#Bundesregierung

“Exzellente Verbindungen”: Wie die Stiftung Initiative Mehrweg Lobbying betreibt

von , 12.7.09

Lobbying ist im politischen Berlin an der Tagesordnung. Doch nicht alle dort vertretenen Interessengruppen verstehen es gleich gut, ihre Anliegen in die entsprechenden Kanäle zu leiten. Eine Organisation, die darin besonders erfolgreich ist, ist die Stiftung Initiative Mehrweg (SIM). Hinter der gemeinnützigen Stiftung, die im Zeichen des Umweltschutzes für Mehrwegflaschen wirbt, stehen, wie hier berichtet, Unternehmen aus der Mehrwegbranche.

Martin Schoeller, Geschäftsführer der Schoeller Holding, bestätigte gegenüber CARTA: “Die Schoeller Holding hat nicht unmittelbar zum Stiftungsvermögen beigetragen. Stifter war – neben anderen – die damalige Schoeller Plast Industries mit Sitz in Pullach”. Das von Schoeller Plast Industries im Gründungsjahr 1992 zur Verfügung gestellte Stiftungskapital habe 20.000,00 DM betragen. Schoeller habe der Stiftung auch zugesagt, “die mit der Registrierung und Erhaltung der Homepage verbundenen Kosten zu tragen.” Die Stiftungswebsite stiftung-mehrweg.de ist auf “Martin Schoeller” von der “Schoeller Holding” in Pullach registriert.

asdfasdfds

Stiftung Mehrweg: Detailverbesserungen für den Mehrwegsektor

Die Arbeit der SIM wird durch den Förderverein Initiative Mehrweg e. V. unterstützt. Dem Verein gehören sieben Unternehmen an, hauptsächlich Mehrweg- und Getränkefirmen sowie der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung, der die Recyclingbranche vertritt. Ihren laufenden Geschäftsbetrieb finanziert die SIM über Spenden. Darüber, von wem diese stammen, gibt die Stiftung auf Anfrage keine Auskunft.

Im Kuratorium der SIM sitzen seit 2006 Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und seit 2004 dessen Amtsvorgänger Jürgen Trittin (Grüne). Entgegen den Verhaltensregeln des Deutschen Bundestages gaben beide ihre Kuratoriumstätigkeit bis Ende April weder im Amtlichen Handbuch des Bundestages noch auf ihren persönlichen Homepages an. Ernsthafte Konsequenzen hatte dies für die beiden Politiker bisher nicht.

Die Stiftung Initiative Mehrweg “sucht und erschließt” laut den Angaben auf ihrer Homepage “neue Wege für den gesamten Mehrwegsektor” und verfügt “über exzellente Verbindungen zu politischen Entscheidungsträgern“. Daran, dass dies der Fall ist, dürften wenig Zweifel bestehen: Geschäftsführer der SIM ist der Rechtsanwalt Clemens Stroetmann. Er war früher Staatssekretär im Bundesumweltministerium unter Angela Merkel. Darüber hinaus sitzen mit Gabriel und Trittin zwei der einflussreichsten Umweltpolitiker im Kuratorium der Stiftung.

Martin Schoeller meint über die SIM: “Die Stiftung ist unabhängig und verfolgt den Zweck, dem Gemeinwohl dienende Fragen zu bearbeiten und Meinungen zu entwickeln.” Sie sei “keine mächtige Industrielobby”, sondern “genau das Gegenteil”.

Wie aus einem Arbeitsbericht der SIM hervorgeht, veranstaltete die Stiftung im Jahr 2005 einen “Kaminabend” mit dem Ministerialdirigenten Thomas Rummler aus dem Umweltministerium. Im Jahr 2007 führte SIM-Geschäftsführer Stroetmann ein “ausführliches Gespräch mit der umweltpolitischen Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Frau Marie-Luise Dött, MdB”. Wie aus dem Arbeitsbericht 2007 der SIM hervorgeht, konnte diese auch den “zuständigen Abteilungsleiter des Bundesumweltministeriums, Herr Ministerialdirektor Dr. Wendenburg, für das Eröffnungsreferat des Workshops am 24. Januar 2007″ gewinnen. “Nicht zuletzt auf diese Gespräche dürfte es zurück zu führen sein, dass im Rahmen der 5. Novelle der VerpackV zumindest einige Detailverbesserungen zu Gunsten von Mehrweg in den Entwurf einfließen konnten. Dazu zählt die beabsichtigte Kennzeichnungspflicht für Einwegverpackungen ebenso wie die Streichung einer Reihe von Ausnahmen von der Pfandpflicht für Einwegverpackungen”, heißt es in dem Arbeitsbericht.

aSDasd

CDU-Bundestagsabgeordnete Dött: "Standardprogramm jedes Politikers"

Auf Anfrage war von Rummler keine Stellungnahme zu erhalten. Wendenburg ließ wissen, es entspreche “journalistischen Gepflogenheiten, derartige Anfragen an die Pressestelle des Ministeriums zu richten. Ich darf Sie daher bitten diesen Weg zu gehen”. Ein Mitarbeiter von Marie-Luise Dött teilte mit: “Frau Dött MdB führt in ihrer Funktion als umweltpolitische Sprecherin in jeder Woche eine Vielzahl von Gesprächen mit unterschiedlichsten Interessengruppen. Die Gespräche dienen der Meinungsbildung.” Diese Form des Informationsaustauschs gehöre zum “Standardprogramm jedes Politikers”. Dött, die dem Förderkreis der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) angehört, nehme auch grundsätzlich keine Honorare, weder für Teilnahmen an Veranstaltungen noch für Gespräche. Zum Inhalt des Gesprächs und zu der Frage, ob dieses Auswirkungen auf ihre persönliche Politik gehabt hat, nahm Dött jedoch keine Stellung. Auch nicht zu folgender Frage: “Sehen Sie die Gefahr eines Interessenkonflikt darin, als umweltpolitische Sprecherin an einer Veranstaltung einer Stiftung teilzunehmen, die von Mehrwegfirmen getragen wird.”

Auch SIM-Geschäftsführer Stroetmann gab sich wenig auskunftsfreudig: “Ich bitte allerdings um Verständnis dafür, daß ich weder die Notwendigkeit noch Verpflichtung sehe, mich mit ihren interessanten Fragen auseinanderzusetzen”. Eine der Fragen lautete: “Welchen Titel trug der Workshop?”.

Ein Sprecher von Umweltminister Sigmar Gabriel erklärte Mitte April gegenüber der taz, dass sein Ministerium eine Pflicht für alle Händler, auch Mehrwegflaschen anzubieten, prüfe, was den Mehrwegfirmen entgegenkäme. “Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen”, informierte nun das Bundesumweltministerium. Ebenso werde das Ministerium “in Kürze” eine Verordnung zur verbesserten Kennzeichnung für Einweg- und Mehrwegflaschen erlassen. Eine solche Regelung fordert auch die SIM. Wann eine solche Verordnung erlassen werden soll, ist für das Umweltministerium “derzeit nicht absehbar”. Zur Zeit würden “im Zuge der Anhörung zum Entwurf der Verordnung zur Kennzeichnung von Getränkeverpackungen (GetränkeverpackKennV) eingegangenen Stellungnahmen ausgewertet”. Die Annahme “gesetzgeberische Maßnahmen des Ministeriums pro Mehrweg würden durch oder über die SIM beeinflusst oder gar gesteuert, ist völlig absurd und entbehrt jeder Grundlage”, so Gabriels Sprecher Thomas Hagbeck.

Dennoch hatte das Umweltbundesamt (UBA), das zum Geschäfsbereich des Umweltministeriums gehört, offenbar kein Problem, ein Initiative, an der die SIM beteiligt war, mit Steuergeldern zu unterstützen. Nach CARTA-Recherchen förderte die Behörde während Trittins Amtszeit in den Jahren 2002 und 2003 die Initiative “Freie Fahrt pro Mehrweg” mit insgesamt 39.700 Euro. “‘Freie Fahrt pro Mehrweg’ ist eine gemeinsame Aktion der Stiftung Initiative Mehrweg, des Getränkefacheinzelhandels, des Bundesverbands des Deutschen Getränkefachgroßhandels, des Verbands Mittelständischer Privatbrauereien, des Deutschen Naturschutzrings, des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, des Naturschutzbund Deutschland und der Verbraucherinitiative Berlin”, so die Webseite der Initiative. Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, die an der Aktion ebenfalls teilnahm, war zum Zeitpunkt der Förderung beamteter Staatssekretär im Umweltministerium. Ob er während seiner Zeit im Ministerium die Bewilligung der Gelder mitveranlasst oder an deren Bewilligung mitgewirkt hat, konnte Baake auf Anfrage “ohne Akteneinsicht nicht sagen. Eine Erinnerung habe ich daran nicht”, so Baake.

Die “Allianz für Mehrweg”, der die SIM angehört und mit der es die SIM im April sogar in die Tagesschau schaffte, wurde damals in Medien als “Umweltschützer und Getränkefachhandel” (Tagesschau), “Umweltschützer und Getränkefachhandel” (FTD), “Umweltschützer” (DerWesten) und “Vertreter der Getränkeindustrie und Umweltschützer” (taz) bezeichnet. Tatsächlich ist in der “Allianz für Mehrweg” neben mehreren Lobbyverbänden aber nur ein einziger Umweltverband vertreten: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Sie kooperiert eng mit der SIM und verleiht mit dieser einen Filmpreis für die besten Kinospots zu Getränken in Glas-Mehrwegverpackungen. Ansonsten gehören der “Allianz für Mehrweg” nur Interessenverbände an: Der Verband Private Brauereien Deutschland, der Verband des Deutschen Getränke- Einzelhandels, der Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels und der Verein “Pro Mehrweg”. Diesem gehören “rund 100 Unternehmen und Verbände aus der Getränkeindustrie, dem Getränkefachgroßhandel und dem Getränke-Einzelhandel” an.

In einem Vermerk des Umweltbundesamtes zu einem Förderantrag der DUH “zur Durchführung einer Infokampagne ‘Pro-Dosenpfand/Mehrweg'”, der CARTA vorliegt, heißt es über die DUH: “In der Vergangenheit ist die Deutsche Umwelthilfe in Sachen Mehrweg häufig zusammen mit den wirtschaftlich interessierten Verbänden des Getränkefachgroßhandels und der mittelständischen Brauer aufgetreten (beide Verbände erhoffen sich durch ein hohes Dosenpfand einen verbesserten Absatz für ihre Mehrwegprodukte). Als ‘Wirtschaftspartner’ der Deutschen Umwelthilfe wird auf der DUH-Website auch der Pfandrücknahmeautomatenhersteller TOMRA genannt. Bei der Projektbeschreibung fällt auf, dass DUH sich auch bei diesem Projekt der Mitwirkung der genannten Wirtschafskreise bedienen will”. Ingesamt erhalte dadurch das Vorhaben eine “sehr von Wirtschaftsinteressen geleitete Färbung“. Wegen der “großen Wirtschafsnähe” des Vorhabens sei zu klären, inwieweit hier “die DUH unabhängig von den mehrwegorientierten Wirtschaftskreisen für das UBA mit öffentlichen Mitteln agieren” könne oder ob daraus “Interessenkonflikte und Wettbewerbsverzerrungen erwachsen”. In einem weiteren, internen Vermerk des Umweltbundesamtes, der CARTA ebenfalls vorliegt, kommt die Verfasserin zu dem Schluss: “Diese Bedenken sind sehr berechtigt”. Der Auftritt Trittins  “auf öffentlichen Kampagnenveranstaltungen begründete eine parlamentarische Anfrage, inwieweit diese Kampagne auch mit öffentlichen Mitteln finanziert worden sei (was nicht zutraf).”

Die SIM versuchte offenbar seit längerem, auch ein gutes Verhältnis zu Journalisten aufzubauen. Seit 2006 veranstaltete die SIM – zum Teil zusammen mit der DUH – drei Pressereisen. Darunter eine zweitägige Pressefahrt mit “Weinprobe und Abendessen im Staatsweingut Meersburg mit Blick über den Bodensee”. Nach Aussage einer Mitarbeiterin der DUH führt diese “jedes Jahr eine Reise” für Journalisten durch, “normalerweise im Herbst”. “Die Koordination läuft über uns und wir machen das in der Regel zusammen mit der SIM”. Die Reisen dauerten ein bis zwei Tage mit Übernachtung und seien kostenlos. Die Journalisten werden an mehreren bundesweit verteilten Sammelpunkten mit Minibussen abgeholt und kostenlos wieder dorthin zurück chauffiert. Man habe auch “sehr gute Kontakte in der Getränkebranche, die wir auch vermitteln können”, so die DUH-Mitarbeiterin.

Im letzten Jahr besuchten die Journalisten zwei Getränkeabfüller, darunter die Mineralquellen Wüllner GmbH & Co. KG (“Carolinen”) in Bielefeld, eine Glashütte und die Brauerei Pott‘s in Oelde. “Thema der Mehrwegreise war der Lebenszyklus einer Mehrwegflasche”, so Maria Elander, Leiterin Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe und zuständig für die Journalistenreisen. In 2007 seien verschiedene Mehrwegsysteme wie PET, Karton und Glas verglichen worden, 2006 besuchten die Medienleute die Firma Schlör Fruchtsäfte in Radolfzell am Bodensee, dem Sitz der DUH, und den Mineralwasser-Abfüller Randegger Ottilien-Quelle.

An den Pressereisen hätten jeweils zehn bis 25 Journalisten von Radiosendern, Fachmagazinen und Tageszeitungen teilgenommen. Zu den Teilnehmern der Reisen hätten freie Journalisten, Mitarbeiter des Wirtschaftsdienstes “EUWID” und des Magazins “Europaticker” sowie Redateure von “Neues Deutschland” und “Kölner Stadt-Anzeiger” gehört. Der Kölner Stadt-Anzeiger und die Deutsche Umwelthilfe starteten 2007 eine Sammelaktion für ausrangierte Handys. Auch in diesem Jahr planen SIM und DUH eine gemeinsame Pressereise, bei der man “auf verschiedene Mehrwegsysteme hinweisen” möchte, so Elander.

Die “taz“-Redakteurin Beate Willms bestätigte, im Jahr 2007 an einer Journalistenreise von DUH und SIM teilgenommen zu haben. Ihr sei klar gewesen, dass es sich dabei um eine Lobbyveranstaltung gehandelt habe, so Willms, die nicht wörtlich zitiert werden wollte, auf Anfrage. Sie habe sich jedoch ein Bild davon machen wollen, wer sie für eine positive Berichterstattung gewinnen wolle. Auch habe man bei derartigen Reisen die Möglichkeit mit sehr vielen Leuten ins Gespräch zu kommen, sie könne soetwas eigentlich nur empfehlen. Willms, die sich im Rahmen der Reise eine kostenlose Übernachtung spendieren ließ, berichtete nach eigenen Angaben später hier in der “taz” über die Reise. In dem Artikel erwähnt sie jedoch weder, wer sie zu der Reise einludt, noch wer hinter der SIM steht. Zu Details der Reise konnte Willms auf Nachfrage keine Auskunft geben, die an sie persönlich gerichtete CARTA-Anfrage stellte sie jedoch für jedermann einsehbar in das taz-interne Intranet ein.

Kurt Stenger, Wirtschaftsredakteur bei “Neues Deutschland”, teilte mit: “Seit 2006 hat kein Redakteur/keine Redakteurin unserer Zeitung an einer Pressereise von Umwelthilfe oder Stiftung Initiative Mehrweg teilgenommen.” Der “Kölner Stadt-Anzeiger” konnte auf Nachfrage nicht sagen, ob jemand aus seinem Haus an Journalistenreisen unter Beteiligung der Stiftung Initiative Mehrweg teilnahm.

Nachtrag vom 29. Juli 2009:

Der Chefredakteur der “Aachener Nachrichten” hat mitgeteilt, dass keiner der Redakteure seiner Zeitung an einer Journalistenreise unter Beteiligung der Stiftung Initiative Mehrweg teilgenommen hat. Wir haben den Text entsprechend geändert.

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.