#Bundesverfassungsgericht

Gerhart Baum zur Vorratsdatenspeicherung: “Wir sind doch keine Risikofaktoren”

von , 25.3.10

“Der mit der Speicherung verbundene Grundrechtseingriff wiegt angesichts seiner Streubreite und der weitreichenden Aussagekraft der Daten besonders schwer.” – ein Satz, den Gerhart Baum mit allergrößter Genugtuung aus dem jüngsten Verfassungsgerichtsurteil vorliest. Das Urteil zeige die strikte Grundrechtsbezogenheit deutscher Politik. Gerhart Baum hatte unter anderem gegen die Vorratsdatenspeicherung Beschwerde eingereicht – und bilanzierte gestern, 3 Wochen nach dem Urteil, auf dem eco MMR Kongress noch einmal die Entwicklung der letzten Jahre im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit. Carta dokumentiert den 30-minütigen Auftritt:

Gerhart R. Baum: Entwicklung zum Überwachungsstaat? from Carta on Vimeo. Ton und Bildausschnitt sind leider nicht perfekt, aber in jedem Fall ausreichend um einen guten Eindruck zu bekommen.

Eine kleine Auswahl der Baum-Zitate:

“Es darf nicht so weitergehen, dass das Verfassungsgericht ständig die Parlamente mahnen die Grenzen der Verfassung nicht zu überschreiten. Das Parlament darf nicht die Belastbarkeit der Verfassung erproben. Nun gibt es genügend Urteile, damit das Parlament selber laufen kann.”

“Nicht alles, was Karlsruhe zulässt, muss auch gemacht werden! Wo kämen wir hin, wenn wir alles für korrekt halten würden in unserem Leben, was nicht verboten ist strafrechtlich.”

“Um Himmels Willen! Bis zum Jahre 2008 gab es keine Vorratsdatenspeicherung, heißt das, dass man vorher überhaupt nicht aufgeklärt hat?”

“Wir sind doch keine Risikofaktoren! … Wir tragen diesen Staat, ohne uns gäbe es diese Demokratie nicht! Wie kommt man dazu uns Misstrauen gegenüber zu entwickeln?”

“Datenschutz ist eine Freiheitsbedingung der demokratischen Gesellschaft.”

Bezug nahm Baum auch auf die Verfassungsbeschwerde gegen ELENA, an der man sich nur noch bis Montag beteiligen kann: “Zehntausend, zwanzigtausend, dreißigtausend Leute werden mit einem Lastwagen nächste Woche ihre Verfassungsbeschwerden nach Karlsruhe bringen. Sie sehen daran, dass das öffentliche Bewusstsein sich geändert hat.” Er selbst überlege ebenfalls mit “ein paar Freunden” Verfassungsbeschwerde gegen dieses “Monstrum” einzulegen.

Sein Fazit:

“Es gibt auch in unserer Gesellschaft Versuchungen zur Unfreiheit. Und die Verfassung bewahren wir nur, wenn wir sie wirklich leben. Sie schenkt sich uns nicht.”

Für Eindrücke zu den anderen Programmpunkten sei auf die Nachbetrachtung zum eco-Kongress “Internet – (k)ein rechtsfreier Raum?” im Lawblog von Thomas Stadler und Wofür wir die Vorratsdatenspeicherung brauchen von Simon Columbus auf Spreeblick verwiesen.

Vielen Dank an eco und Herrn Baum für die Genehmigung der Veröffentlichung.

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