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Köhler: Das Wirken des Bundesverfassungsgerichts ist “eigentlich eine Anomalie demokratischer Politik”

von , 28.5.10

Die Äußerungen von Bundespräsident Horst Köhler über freie Handelswege als Ziel von Militäreinsätzen haben eine erstaunliche Karriere hinter sich. Zunächst wurde das Thema über das Pfingstwochenende von verschiedenen Blogs aufgebracht – aber zunächst nicht von den klassischen Massenmedien aufgenommen. Erst als sich die Opposition zu dem Thema äußerte, begann sich die klassische Politikmaschinerie inklusive Spiegel Online und Deutschlandfunk mit dem Thema zu befassen. Die klassischen Medien schreckten also vor einer Köhler-Kritik zurück.

Bemerkenswert ist aber vor allem, wer bei diesem Thema das Agenda-Setting betrieben hat: Erst die Blogs und dann die Politik – die Massenmedien zogen nur nach und unterlagen so einer gewissen Fernsteuerung durch die Politik.

Carta hätte das Thema sicher auch früher aufgreifen sollen. Dabei sind Köhlers Äußerungen nicht so sehr ein Novum in Sachen deutscher Militärdoktrin, sondern vielmehr Symptom eines Bundespräsidenten, dem häufig die richtigen Worte fehlen. Horst Köhler findet derzeit nur selten eine Sprache, die inhaltlich präzise und dem Amt entsprechend versöhnlich wäre.

“Freie Handelswege” ist dabei nur ein Beispiel. Vor zwei Wochen etwa bezeichnete Köhler es als “eine Anomalie im Leben unserer Demokratie”, wenn überstimmte Minderheiten das Bundesverfassungsgericht anrufen.

Köhler sagte am 14. Mai zur Einführung des neuen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts laut Redemanuskript:

Aber das Bundesverfassungsgericht ist nicht gedacht als Ersatz für Politik. Es kann den Bürgern und ihren Repräsentanten die Aufgabe nicht abnehmen, selber politisch zu denken, zu streiten, zu entscheiden und dann auch zu handeln. Es will das auch gar nicht. Darum ist es eigentlich eine Anomalie demokratischer Politik, wenn das Gericht rechtspolitisches “Agenda-Setting” betreibt, vielleicht betreiben muss, wie es das in nicht wenigen Entscheidungen schon getan hat. Darum ist es eigentlich eine weitere solche Anomalie, wenn eine im Parlament überstimmte Minderheit versucht, ihre politische Konzeption via Karlsruhe doch noch zu Gehör oder gar zur Durchsetzung zu bringen, obwohl sie weiß, dass sich die fragliche Mehrheitsentscheidung aller Wahrscheinlichkeit nach in den Grenzen des verfassungsrechtlich Erlaubten hielt. Und darum ist es eigentlich eine Anomalie im Leben unserer Demokratie, wie manche Bürger für ihre Interessen und politischen Ziele nicht mehr diskutieren, koalieren, demonstrieren, sondern eine Rechtsschutzversicherung abschließen oder einem “Prozessverein” beitreten und sich durch die Instanzen klagen. Das darf alles sein, aber ich will es einfach als Problem ansprechen. (Hervorhebung Carta)

Die “Anomalie” erscheint als Wortwahl noch deutlich kritikwürdiger als die “freien Handelswege”. Mal sehen, ob sich die Opposition dazu äußern möchte.

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