von Oliver Geden, 14.5.10
Wenn in der internationalen Klimadebatte etwas existiert, über das zwischen fast allen relevanten Akteuren Konsens besteht, dann ist es das so genannte 2-Grad-Ziel. Klimaforschung und Klimapolitik scheinen weitgehend einig darin, dass der schon jetzt unvermeidliche Klimawandel auf ein Niveau begrenzt werden muss, das einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur von maximal 2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter entspricht. Nicht nur die Europäische Union, die G8 5 sowie das 17 Industrie- und Schwellenländer umfassende „Major Economies Forum on Energy and Climate“ (MEF) haben das 2-Grad-Ziel im Grundsatz akzeptiert. Auch im Abschlussdokument des Kopenhagener Klimagipfels (COP 15), dem Copenhagen Accord, steht diese Zielmarke im Zentrum.
Doch schon die Tatsache, dass in Kopenhagen keine völkerrechtlich verbindlichen Emissionsreduktions-Beschlüsse zur Erreichung dieses Ziels verabschiedet werden konnten – und entsprechendes für die nahe Zukunft wohl auch nicht zu erwarten ist – spricht dafür, dass diese Zielmarke von 2 Grad Celsius schon bald stark unter Druck geraten wird. Schreibt man die gegenwärtigen globalen Emissionstrends fort, wird die Klimaforschung bereits in absehbarer Zeit konstatieren müssen, dass das 2-Grad-Ziel nicht mehr zu erreichen sein wird.
Angesichts der sich abzeichnenden Massivität des Klimaproblems wird dies jedoch nicht gleichbedeutend mit einem klimapolitischen Fatalismus sein (können). Es wird auch nicht gelingen, das Thema Klimawandel wieder von der politischen Agenda zu nehmen. Der aus Sicht der EU naheliegendste – weil in den Routinen des Politischen Felds fest verankerte – Umgang mit einem offenkundig gewordenen Scheitern am 2-Grad-Ziel liegt vielmehr in der Re-Formulierung der klimapolitisch derzeit noch sakrosankten Zielmarke.
Die Klimawissenschaften und insbesondere das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) werden zwar einen gewichtigen Einfluss darauf haben, in welchen Bahnen die Abkehr vom 2-Grad-Ziel verlaufen wird. Sie werden diese jedoch nicht verhindern können. Auch wenn die EU permanent hervorhebt, dass ihre Klimapolitik einem „wissenschaftsbasierten Ansatz“ folgt, so bedeutet das nicht, dass sie bereit wäre, sich ihre Problem- und Zieldefinitionen von den Klimawissenschaften vorgeben zu lassen. Entgegen landläufiger Vorstellungen von der Funktionsweise wissenschaftlicher Politikberatung ist es keineswegs so, dass die Wissenschaft zunächst strittige Fragen klärt, der Politik anschließend klare Handlungsanweisungen gibt, die von dieser dann weitgehend umgesetzt werden.
Zentrale Fragen der Klimapolitik werden nicht in der Wissenschaft entschieden, sondern letztlich im Politischen Feld. In den Wissensgesellschaften der Spätmoderne werden wissenschaftliche Politikberater von politischen Entscheidungsträgern längst online casino canada nicht mehr als Träger privilegierten Wissens behandelt, sondern grundsätzlich nicht anders als jeder andere Vertreter einer politischen Meinung auch.
Die Praxis des IPCC zeigt Martra Mays I Love abc12 for all my local New weather and sports User reviews A Google User January 28, 2014 Great coverage! I keep up with the latest news, truck driving schools in chicago closings, weather and more. deutlich, dass Klimaforschung und Klimapolitik an einer Ko-Produktion von politikrelevantem wissenschaftlichen Wissen interessiert sind. Dieses Arbeitsbündnis würde seitens der Politik jedoch aufgekündigt oder zumindest gelockert werden, sobald die Klimaforschung nicht mehr willens oder in der Lage wäre, politisch “verwertbares” Wissen zu liefern. Klimapolitik ist in westlichen Demokratien – selbst dort, wo primär naturwissenschaftliche Fragen berührt sind – in erster Linie Politik. Nicht Wissenschaftler treffen kollektiv verbindliche Entscheidungen, sondern gewählte Repräsentanten. Auch das 2-Grad-Ziel ist – wie seine Entstehungsgeschichte zeigt – eher politisch als wissenschaftlich begründet.
Die vor und während des Kopenhagener Gipfels (von Wissenschaftlern wie Politikern) vielfach verwendete Formel „Die Natur verhandelt nicht“ ist Ausdruck eines technokratischen Verständnisses von Klimapolitik, das auf der Handlungsebene eine weitgehende Alternativlosigkeit impliziert. Doch auch in der der Klimapolitik muss es möglich sein, zwischen konkurrierenden politischen Optionen zu entscheiden – und sei es nur über das Ausmaß an Klimawandelrisiken, das eine Gesellschaft oder die internationale Gemeinschaft in Kauf zu nehmen bereit ist.
Klimapolitisches Leadership zeigt die EU nicht mit fortwährenden Deklarationen und dem unbedingten Festhalten an einem kaum noch zu erreichenden 2-Grad-Ziel. Entscheidend ist vielmehr, ob es ihr tatsächlich gelingt, ihre Transformation zu einer low carbon economy erfolgreich zu gestalten. Wenn dies gelingt, dann werden andere Industrie- und Schwellenländer folgen – ganz gleich, welches Globalziel auf UN-Ebene vereinbart worden ist.
Dieser Beitrag ist eine Kurzfassung eines SWP-Arbeitspapiers zur Zukunft des 2-Grad-Ziels.