständen bitte ich Sie um Verständnis, wenn ich von einer Wahl Ihrer Partei wieder absehe. Es wäre für mich unerträglich, wenn meine Stimme am Ende in einer Koalition mit SPD und Grünen landen und ich das Gegenteil von dem erreichen würde, was ich mit meiner Wahlentscheidung bezwecke. Deshalb werde ich, wenn Sie eine Ampelkoalition nicht unmissverständlich und glaubwürdig ausschliessen, doch schweren Herzens am 27. September wieder CDU wählen.

Mit freundlichen Grüßen

So oder so ähnlich wie in diesem fiktiven Brief ist zur Zeit die Stimmung bei vielen Wählern, die bisher überlegt hatten, 2009 statt CDU/CSU die FDP zu wählen. Für sie war der FDP-Parteitag in Hannover, von dem sie eine klare Richtungsentscheiung erwartet hatten, bitter enttäuschend. Westerwelle will besonders clever sein und lässt deshalb eine kleine Hintertür für eine Ampelkoaltion offen, um auch Randwähler der SPD und der Grünen anzuziehen. Damit stoppt er aber den Zustrom von Wählern aus dem Reservoir der Union. Westerwelle ist in die selbst aufgestellte Strategiefalle geraten. Schon Franz Josef Strauß hat gesagt: ”Everybody`s Darling ist everybody`s Depp”. Von ihm stammt auch der böse Satz: ”Das einzig Zuverlässige an der FDP ist ihre Unzuverlässigkeit”.

Frank-Walter Steinmeier bedankte sich prompt bei Westerwelle für die Wahlkampfunterstützung. Dafür hat er auch allen Grund, denn Westerwelle verschafft ihm eine Machtperspektive jenseits der großen Koalition, mit der Steinmeier die SPD-Wähler mobilisieren kann.

In Hessen erreichte die FDP nur deshalb ein so überwältigendes Ergebnis, weil sie das Werben von SPD und Grünen kompromisslos abgewiesen und sich ohne Wenn und Aber auf die CDU festgelegt hatte. Westerwelle hat daraus offenbar nichts gelernt. In seiner Parteitagsrede hat Westerwelle der großen Koalition vorgeworfen, sie habe “die geistige Achse ins Pendeln gebracht”. Und wohin pendelt die FDP?

Wählermaximierung ist schön und gut, aber man kann sich in der Politik auch zu Tode – oder wie in diesem Fall – wieder unter 10 Prozent taktieren. Die CDU/CSU kann sich allerdings nur vordergründig bei Westerwelle bedanken, dass er von der CDU enttäuschte Wähler wieder der Union zutreibt. Wenn Westerwelle sich nicht doch noch klar festlegt, und das nicht erst eine Woche vor der Wahl, wenn die Briefwähler schon abgestimmt haben, dann kann es kommen wie 2002: Trotz der eindringlichen Aufforderung der FDP-Politiker Solms, Brüderle und Gerhardt sprach sich Westerwelle nicht für eine Koalition mit der CDU/CSU aus – mit dem bekannten Ergebnis: die FDP bekam nur 7,4 Prozent und für Schwarz-Gelb hat´s nicht gereicht.

Michael Spreng bloggt auf Sprengsatz, wo auch dieser Beitrag erschienen ist.

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