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Griechenland und das Versagen der europäischen Linken

von , 17.5.11

Natürlich darf man von einem Sozialisten, der für eine Hotelsuite 3000 Dollar pro Nacht bezahlt und einen Porsche Panamera fährt, nichts erwarten. Dass aber die komplette europäische Linke in der Griechenlandkrise versagt, wird sich noch bitter rächen.

Unwidersprochen lesen wir nun seit Monaten, „die Griechen“ hätten über ihre Verhältnisse gelebt. Kein führender Sozialdemokrat Europas bringt den Mumm auf, einmal öffentlich deutlich zu machen, dass die Bezeichnung „die Griechen“ die wirklichen Verhältnisse verschleiert. Wie nahezu überall in Europa ist auch im europäischen Südosten die Schere zwischen Arm und Reich in den letzten Jahrzehnten weiter auseinander gegangen. Das Steueraufkommen der Vermögenden wuchs freilich nicht mit – es ging zurück. So lag etwa das bei den griechischen Finanzämtern deklarierte Einkommen der Ärzte, Rechtsanwälte und Architekten im Jahr 2008 bei 10.000 Euro, das der Händler und Unternehmer bei 13.000 Euro. Das Fluchtgeld vermögender Griechen sammelte sich unterdessen milliardenschwer auf europäischen Bankkonten.

Viele griechische Firmen zahlen kaum Sozialbeiträge für ihre Beschäftigten. Die hinterzogenen Arbeitgeberbeiträge an Renten- und Krankenkassen machen zweistellige Milliardenbeträge aus. Auch die Korruption in den typischen Korruptionsministerien Gesundheit, Verteidigung und Bauwesen verschluckt gewaltige Summen. Insgesamt gehen dem Staat jährlich circa 65 Milliarden Euro durch Korruption, Steuerhinterziehung und Geldwäsche verloren – ohne dass die sozialistischen Regierungen Griechenlands irgendetwas Entscheidendes dagegen unternommen hätten. Ein Bruchteil dieses Geldes würde ausreichen, das griechische Haushaltsdefizit zu beseitigen.

Der aufgeblähte Öffentliche Dienst (der allein 24 Prozent der griechischen Arbeitnehmer beschäftigt) besteht zur Hälfte (!) aus Niedriglohnjobbern mit prekären Zeitverträgen. Sie verdienen 600, 700 Euro im Monat, sind keine privilegierten Beamten und müssen sich von ihrem schmalen Salär auch noch selbst versichern. Die privaten Renten liegen bei 600 Euro im Schnitt. 25 Prozent der jungen Leute (auch der gut ausgebildeten) finden keinen Job. 20 Prozent der Griechen leben unterhalb der Armutsgrenze. Aber in der Krise wird zu Lasten jener gespart, die sowieso nicht viel haben.

Im Frühjahr 2010 erhöhte die sozialistische Regierung die Mehrwertsteuer von 19 auf 21, kurz danach von 21 auf 23 Prozent. Erhöht wurden auch die Steuern auf Benzin, Tabak und Spirituosen. Im Gegenzug kürzte die Regierung die Einkommen im Öffentlichen Dienst, viele Niedriglohnjobber wurden gefeuert (denn das war am einfachsten). Das heißt, die Kaufkraft sinkt weiter, die Arbeitslosigkeit steigt. Und diese Brüningsche Austeritätspolitik wird neuerdings von Sozialisten gemacht! Weil sie unfähig sind, eine funktionierende Besteuerung durchzusetzen, weil sie nicht in der Lage sind, Korruption und Vetternwirtschaft effektiv zu bekämpfen. Sie meinen, wenn sie die Regierungssessel einmal erfolgreich ergattert haben, können sie sich zur Ruhe setzen.

Und nun steht die Veräußerung des gesamten „Tafelsilbers“ auf der Agenda: Häfen, Flughäfen, Staatliche Strom- und Wasserversorger, Gaswerke, Spielbanken, Lotteriegesellschaften, Eisenbahnen, Telekommunikationsunternehmen, Autobahnen, Feuerwehren, Krankenhäuser sollen meistbietend versteigert werden, um mit den Erlösen die Haushaltslöcher zu stopfen (nur Mykonos und die Akropolis sind wohl vorläufig noch ausgenommen). Die europäischen Finanz-Geier warten schon sehnsüchtig auf die preiswertesten Filetstücke.

Und die europäische Sozialdemokratie? Die re-nationalisierten Sozialdemokraten Europas sind bislang nicht in der Lage, die Rolle ihrer heimischen Großbanken bei der Verschuldung Griechenlands zu thematisieren; sie trauen sich nicht, offen über die Rolle jener heimischen Großunternehmen zu reden, die die Korruption in Griechenland erst so richtig befeuern; sie vermeiden es sorgsam, die Beihilfe der heimischen Kreditinstitute bei der Steuerhintererziehung vermögender Griechen zu erwähnen. So arbeitet die Linke in Europa der Renationalisierung in die Hände. Sie übernimmt das Spießergerede von „den Griechen“, die über ihre Verhältnisse leben, anstatt die Schuldigen klar zu benennen. Sie setzt den Spaltern Europas nichts entgegen.

Diejenigen Griechen, Portugiesen und Spanier, die bei den letzten Wahlen noch für die Linke votierten, werden das vermutlich nicht wieder tun. Sie werden in die innere Emigration gehen und den Wahllokalen künftig fernbleiben oder sie werden den rechten, anti-europäischen Parteien folgen. Schon aus Protest. Weil sie von den europäischen Linken maßlos enttäuscht sind.

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