von Tobias Schwarz, 1.2.14
Am Mittwoch besuchte die Kulturstaatsministerin Monika Grütters den Bundestagsausschuss Kultur und Medien. Sie sollte die Abgeordneten über die aktuellen kultur- und medienpolitischen Schwerpunktthemen der laufenden Wahlperiode informieren. Leider konnte ich an der Sitzung nicht teilnehmen, denn die Pressestelle des Bundestags hat die Akkreditierungsbedingungen verschärft. Und das aus einem seltsamen Grund: zu viele Blogger_innen.
Im letzten Jahr habe ich zum Thema Leistungsschutzrecht für Presseverlage öfter Ausschusssitzungen besucht und für Carta darüber berichtet. Dabei fiel mir auf, dass leider kaum Journalist_innen an diesen Sitzungen teilnehmen und im Anschluss darüber berichten.
Bei wichtigen Terminen oder wenn namhafte Gäste geladen waren, sah das schon einmal anders aus, aber im Großen und Ganzen hat leider kaum jemand Zeit, regelmäßig aus den Ausschüssen zu berichten – obwohl gerade da die wichtigen Entscheidungen mit erarbeitet werden. Für Netzpiloten.de und Politik-Digital.de möchte ich deshalb in diesem Jahr öfters aus den Ausschusssitzungen berichten und zwar immer dann, wenn es um das Internet geht.
Das heißt, wenn ich darf.
Blogger vs. Journalist? Get over it!
Ob ich bloggender Online-Journalist bin oder journalistisch schreibender Blogger, kann ich nicht genau sagen. Meines Erachtens bedarf es heutzutage dieser Unterscheidung auch nicht mehr, wenn sie denn jemals nötig war.
Die Pressefreiheit gilt für alle Bürger_innen in Deutschland, ein Grund, warum sich auch jeder Journalist nennen darf. Der Titel “Journalist” oder “Journalistin” ist nämlich nicht vom Berufsbildungsgesetz geschützt, und der Ausbildungsweg nicht staatlich geregelt. Mit der Digitalisierung haben inzwischen auch alle Bürger_innen Zugang zu Ressourcen und Infrastruktur, um journalistisch tätig zu sein, denn bisher schützte, wenn schon nicht das Gesetz, der Zugang zu journalistischen Produktionsmitteln und Vertriebs- sowie Kommunikationskanälen Journalist_innen vor den Leser_innen. Diese Zeiten sind unwiderruflich vorbei.
Ein noch bestehender Unterschied ist der Presseausweis. Obwohl es mir in meiner Tätigkeit als Projektleiter von Netzpiloten.de möglich ist, einen Presseausweis zu bekommen und mir dieser auch schon angeboten wurde, habe ich ihn bisher nie gebraucht und deshalb auch nie besorgt.
Bis auf einen Fall im Frühjahr 2012, als ich nicht an einem Pressetermin im Bundeswirtschaftsministerium teilnehmen durfte, hat die Bezeichnung Blogger bisher immer gereicht, wie ein Journalist behandelt zu werden. Für die Ausschusssitzungen des Bundestags habe ich meist noch ein Schreiben der Carta-Redaktion gebraucht, aber ansonsten konnte ich Tagesakkreditierungen innerhalb einer Stunde in der Pressestelle des Bundestags beantragen und abholen. Auch als Blogger.
Bis Mittwoch.
“Zu viele Blogger”
Am Mittwoch wurde mir die Akkreditierung verwehrt. Ich hatte meine Akkreditierung zwar erst vier Stunden vor der Ausschusssitzung per Fax abgeschickt, als ich aber eine halbe Stunde vor Beginn der öffentlichen Sitzung meine Akkreditierung abholen wollte, wurde mir die von den wie immer sehr freundlichen Mitarbeiter_innen verweigert.
Ab jetzt gebe es Akkreditierungen nur noch mit Presseausweis, und von einem Medium namens Netzpiloten habe mensch auch noch nie gehört. Dies seien die neuen Bedingungen; das lässt sich leider nicht ändern. Ein Versuch, noch direkt vom Büro des Ausschusses zumindest Zugang als Gast zu bekommen, scheiterte – obwohl die Person am anderen Ende der Telefonleitung schon einmal von den Netzpiloten gehört hatte -, da die Besuchertribüne bereits voll sei.
Ich ergab mich meinem Schicksal, wollte aber noch wissen, warum es denn zu dieser Änderung der Akkreditierungsbedingungen gekommen sei.
“Zu viele Blogger haben versucht, sich zu akkreditieren“,
sagte die freundliche Mitarbeiterin. Ich war überrascht und entgegnete, dass das doch eigentlich eine erfreuliche Entwicklung sei, wenn sich mehr Bürger_innen für die Parlamentsarbeit interessieren und auch noch vorhaben, darüber zu berichten.
“Ja, aber wir können nicht zulassen, dass es in einem Sicherheitsbereich wie dem Bundestag zu voll ist.”
An der Stelle brach ich ab, denn die Dame konnte ja nun wirklich nichts dafür, was sich ein_e Vorgesetzte_r überlegt hat, und sobald ich meinen Presseausweis habe, bin ich ja an der Stelle wieder an einem guten Klima interessiert, wenn ich mich akkreditiere.
Innerlich kann ich aber über die auf einem falschen Verständnis von Sicherheit ruhende Auffassung, dass es zu viele Blogger_innen und somit journalistisch publizierende Bürger_innen gibt, nur den Kopf schütteln. Immerhin ist das Haus dem deutschen Volke gewidmet.
P.S. Ich hatte Glück im Unglück, denn die Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien wurde gestreamt, so dass ich bequem vom BASE_camp aus die Rede von Monika Grütters verfolgen und für Politik-Digital.de berichten konnte.
Crosspost vom Logbuch des Isarmatrosen. Der Text steht unter CC BY-SA 3.0
- Tobias Schwarz will den Gehalt der Aussagen des Pressereferats demnächst im Selbsttest prüfen: Der Bundestag und die Blogs – ein hausgemachtes Problem (vom 6.2.)
- Zudem führt Tobias eine Linkliste mit Artikeln zum Thema, die er ständig aktualisiert