von Sebastian Lange, 15.3.09
“Ich sage mit großem Ernst – das meine ich auch so: In diesem Jahr muss sich Politik bewähren. Politik muss Substanz zeigen, muss Mut zur Verantwortung zeigen. Mit Show und Mätzchen werden wir in diesem Jahr ganz sicher nicht durchkommen.“ So sprach Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Januar, als der Bundestag über das zweite Konjunkturpaket zu entscheiden hatte (Video hier).
Dass Steinmeier die Sache wirklich am Herzen liegt, glaubt man ihm umso mehr, wenn man noch einmal nachliest, was er einen Tag vor bereits der Bundespressekonferenz erkündet hatte: „Ich will das mit ganz großem Ernst sagen und unterstreichen: Es ist nach meiner Überzeugung ein Jahr, in dem sich Politik zu bewähren hat.“ Und weiter: „Deshalb muss Politik in dieser Krise Substanz liefern und Verantwortung zeigen.” Und so ziemlich das Gleiche sagte Steinmeier dann auch Anfang Februar, als der Streit über das Umweltgesetzbuch hochkochte und er mit Franz Müntefering vor die Presse trat. Zur Eröffnung der Münchner Sicherheitskonferenz sprach er sie wieder, die Worte von der Politik, die sich bewähren müsse. In einem Interview mit dem „Tagesspiegel” meinte er schließlich, jetzt nur noch bedingt überraschend: „Dies ist keine Zeit zum Sprücheklopfen, dies ist eine Zeit, in der sich Politik bewähren muss.“ Erfreulich. Kein Sprücheklopfen also. Was aber, wenn die Sprüche nicht geklopft, sondern in getragenem Tempo vorgebracht werden?
Niemand sollte Steinmeier – ebensowenig wie Bundeskanzlerin Angela Merkel – die Redlichkeit und die Ernsthaftigkeit absprechen, mit der sie im Wahljahr Politik betreiben. Was aber beide vermissen lassen, ist eine klare und lebendige Sprache. Ihnen scheint der Mut oder der Wille zu fehlen, mit der Rede eine Richtung vorzugeben, auch in grundsätzlichen Fragen. Gerade im Wahljahr, gerade in der Krise wären die Bürger doch dankbar dafür. Immerhin steht unsere Wirtschafts-, vielleicht sogar unsere Gesellschaftsordnung massiv in Frage.
Natürlich müssen Wahlkämpfer ökonomisch mit ihren Worten umgehen, und niemand erwartet von ihnen, dass sie für jede Gelegenheit neue Worte finden. Das geht schon gar nicht im Sommer, in der heißen Phase des Wahlkampfs, auf den Marktplätzen und in den Bierzelten. Doch wer sich rhetorisch so leidenschaftslos präsentiert versäumt es, Führung zu übernehmen. Schließlich ist die Rede eines der wichtigsten Mittel, Menschen zu führen, sie zu überzeugen und zu motivieren. Auch an dieser Stelle lässt sich also die inzwischen schon obligatorische Erwähnung von Barack Obama nicht vermeiden: Der US-Präsident verdankt es in weiten Teilen seiner Rhetorik, dass er ins Amt gekommen ist. Sicher lässt sich da einwenden: ins Amt gekommen ja, aber mit schönen Worten allein lässt sich ein Land nicht regieren. Natürlich nicht, doch nutzt Obama die Rede eben auch als Mittel der Führung, er setzt sie virtuos ein, seine Anhänger zu einen. Das erhöht die politische Durchsetzungsfähigkeit.
Niemand erwartet von unseren Spitzenpolitikern die tägliche Ruck-Rede. Auch ein „Yes, we can” fordert niemand wirklich. Den amerikanischen Wahlkampf und die dortige politische Kultur kann man nicht ernsthaft kopieren wollen. Doch wie wenig deutsche Spitzenpolitiker im Wahljahr die Kunst der Rede pflegen, ist fahrlässig. Es genügt nicht, wenn der Redner – oder eben die Rednerin – sich darauf beschränkt zu betonen, wie ernst es ihm sei, und mitzuteilen, dass er aus Überzeugung spreche.
Der Regisseur Volker Schlöndorff hat kürzlich im Magazin „Cicero“ vorgeschlagen, Politiker sollten auf ihre Redenschreiber verzichten und wieder verstärkt frei sprechen. Diese aber sind nicht schuld an der Misere. Schuld sind eben jene, die für die Reden die politische Verantwortung tragen. Ihre kraftlose Sprache ist ein Symptom. Ein Symptom für den übergroßen Willen, es möglichst vielen Wählern recht machen zu wollen.
Hinweis der Redaktion: Lesen Sie zu diesem Thema auch den Text von Leonard Novy: Die neuen Worte der Macht.