#Anpassung

Frauen in Zeiten der Quote

von , 19.4.13

Ich bin kein großer Fan der Frauenquote – dazu habe ich hier im Blog schon oft geschrieben und sogar eine eigene Kategorie zu dem Thema eingerichtet.

Aber seit einiger Zeit schon wünsche ich mir sehnlichst, sie würde so langsam mal eingeführt, damit wir endlich alle Aufmerksamkeit den wirklich wichtigen Themen widmen können: der völlig unklaren Zukunft der Sorgearbeit, der zunehmenden Armut, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in alle möglichen Richtungen, dem nicht funktionierenden Bildungssystem, der Ressourcenverschwendung, der wirtschaftlichen Ausblutung vieler Länder, dem Kampf gegen Gewalt und Übergriffigkeit. Und generell dem desolaten Zustand dessen, was im allgemeinen “Politik” genannt wird, aber nur allzu selten wirkliche Politik ist. Alles genuin feministische Themen, wenn man mich fragt.

Annett Meiritz hat gestern im Spiegel gut kommentiert, wie wenig “Politik” bei den parlamentarischen Debatten über die Quote im Spiel ist. Und zwar auf allen Seiten. Dem ist als Analyse wenig hinzuzufügen.

Aber die Abstimmung im Bundestag hat noch einmal deutlich vor Augen geführt, was das Problem an einer Quote wäre, würde sie denn kommen: Denn dass Frauen in irgendwelchen Ämtern sind, bedeutet offensichtlich nicht automatisch, dass sie dort auch etwas ändern. Die Gefahr ist groß, dass sie sich dann doch den Spielregeln unterwerfen. Und schlechte Verhältnisse werden ja nicht dadurch besser, dass auf allen Ebenen fünfzig Prozent Frauen sind. Ungerechtigkeit wird nicht dadurch gerecht, dass sie gleichmäßig auf alle Geschlechter verteilt wird.

Ich bin ziemlich überzeugt davon, dass eine Quote früher oder später kommt. Die absterbenden Institutionen sind ja dringend darauf angewiesen. Aus eigener Kraft schaffen sie es nicht, Frauen für sich zu gewinnen. Die Frauen laufen ihnen in Scharen weg. Frauen (immer im Sinn von: deutlich mehr Frauen als Männer) mögen keine 80-Stunden-”Führungs”-Jobs, sie mögen keine Parteien – denn wie anders soll man es interpretieren, dass alle Partei-Neugründungen faktisch Männerparteien sind? Erst die Piraten, jetzt die Alternative für Deutschland?

Die Quote (oder irgend etwas in der Art) wird kommen, denn Männervereine funktionieren heutzutage nicht mehr. Die Frage ist: Was machen wir bis dahin? Verwenden wir – die Frauenverbände, die feministischen Aktivistinnen – weiterhin unsere Kraft und Energie dafür, für eine Quote zu werben, zu argumentieren, uns aufzureiben?

Mein Vorschlag ist, wir machen unterdessen etwas anderes. Zum Beispiel könnten wir uns darauf vorbereiten, was wir tun werden, wenn die Quote erst einmal da ist. Also diskutieren und Fragen stellen wie: Was ist eigentlich notwendig, damit eine Frau, wenn sie in Amt und Würden kommt, sich nicht vom Sog der Verhältnisse und des So-ist-es-immer-schon-gewesen mitreißen lässt? Was braucht eine Frau, damit sie nicht umfällt wie die Quotenbefürworterinnen in CDU und FDP, wenn es darauf ankommt?

Ein paar Ideen hätte ich schon.

Frauen in Zeiten der Quote müssen zwischen Macht und Politik unterscheiden – was nicht heißt, sich von der Macht fernzuhalten, sondern sich nicht fraglos ihrer Logik zu unterwerfen.

Frauen in Zeiten der Quote brauchen weibliche Souveränität – was etwas anderes ist als das männliche Modell des einsamen Monarchen. Weibliche Souveränität bedeutet nicht, sich über andere zu stellen, sondern ein eigenes Urteil zu fällen und dann auch konsequent danach zu handeln.

Frauen in Zeiten der Quote brauchen Freundinnen. Der Maßstab, an dem sie sich orientieren, darf nicht der Erfolg im Rahmen der bestehenden Systemlogik sein (werde ich wiedergewählt oder nicht?). Sondern ob sie erfolgreich sind oder nicht, können sie nur im Austausch mit denen erfahren, denen sie vertrauen.

Frauen in Zeiten der Quote dürfen sich nicht von der Institution, in der sie ein Amt bekleiden, abhängig machen, weder finanziell noch ideell. Ihre “politische Heimat” muss anderswo sein – denn sonst haben sie nicht die Freiheit, im Zweifelsfall zu gehen.

Frauen in Zeiten der Quote müssen bereit sein, Konflikte einzugehen und auszutragen. Die Anerkennung der Mächtigen muss ihnen egal sein, denn ihre Anerkennung finden sie anderswo. Sie müssen sich befreien, von dem Wunsch, von denen, die im System “oben” sind, gelobt zu werden.

Frauen in Zeiten der Quote brauchen also symbolische Unabhängigkeit. Dann – und nur dann – könnte eine Quote tatsächlich was bewirken.
 
PS und Update: Alles, was ich hier über Frauen sage, gilt für andere Menschen auch.
 

Crosspost von Aus Liebe zur Freiheit

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