von Franz Sommerfeld, 20.1.16
In der zu Recht viel gelobten und durch Plasberg überzeugend moderierten letzten Sendung Hart aber fair über den Journalismus in der Flüchtlingskrise beschäftigen sich drei Journalisten, zwei Politiker und ein Sänger mit der wachsenden Unzufriedenheit vieler Bürger mit Medien und Staat. Trotz vieler richtiger Einsichten stießen sie zum Kern des Vorwurfs kaum durch. Dabei liegt er eigentlich auf der Hand: Viele Bürger finden sich mit ihrer Kritik, ihren Ängsten und Fragen in den Medien nicht wieder. Die meisten Journalisten orientieren sich an der Agenda der politischen Entscheider, aber nicht an den Gefühlen und Gedanken ihrer Kunden. Seitdem BILD in der Flüchtlingsfrage die populistische Klaviatur nur wenig bedient, fühlen sie sich noch mehr allein zuhause gelassen.
Als Dunja Hayali im letzten Herbst ostdeutsche Bürger über ihre Ängste vor Flüchtlingen sprechen und das auch senden ließ, ging das zwar nicht um die Welt, aber durch das Netz. Es war fast eine Sensation, weil es so selten geschieht.
Wenn in der Tagesschau berichtet wird, dass man für die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge einen Hauptamtlichen für 30 Jugendlichen brauche und eine Summe von 30 Millionen Euro genannt wird, dann werden viele Eltern an die vergrößerte Gruppe ihres Kindergartens und die Stundenausfälle in der Schule denken. Oder an die im Sommer von Unkraut zu wuchernden Straßen in vielen Stadtvierteln und verwilderte Grünanlagen. Angesichts der Völkerwanderung stehen nun die Mittel zur Verfügung, die zur Verbesserung der Infrastruktur in all den Jahren zuvor gefehlt haben. Diese Eindrücke der Bürger finden in den Medien kaum statt. Anja Reschke, Journalistin des Jahres, verkörperte in Hart, aber fair die öffentlich-rechtliche Sprachlosigkeit in besonders anschaulicher Weise. Die Bürger haben kaum noch eine Stimme in den Traditionsmedien. Sie suchen im Netz oder meinen, sie bei der AfD zu finden.
Erschwerend wirkt, dass Angela Merkel vieles richtig macht, aber Kommunikation nicht besonders gut kann. Das wird sie auch nicht mehr lernen. Die pathetische Formel eines Willy Brandt wird ihr nicht über die Lippen kommen, auch nicht die knorrige Zusammenfassung gesunden Volksempfindens, wie sie Adenauer spielerisch beherrschte.
Dabei brauchen die Bürger vielleicht Informationen, aber vor allem keine Belehrung. Es geht zuerst einmal darum, dass ihre Meinungen und Sorgen überhaupt publiziert werden. Gelingt dies nicht, wird die Entfremdung zwischen Bürgern und klassischen Medien weiter wachsen. Das wird sich an der Zustimmung für die AfD messen lassen. Damit beschleunigt sich ein Prozess, der durch die digitale Revolution eingeleitet wurde, nun durch die politische Krise.
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