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Kritische Selbstreflexion

von , 13.7.15

Akzeptanz und gesellschaftliche Relevanz des solidarisch finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks stehen auch im Zusammenhang mit seiner Transparenz. Transparenz kann Vertrauen und Glaubwürdigkeit fördern, falschen Behauptungen den Boden entziehen, Durchlässigkeit hinsichtlich Strukturen, Arbeitsweisen und der Verwendung finanzieller Mittel herstellen und nicht zuletzt zum Verstehen der Funktionsweise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beitragen. Gerade in Zeiten, in denen Sinn und Zweck des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in einer digitalen Medienwelt hinterfragt werden, ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk gut beraten, nicht nur die gesetzlichen Mindestvorgaben hinsichtlich der Transparenz seines Handelns umzusetzen, sondern selbst freiwillig die Transparenz auf den unterschiedlichen relevanten Feldern zu stärken.

Der MDR entzieht mit mehr Transparenz nebulösen Verdächtigungen und Vorurteilen den Nährboden. Die Presse hat beispielsweise auf Grundlage der Veröffentlichung des Produzentenberichts über die Kosten für einzelne Fernsehsendungen des MDR ausführlich berichtet. Es gab eine seriöse, faktenbasierte Berichterstattung. In diesem Sinne stärkt Transparenz die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Sie ist ein wichtiger Baustein für die Legitimation des öffentlich-rechtlichen Systems sowie dessen Unabhängigkeit von Staat und Wirtschaft.

Nicht zuletzt mit der Umstellung auf das neue Finanzierungsmodell ist Transparenz hinsichtlich der Verwendung des Rundfunkbeitrags in jeder Hinsicht sinnvoll und notwendig. Transparenz muss dabei verständlich und nachvollziehbar sein sowie zum Dialog mit den Beitragszahlern anregen. Dazu gehört auch, Anregungen und Kritik aufzugreifen und sich konstruktiv damit auseinanderzusetzen. Nur so sind Transparenzbemühungen wirksam und geeignet, die oben genannten Ziele tatsächlich umzusetzen.

Beim MDR ist das Thema Transparenz Bestandteil der Unternehmenspolitik und im Entwicklungsplan für die Jahre 2014 bis 2017 verankert. Eine erhöhte Transparenz der Mittelverwendung soll im Einzelnen aufzeigen, dass der MDR verantwortungsbewusst mit den Rundfunkbeiträgen umgeht, um auch auf diese Weise das Vertrauen der Beitragszahler in den MDR zu stärken.

 

Gesetzliche Transparenzvorgaben

Der Gesetzgeber hat bereits von Anfang an verschiedene Transparenzvorgaben vorgesehen. Der MDR ist unter anderem zur Veröffentlichung folgender Informationen verpflichtet: Jährlich den Jahresabschluss und Geschäftsbericht vorzulegen, erlegt der MDR-Staatsvertrag auf, der aus dem Jahr 1991 stammt. Diese müssen den Regierungen und Rechnungshöfen der MDR-Staatsvertragsländer übermittelt werden. Nach der Genehmigung des Jahresabschlusses ist eine Gesamtübersicht über den Jahresabschluss und eine Zusammenfassung der wesentlichen Teile des Geschäftsberichts zu veröffentlichen. Dies geschieht im „Bundesanzeiger“. In den „Amtlichen Mitteilungsblättern“ der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen erfolgt ein Hinweis, dass im „Bundesanzeiger“ die Jahresabschlüsse veröffentlicht werden.

 

Transparenz im parlamentarischen Raum

Erstmals wurde im Jahr 2002 freiwillig ein Bericht an die Landtage über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des MDR vorgelegt. Mittlerweile gibt es 15 dieser Berichte, mit dem Effekt, dass es eine kontinuierliche Diskussion dazu in den Landtagen gibt. Dort sind auch regelmäßig Rechnungshofprüfungen zum MDR und seinen Tochterfirmen Thema – im Rahmen der parlamentarischen Befassung nimmt der MDR dazu in Landtagsausschüssen Stellung und erläutert die jeweiligen Entwicklungen. Drucksachen zu den Rechnungshofberichten sind in den Online-Parlamentsdokumentationen für jedermann abrufbar.

 

Verstärkung der Transparenz durch freiwillige Veröffentlichungen

Seit 2012 hat der MDR seine Transparenzbemühungen weiter verstärkt. Maßgeblich ist das Gesamtbild, das der öffentlich-rechtliche Rundfunk abgibt und dazu gehört neben der Programmqualität ein verantwortungsvoller und transparenter Umgang mit dem Rundfunkbeitrag. Der Beitragszahler hat ein Recht darauf zu wissen, was mit seinem Geld passiert, wofür es verwendet wird und wofür nicht.

Der MDR hat deshalb auf seinen Internetseiten einen Überblick seiner Transparenzbemühungen eingerichtet (http://www.mdr.de/unternehmen/zahlen-und-fakten/verteilseite3116.html). Dort sind Erträge und Aufwendungen des MDR und die Kosten für ausgewählte Fernsehsendungen veröffentlicht. Es wird darüber informiert, wie der Rundfunkbeitrag von 17,50 Euro pro Monat und Haushalt auf ARD, ZDF und Deutschland­radio verteilt wird. Auch der MDR-Entwicklungsplan 2014 bis 2017, der neben Aussagen zu Personal, Organisation, Produktion und Technik sowie Medienpolitik und Finanzplanung im Kern die Eckpunkte für die strategische Ausrichtung der MDR-Angebote in den nächsten Jahren enthält, ist dort nachzulesen und als Download verfügbar.

Dort findet sich auch der MDR-Produzentenbericht 2013. Der Mitteldeutsche Rundfunk ist eine der ARD-Anstalten, die jährlich einen Produzentenbericht veröffentlichen. Der Bericht gibt einen Überblick über die Fernsehprogrammaufträge, die der MDR im Jahr 2013 an Dritte vergeben hat. Unter anderem auch der WDR, der NDR und der RBB veröffentlichen Produzentenberichte.

Transparenz nützt dem MDR, weil mit vielen Vorurteilen aufgeräumt werden konnte, die immer wieder im Raum stehen. Eines der Vorurteile lautete beispielsweise, dass der MDR ganz überwiegend seine Produktionstöchter beauftrage. Dieses Vorurteil konnte der MDR widerlegen, als er im vergangenen Jahr erstmals den bereits erwähnten Produzentenbericht veröffentlichte.

Fakt ist, das Gesamtvolumen von 49,535 Mio Euro für Produzenten hat der MDR im Jahr 2013 zu 38,3 Prozent an abhängige und zu 61,7 Prozent an unabhängige Produzenten vergeben. Damit gingen nahezu zwei Drittel der entsprechenden Aufträge des MDR im Jahr 2013 an unabhängige Produzenten.

Es wird in diesem Jahr erstmals einen ARD-Produzentenbericht geben. Am Ende des Jahres werden wir wissen, wie viel die einzelnen ARD-Landesrundfunkanstalten für Auftragsproduktionen und Koproduktionen ausgegeben haben.

 

Angaben über die Herstellungskosten für Fernsehproduktionen sind ein Novum

Neben dem Produzentenbericht, dem Geschäftsbericht und dem Jahresabschluss finden sich auf den Internetseiten auch die Berichterstattung an die Landtage und der Datenschutzbericht. Der Bericht an die Landtage enthält unter anderem eine übersichtliche Darstellung zur Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage des MDR im jeweiligen Jahr und einen Ausblick auf das bevorstehende Jahr. Ebenfalls als Download verfügbar sind das Konzept für die Ausgestaltung von Gewinnspielen im MDR, der Bericht der Gleichstellungsbeauftragten im MDR und eine Übersicht über die Unternehmensbeteiligungen des Senders.

Nicht alle Informationen sind neu. Allerdings wurden sie übersichtlicher und verständlicher dargestellt, etwa mit Hilfe von Grafiken. Erträge und Aufwendungen beispielsweise sind den öffentlich verfügbaren Geschäftsberichten des MDR entnommen und wurden nun in einer Zeitreihe zusammen dargestellt. Dabei sind einzelne große Positionen wie Beiträge, Personal- und Programmaufwendungen aufgeführt.

Hingegen sind die Angaben zu den Herstellungskosten für Fernseh-Eigenproduktionen ein Novum. Sie basieren auf der Betriebsabrechnung 2013. Analog zum MDR-Produzentenbericht für Auftragsproduktionen sollen sie einen Überblick darüber geben, zu welchen Kosten unterschiedliche Formate im MDR hergestellt werden. Dabei ist darauf geachtet worden, mehrere Bereiche von Magazinen, Shows und Reportagen verschiedener Programm- und Themenbereiche wie Religion, Gesellschaft und Unterhaltung sowie auch Produktionen in sorbischer Sprache aufzuführen. Die Zahlen reichen von 37.000 Euro für das sorbische Magazin „wuhladko“ über 120.000 Euro für die Show „Musik für Sie“ bis hin zu 124.000 Euro für einen Fernsehgottesdienst.

Der Verein Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien fragte nach und wollte genauere Auskunft über das Zustandekommen der Kosten für einen Fernsehgottesdienst wissen. Per Briefwechsel konnten die tiefergehenden Fragen des Vereins vom MDR beantwortet werden. Das größte Interesse der Nutzer ziehen nach bisherigen Erkenntnissen allerdings die Verwendungsgrafik des Rundfunkbeitrags sowie die Aufstellungen der Aufwände und Erträge des MDR auf sich.

 

Grenzen der Transparenz

Allerdings kann nicht jeder Wunsch nach Offenlegung erfüllt werden. So findet die Transparenz beim MDR ihre Grenzen dort, wo die Rechte Dritter betroffen sind. Verträge von Moderatoren oder Sportrechtevereinbarungen werden daher nicht veröffentlicht. Dort, wo die Gremien des MDR mitzuentscheiden haben, werden diese selbstverständlich einbezogen. 43 Mitglieder des Rundfunkrats und sieben Verwaltungsratsmitglieder sind beteiligt, wenn es sich um Programmbeschaffungen oder Investitionen handelt, die in Summe über der im MDR-Staatsvertrag festgelegten Schwelle von rund 5 Mio Euro liegen. In den vergangenen Jahren wurde zusätzlich dafür Sorge getragen, dass die Gremien der Landesrundfunkanstalten auch über aus Mitteln der Werbung finanzierte Programmbeschaffungen für das Vorabendprogramm des Ersten eingebunden werden. Gleiches gilt auch für die Degeto Film GmbH. Beide Vorhaben wurden vom MDR unterstützt und haben die Transparenz gegenüber der Gesellschaft – an dieser sensiblen Stelle in Form der Gremien – ein gutes Stück vorangebracht.

 

Ausblick

Wie geht es weiter mit der Transparenz beim MDR? Die drei Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben sich zum Ziel gesetzt, den MDR-Staatsvertrag erstmals in seiner Geschichte zu überarbeiten. Wann die Länder die Ergebnisse dieser Novellierung vorlegen, ist noch offen. Angesichts der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum ZDF-Staatsvertrag werden weitere gesetzliche Mindestvorgaben zu regeln sein, die die Transparenz des Senders stärken. Das betrifft zum Beispiel das Wirken der Gremien ebenso wie eine Transparenz bei Vergütungen.

Neben der gesetzgeberischen Verstärkung der Transparenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden auch Fragen journalistischer Transparenz weiter an Bedeutung gewinnen. Glaubwürdiger Journalismus und Transparenz stehen zunehmend im Zusammenhang. Es gilt, die Vielfalt der Meinungen abzubilden, ausgewogen und umfassend die Dinge darzustellen, sorgfältig zu recherchieren, wahrheitsgemäß und sachkundig zu berichten und einzuordnen. Dabei kann Glaubwürdigkeit auch durch journalistische Transparenz gewonnen werden: dem transparenten Umgang mit Quellenangaben, mit Rechercheständen und auch mit Fehlern beispielsweise in der Berichterstattung. Das setzt kritische Selbstreflexion voraus und auch das Führen eines offenen Dialogs mit den Bürgern. Auch so kann Transparenz die Glaubwürdigkeit und damit das Vertrauen in den MDR weiter steigern.

 

 

Dossier „Transparenz und Finanzierung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk“:

ARD, ZDF und das Deutschlandradio stehen heute in Folge verschiedener Entwicklungen wie dem Wandel von Mediennutzungs-, Distributions- und Produktionsstrukturen unter besonderem Legitimationsdruck. Dabei rücken Forderungen nach transparenteren Finanz- und Gremienstrukturen zunehmend in den Vordergrund. Öffentlich-rechtliche Medienunternehmen müssen heutzutage mehr denn je einen Beitrag leisten für faire und transparente Wettbewerbsverhältnisse und einen öffentlichen Diskurs über ihre Kostenbilanzen und Programmstrategien ermöglichen. Doch welcher Reformen bedarf es, um den Forderungen nach mehr Transparenz nachhaltig entgegenzukommen? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt einer vom Institut für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM) und von carta.info in Zusammenarbeit mit der „Medienkorrespondenz“ und dem Dresdner Institut für Medien, Bildung und Beratung (DIMBB) organisierten Artikelserie,  kuratiert von Leonard Novy und Orkan Torun.

Karola Willes Text folgt Beiträgen der Grünen-Politikerin Tabea Rößner, des stellvertretenden NDR-Rundfunkratsvorsitzenden Uwe Grund, des AG-Dok-Vorsitzenden Thomas Frickel, der VPRT-Vertreter Claus Grewenig und Daniela Beaujean, der Wissenschaftler Christian Herzog von der Leuphana-Universität Lüneburg und Hanno Beck von der Hochschule Pforzheim sowie von Konrad Mitschka vom Österreichischen Rundfunk (ORF).

 


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