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MDR: Versuch`s mal mit Drei-Stufen-Testchen

von , 14.1.09

In diesem Jahr steht uns eine medienpolitische Verfahrenssaga in mindestens 11 Kapiteln bevor: Alle bestehenden öffentlich-rechtlichen Online-Angebote müssen nun mittels Drei-Stufen-Tests nachweisen, dass sie dem neuen gesetzlichen Rahmen des 12. Rundfunkstaatsvertrags entsprechen und nicht ungerechtfertigt den Wettbewerb verzerren. Jede Rundfunkanstalt wird ihren eigenen Test durchführen.

Den ersten Drei-Stufen-Test gab es bereits im vergangenen Jahr. Der SWR-Rundfunkrat “probte” die Zulassung der ARD-Mediathek. Das Verfahren geriet zur Farce: Als Einwände gegen die Mediathek wurden in dem Verfahren lediglich einige Artikel und öffentliche Äußerungen zitiert, die dann atemberaubend pauschal zurückgewiesen wurden. Anschließend bilanzierte der SPD-Medienpolitiker und WDR-Rundfunkrat Marc Jan Eumann dann auch, der SWR habe sich mit dem Verfahren “keinen Gefallen” getan.

Nach dem SWR-Test gelobten alle Seiten Besserung: Für die CDU erklärte NRW-Medienminister Andreas Krautscheid den Drei-Stufen-Test zum “Lackmustest auf die öffentlich-rechtliche Glaubwürdigkeit“. Für die SPD mahnte Marc Jan Eumann, die öffentlich-rechtlichen Gremien stünden mit dem Verfahren nun “vor einer Bewährungsprobe“. Gute Voraussetzungen also für Drei-Stufen-Tests voller Bemühen um Transparenz und Ergebnisoffenheit.

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Nun liegt der erste Antrag für einen “richtigen” Drei-Stufen-Test vor: Der MDR will den Kinderkanal KiKa um die Online-Mediathek “KiKaplus” ergänzen. Dort sollen alle Informations-, Wissens- und Unterhaltungssendungen sowie selbst oder im Auftrag produzierte Fernsehserien des KiKa für zwölf Monate vorgehalten werden. Noch bevor der neue Staatsvertrag richtig in Kraft getreten ist, soll die ungeliebte 7-Tage-Frist für Mediatheken im Kindersegment auf ein Jahr verlängert werden. Dabei begibt sich die MDR-Intendanz auf ein schwieriges Terrain: Zwar ist im Kinderbereich ein werbefreies und hochwertiges Angebot gesellschaftlich besonders wichtig – zugleich gibt es hier ein eng gestaffeltes Umfeld aus privatwirtschaftlichen Angeboten – von anderen TV-Sendern bis hin zu Schulbuchverlagen. Die BBC wurde ausgerechnet in einem ähnlichen Segment von ihrer Aufsicht zurückbeordert.

Bevor man solch ein Angebot wie KiKaPlus bewerten kann, wäre zunächst einmal interessant zu erfahren, wie groß es ausfallen soll. An einem normalen Tag laufen über 40 Sendungen im KiKa. Wenn etwa rund die Hälfte davon für ein Jahr online gestellt werden würde, wäre KiKaPlus rasch die größte deutschsprachige Kindervideothek der Welt mit über 7.000 Videos. Ist das wirklich geplant? Höchstwahrscheinlich nicht. Der Antrag würde es zumindest zulassen. Er steckt den Rahmen derart breit. Nirgends eine Angabe zur Anzahl der Videos.

Sehr originell hat der MDR auch das publizistische Wettbewerbsumfeld von Kikaplus bestimmt. Man hat einfach mal Begriffe, wie “Kinder Video” oder “Streaming Kinder” oder “Kinderprogramm Online” bei Google eingegeben. Dabei ist der MDR auf keinen Anbieter gestoßen, der auch nur einen Teilaspekt von KikaPlus so gut abdeckt, dass öffentlich-rechtliche Zurückhaltung geboten wäre. Der MDR besteht darauf: Alle KiKa-Inhalte sind Mehrwert.

Die aber mit Abstand bemerkenswerteste Passage des Antrags kann hier in voller Länge zitiert werden:

Der für KiKaplus anfallende Aufwand beträgt jährlich 200.000 Euro inklusive Mehrwertsteuer und umfasst alle direkt für die Erstellung des Angebots anfallenden Personal- und Sachkosten.

Hier also die Zwischenstandsmeldung im Lackmustest für öffentlich-rechtliche Glaubwürdigkeit: Der MDR beantragt eine Kinder-On-Demand-Videothek mit potenziell mehr als 5.000 Videos und vielleicht über 1 Mio. Abrufen pro Jahr- und die kostet dann 168.000 Euro plus Mehrwertsteuer pro Jahr. Mal abgesehen von der sehr fragwürdig niedrigen Summe – bereits, dass der MDR hier Sach- und Personalkosten nur in Summe nennt, zeugt von einem überraschenden Transparenzverständnis. Kosten für Lizenzen? Für Lizenzmanagmenent? Für Serverparks?  Für Rund-um-die-Uhr-Support? Für Softwarelizenzen?  Fürs Layout?  Für Projektmanagement? – Keine. Die wahren kosten der Mediathek verschweigt der Antrag ganz offensichtlich.

Mit solch einem Papier würde man bei keinem Unternehmen und bei keinem ernst zu nehmenden Kulturfonds ein Projekt genehmigt bekommen. Die einfachen Grundprinzipien der Vollkostenrechnung sind beim MDR noch nicht angekommen. Statt einen nachprüfbaren, ausgewogenen Antrag zu stellen, versucht es der MDR noch einmal mit Drei-Stufen-Testchen. Er wird sehr interessant sein zu sehen, wie der MDR-Rundfunkrat nun verfährt – denn er hat letztlich über die Mediathek zu entscheiden.

Der erste Drei-Stufen-Test-Antrag der MDR-Intendanz ist augenscheinlich ein weiterer Testballon, mit welchen Minimalstandards der medienpolitische Diskurs hierzulande geführt werden kann. Von einer neuen öffentlich-rechtlichen Kultur der Offenheit und der Rechenschaftslegung ist noch nichts zu spüren. Vielleicht ist das aber auch nicht die uninteressanteste Eröffnung der Drei-Stufen-Saga.

dfd

Disclosure: Robin Meyer-Lucht berät private wie öffentlich-rechtliche Medienhäuser. Er ist derzeit kein Gutachter in einem Drei-Stufen-Verfahren.

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