#Cordt Schnibben

#tag2020 · Ist der Medienwandel ein Schisma?

von , 5.8.13

Eben habe ich das Dossier im Spiegel zum Medienwandel gelesen, das Projekt 2020 von Cordt Schnibben. Für jemanden, der sich mit dem Thema ohnehin fast täglich beschäftigt, war nicht viel Neues dabei. Bei der Ansammlung von Verleger- und Chefredakteur-Aussagen kam mir jedoch ein Vergleich in den Kopf. Besonders Zitate, wie das von Brigitte Fehrle (Berliner Zeitung), die sagt, wenn im Netz keine Erlöse für Verlage erzielt werden, „dann haben wir irgendwann mal eine Wüste von wilden Informationen, die durch die Welt geistern und von niemandem mehr sortiert, geordnet und geprüft werden“ erinnern mich …

… an die katholische Kirche.

Ja, das ist zunächst ein seltsamer Vergleich. Doch ich werde ihn nicht los. Zur Medienkrise hört man für gewöhnlich immer Dieselben: Chefredakteure, Verleger, Manager, meist von großen Medien. Es wird zu den Großen geschaut, die zwar kräftig entlassen, nach außen aber nicht wirklich so wirken, als gehe es ihnen schlecht: Es gibt große Redaktionsgebäude, fette Banner und Werbeplakate.

Kann es vielleicht sein, dass die Leser deshalb nicht für Journalismus zahlen wollen? Ich glaube, sie wollen sehr wohl Journalismus, aber sie wollen das System Verlag nicht unterstützen. Es ist, als wollten viele Menschen glauben und Religion gutheißen, aber sie sehen das System und die Institution Kirche kritisch und kehren ihr den Rücken.

Vielleicht kam mit dem Internet eine neue Form der Aufklärung zu uns. Gleichzeitig haben sich in der Medienbranche starre Strukturen gebildet, die dafür sorgen, dass das Medium nicht mehr der Aufklärer und Beschützer ist, sondern der graue Moloch, der mich bevormunden will, der Wasser predigt, aber im Hinterzimmer mit Wirtschaftsbossen, PR-Agenturen und Politikern Wein trinkt.

Das Bild des armen Verlags passt nicht zum anzugtragenden Manager im 37. Stock, so, wie das Bild der Kirche der Armen nicht zum goldbestückten Dom passt.

Während immer wieder auf die Großen der Branche geschaut wird, gibt es eine ganze Reihe an journalistischen Startups, die es wert wären, gefördert zu werden. Während es bei Springer, Funke und anderen noch immer um Millionen geht, sind es hier drei- oder vierstellige Beträge, die den Unterschied machen. Ich hoffe, dass Schnibben auf diese Szene in den kommenden Wochen noch verstärkt eingeht. Er selbst sagte auf dem Netzwerk-Recherche-Kongress, wie ich finde, vollkommen zu Recht:
 

„Wenn wir Journalisten uns nicht um den Job der Verleger kümmern, ist unsere Zukunft abzusehen.“

 
Was sagt uns das? Es sagt uns, dass wir mehr auf den Leser als auf den Journalisten, und erst recht, als auf den Manager schauen müssen. Es sagt uns, dass wir mehr auf den Journalismus als auf das System Verlag schauen müssen. Und letztlich müssen wir – grundjournalistisch – fragen: Wer möchte wen oder was retten? Der Verleger den Journalismus? Oder den Verlag? Oder vielleicht nur sich selbst?
 
Crosspost von andreasgriess.de
 

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.