von Julius Endert, 23.2.10
Die öffentliche Anhörung des Petitionsausschusses vom 22.02.2010 zum Thema “Indizierung und Sperrung von Internetseiten” (oder Zensursula-Anhörung) ist schon so etwas wie eine Sternstunde des Petitionsausschusses gewesen – wenn nicht sogar der Demokratie. Gleich mehrfach wurde Franziska Heine von Ausschussmitgliedern zum Erfolg ihrer Petition beglückwünscht – dem kann man sich nur anschließen. Sehr souverän hat sie ihre Position noch einmal vor dem Ausschuss vorgetragen und auf die Fragen geantwortet.
Und man tat sich seitens der Politik sichtlich schwer mit dem Umstand, dass man plötzlich ein vom Bundespräsidenten unterschriebenes Gesetz hat, das aber nun keine Fraktion mehr anwenden will. Da ist wohl Politik durcheinander gekommen. Schließlich ist seit dem 22. April 2009 – dem Start der Petition – zu viel passiert, als dass man das Gesetz nun einfach so passieren lassen könne, wie man es früher getan hätte. Nicht nur, dass mehr als 134.000 Menschen (der überwiegende Teil online) die Petition unterzeichnet haben und sie damit zur erfolgreichsten Petition überhaupt machten.
Viel wichtiger: Mit der Petition als Auslöser ist über das Web erstmals eine neue Öffentlichkeit entstanden. Der Sinn oder Unsinn von Netzsperren wurde so breit und auf so vielen Plattformen diskutiert wie selten ein Thema. Politik wurde endlich einmal vom Souverän herausgefordert – und selbst der letzte Hinterbänkler wird sich nach der Anhörung verkneifen, zukünftig auch noch damit zu prahlen, dass er von diesem Internet keine Ahnung hat. Vielmehr wird sich die Politik auf „diesen neuen Gegner“ aus dem Web einstellen und künftige Vorhaben bzw. Vorstöße, die in eine ähnliche Richtung gehen, besser vorbereiten, beispielsweise den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag.
Es gab also einen fachlichen und einen – wenn man so will – Demokratie-Erkenntnisgewinn in der Politik. Noch bei viel mehr Themen wäre es daher zu wünschen, dass sie auf diese Weise bearbeitet würden. Dann wären uns vielleicht weitere missratene Gesetze, die nach der klassischen Parteien-Proporz-Klientel-Systematik beschlossen und nie ernsthaft öffentlich diskutiert wurden, erspart geblieben – angefangen bei Abwrackprämien bis hin zur Steuerpfuscherei zum Wohle weniger.
Die Tür, die die Petition geöffnet hat, ist die zu mehr Partizipation – mit dem Web als Plattform. Methoden dafür sollten entwickelt, getestet und dann vielleicht eines Tages institutionalisiert werden – dann hätte sich die Sache wirklich gelohnt.
Video: Öffentliche Anhörung des Petitionsausschusses vom 22.02.2010 (1h45m).
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Dieser Beitrag erschien auch auf movinette.de – Crosspost mit freundlicher Genehmigung des Autors.