von Robin Meyer-Lucht, 5.3.09
Die Drucksache 16/11570 umfasst 477 Seiten – derart umfangreich ist der Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung aus dem vergangenen November. Er umfasst politische Handlungsfelder von Jugendmedienschutz über die Strukturkrise des Qualitätsjournalismus sowie die Online-Durchsuchung bis hin zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wie macht die Politik daraus eine 75-minütige Debatte? Der Bundestag versuchte sich heute Morgen daran.
Die passende Einleitung zur Debatte fand schließlich Lothar Bisky (Die Linke), der als vierter Redner ans Pult trat: Die Medienpolitik sei “das fünfte Rad am Wagen” der Politik, die Zuständigkeiten seien heillos verteilt und viele Entscheidungen würden in außerparlamentarischen Zirkeln getroffen.
Der Bundestag ließ sich dennoch nicht beirren, das Thema mit schwankender Qualität zumindest zu erörtern – wenn er (bislang?) auch nur selten wirklich zuständig ist. Es zeigte sich, dass Medienpolitik ein breites und zugleich mit Nachbarfeldern immer stärker verzahntes Gebilde ist. Die Konvergenz stellt die alten Regulierungsmodelle infrage, ohne dass die Politik in der Lage wäre, in ähnlicher Geschwindigkeit zu folgen – mit Ausnahme der Innenpolitik, die mit Vorratsdatenspeicherung und Online-Durchsuchung ebenso rasch wie brachial auf das Internet reagiert hat.
Der Medienbericht wurde insgesamt positiv aufgenommen. Staatsminister Bernd Neumann sprach von einer wissenschaftlich fundierten “Zusammenschau der Medienentwicklung”. Grundsätzlich konnten dem alle Fraktionen zustimmen. An den erwartungsgemäß eher wagen Zielen und Maßnahmen des Berichts gab es aber Kritik.
Munter wurde die Debatte, als Wolfgang Börnsen (CDU) in einer Zwischenfrage forderte, dass es auch beim ZDF “keinen Schutzraum für Journalisten” geben dürfe und folglich über die schlechten Quoten der ZDF-Heute-Sendungen zu sprechen sei (und damit längst überholte Koch-Argumente aufwärmte). Der angesprochene FDP-Abgeordnete Hans-Joachim Otto nahm die Vorlage gerne auf, um darauf hinzuweisen, dass a) Quote ohnehin nicht die Aufgabe des ZDF sei, sondern Qualität und b) es im Fall Brender augenscheinlich nicht um Qulität gehe, “sondern um eine parteipolitische Kiste.” Auch Fritz Kuhn (Grüne) betonte, dass beim ZDF die Staatsferne nicht überzeugend verwirklicht sei. In Deutschland herrsche ein Staatskanzlei-Rundfunkwesen. Lothar Bisky sprach von “unappetitlichen Vorgängen beim ZDF”. SPD, Grüne und Linke deuteten in der Debatte an, man könne sich eine Reform der Gremien vorstellen. Die Vorschläge gingen von ganz wage (SPD) bis hin zu einem “Parteienrückzugsvertrag” (Die Linke).
Die Causa Brender war durchaus pikant für Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU), der den Bericht eingangs der Debatte im Stil einer Festrede vorgestellt hatte. Neumann ist selbst Mitglied des ZDF-Verwaltungsrates. Er wollte sich weder zu den Vorgängen um Brender noch auf eine Nachfrage hin äußern, inwieweit die Politik vom ZDF hohe Quoten erwarte. Der Staatsminister machte ohnehin den Eindruck, dass er über seine Sprechzettel hinaus nur wenig zur Debatte beitragen wollte.
Die Parteien legten erwartungsgemäß sehr unterschiedliche Schwerpunkte: Bei der CDU dominierte der Stolz auf das Erreichte und die Sorge um die abnehmende Orientierungsfunktion einer zersplitternden Medienlandschaft. Die SPD betonte noch einmal ihre Unterstützung für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die Sorge um Konzentration im Mediensektor. Stolz ist die Regierung ganz besonders auf den “Deuschen Computerspielepreis“, der Ende März erstmals von der Regierung vergeben wird.
Die FDP forderte die Abschaffung der “Schnüffelbehörde GEZ”, mehr Wettbewerb im Breitband-Internet und präzisere Haftungsregelungen im Internet (etwa bei Links und Suchmaschinen, dazu in einigen Tagen auf Carta mehr). Die Grünen wandten sich gegen Online-Durchsuchung und Vorratsdatenspeicherung als “Anschläge auf die Rundfunk- und Medienfreiheit“. Die Linke forderte ein staatliches Breitbandnetz, ein Urheberrecht, das Kreativen und nicht vornehmlich Konzernen nützt, sowie eine Begrenzung der kommerziellen Logik im Mediengeschäft.
Über einige Positionsbestimmungen ging die Debatte nicht hinaus, was an der Breite des Berichts und an der fehlenden Beschlussgrundlage gelegen haben mag. Der Medienpolitik fehlt es aber auch an einem echten Ort der Entscheidung und vielleicht auch an dem einen oder anderen wirklich mitreißenden Medienpolitiker.
Nachtrag: Einen sehr prägnanten Beitrag zur Debatte um öffentlich-rechtliche Qualität schenkte uns diese Woche Holger Kreymeier, “die Elke Heidenreich des NDR“.