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Die FTD hat es vorgemacht: Wahlempfehlungen sollten kein Tabu sein

von , 19.3.09


Vor der Bundestagswahl 2002 hat die Financial Times Deutschland erstmals eine Wahlempfehlung abgegeben. Bis heute ist sie die einzige deutsche Zeitung, die dies praktiziert hat. Die Bundestagswahl 2009 gibt die Gelegenheit, darüber noch einmal zu diskutieren.

Warum eigentlich nicht? Warum sollten Zeitungen keine Wahlempfehlungen abgeben? Bereits vor den Bundestagswahlen 2002 und 2005 hat Deutschland schon darüber diskutiert, ob die “Financial Times Deutschland” richtig handelt, wenn sie sich zur Wahl einer Partei bekennt. Die Zeitung hat dafür Kritik einstecken müssen. “Missionarisch” sei eine solche Empfehlung, fand Hans Leyendecker von der “Süddeutschen Zeitung”, und der Medienwissenschaftler Siegfried Weischenberg sprach von “Bevormundung” der Leser. Seltsam: Da leben wir in einer Demokratie, und eine Redaktion lebt vor, wie sie nach eingehender politischer Diskussion Stellung bezieht — und wird dafür gescholten. Dabei ist Meinungspluralismus einer der Grundpfeiler unserer Demokratie, warum um Himmels Willen sollten Redakteure einer Zeitung dann so tun, als hätten sie im letztlich entscheidenden Punkt keine Meinung?
Nun mag man einwenden, dass es die Aufgabe der Journalisten sei, zu recherchieren, Hintergründe darzustellen und damit die Basis für die Meinungsbildung der Leser zu schaffen. Sofern die Redaktion aber die Grundregel beachtet, zwischen Nachricht und Meinung zu trennen, stellt sich die Frage, warum es zulässig sein soll, die Politik einer Partei zu kommentieren und zu bewerten — unzulässig aber, dann konsequenterweise auch ihre Wahl zu empfehlen oder davon abzuraten. Nur Mut zur Offenheit, Zeitungsmacher! Die Leser werden kaum glauben, sie hielten nun ein Parteiblatt in den Händen.

Sebastian Lange ist Chefredakteur des Fachmagazin “Politik & Kommunikation“.

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