von Michael Spreng, 17.7.13
In einer ungewohnten Rolle ist in diesen Tagen die deutsche Bundeskanzlerin öffentlich zu besichtigen. “Die mächstigste Frau der Welt”, die ganz Europa den Kurs vorgibt, ist an die Grenzen ihrer Macht gestoßen. Ausgerechnet gegenüber dem ältesten und besten Verbündeten Deutschlands, den USA.
Ohnmächtig muss Angela Merkel zusehen, wie der amerikanische Geheimdienst NSA das deutsche Volk und die ganze Welt im Internet ausspäht. Sie weiß nicht einmal, ob sie selbst abgehört und ausspioniert wird.
Dieses Bild einer ohnmächtigen Kanzlerin hat, wenn es sich festsetzt, große Kraft und könnte für Merkel gefährlich werden oder sogar zu einem Wendepunkt ihrer Karriere führen. Deutschland ist zwar wirtschaftlich ein Riese, politisch aber doch nur ein kleines Land mit einer geschrumpften Kanzlerin. Sie, die immer versucht, alles im Griff zu haben, hat in diesem Fall nichts im Griff. Auch sie ist nur ein Spielball amerikanischer Sicherheitsparanoia.
Deshalb agiert Merkel auch so merkwürdig unsouverän und widersprüchlich. Sie weiß um ihre Ohnmacht und weiß auch, dass Auftrumpfen und auf den Tisch hauen nur ihre Fallhöhe vergrößert. Und das Bild der Ohnmacht verstärkt. Denn die US-Regierung denkt nicht im Traum daran, irgendetwas an den Ausspähprogrammen zu ändern.
Die USA wollen den Deutschen ihre Geheimdienstpraxis nur so lange geduldig wie einem uneinsichtigen Kind erklären, bis es das Kind endlich kapiert. Mehr nicht. Alles andere sind politische Winkelzüge und diplomatische Gesten, bis hin zum überraschenden Auftauchen des US-Vizepräsidenten Joe Biden bei den Gesprächen von Innenminister Hans-Peter Friedrich in Washington.
Für die Opposition ist dies im Wahlkampf ein unerwartetes Geschenk. Zum ersten Mal verliert die politisch alles kontrollierende Merkel an Souveränität und wird als schwache, ohnmächtige Politikerin vorgeführt. Ob die Opposition diesen Ball ins Tor schießen kann?
Crosspost von Sprengsatz