#Datenschutz

Eisenbahn-Bundesamt verlangt 300 Euro für Datenschutzschlamperei

von , 9.12.10

Im Juni diesen Jahres erfuhr ich, dass sich beim Eisenbahn-Bundesamt (EBA) Beschwerden von Bahnkunden häuften, die wegen der Verspätung ihres Zuges eine Entschädigung beantragen. Die Bahn ist seit Inkrafttreten der neuen Fahrgastrechte im Sommer 2009 verpflichtet, bei Fahrplanüberschreitungen von mehr als 60 Minuten bis zur Hälfte des Ticketpreises zu erstatten.

Der Grund für die Beschwerden: Schriftlich reklamierende Kunden bekamen in mehreren Fällen von der Bahn die Antwort, sie sollten die Fahrkarte als Beleg einreichen, damit eine Entschädigung möglich sei. Die meisten Kunden hatten das Ticket aber bereits ihrer Reklamation beigefügt – nun hatten sie natürlich keine Kopie ihrer Fahrkarte mehr, mit der sie alles belegen konnten. Ein Sprecher des Eisenbahn-Bundesamtes (EBA), der Aufsichtsbehörde der Bahn, erklärte später, dass die Behörde wegen der Vorfälle ermittelte.

Um mehr Informationen zu erhalten, stellte ich beim EBA einen Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG), in dem ich um Einsicht in die entsprechenden Vorgänge bat. Knapp einen Monat später durfte ich die entscheidenden Akten in den Räumlichkeiten des EBA in Bonn einsehen. Zuvor musste ich allerdings per Vorkasse die verlangten Gebühren in Höhe von 303,85 Euro begleichen – die höchsten, die ich bisher für eine IFG-Auskunft zahlen sollte.

Die vorbereiteten Akten bestanden im Wesentlichen aus den Original-Beschwerdeschreiben von Bahnkunden an das EBA, Schriftwechseln zwischen den Beschwerdeführern und der Bahn, Antworten des EBA an die Beschwerdeführer sowie Schriftwechseln zwischen dem EBA und der Bahn.

Auf einer Reihe von Schreiben waren jedoch personenbezogene Daten von Personen, die sich beim Eisenbahn-Bundesamt beschwerten, nicht fachgerecht geschwärzt, so dass ich nicht nur die Namen einiger Beschwerdeführer lesen konnte, sondern auch deren Telefonnummern und sogar eine Bankverbindung. Man stelle sich vor: Man beschwert sich beim Eisenbahn-Bundesamt, weil man sich von der Deutschen Bahn schlecht behandelt fühlt und als „Belohnung“ teilt das Eisenbahn-Bundesamt die eigene Kontonummer einer x-beliebigen fremden Person (das IFG gilt für Jedermann, nicht nur für Journalisten) mit – vollständiger Name inklusive.

Wegen der vom Eisenbahn-Bundesamt verlangten 303,85 Euro Gebühren legte ich in der Folge Widerspruch beim EBA und Beschwerde beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ein.

In seiner Antwort auf meine Beschwerde schrieb der Bundesdatenschutzbeauftragte nun, dass seiner Auffassung nach “die Zusammensetzung der Gebühren und Auslagen”, die das EBA geltend gemacht hat, für mich als Antragsteller “nicht unbedingt nachvollziehbar” sei und er das Eisenbahn-Bundesamt deshalb darauf hingewiesen habe, “zukünftig zur besseren Nachvollziehbarkeit, dem Antragsteller die Zusammensetzung der Gebühren zu erläutern”.

An diesem Punkt ist anzumerken, dass es nicht das erste Mal ist, dass das Eisenbahn-Bundesamt durch nachweisliche Inkompetenz in Sachen Informationsfreiheit auffällig wird. In seinem letzten Tätigkeitsbericht schreibt der Bundesdatenschutzbeauftragte über das Eisenbahn-Bundesamt:

“Die meisten Mängel hätten vermieden werden können. Sie waren Folgen einer ungenügenden internen Organisation. Um dies mit dem EBA zu erläutern, baten meine Mitarbeiter während der Kontrolle ausdrücklich um ein Abschlussgespräch. Leider war trotz Zusage zum vereinbarten Termin keiner der zuständigen Ansprechpartner zu erreichen. Ein derartiges Verhalten einer Behörde im Rahmen eines Beratungs- und Kontrollbesuches durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ist bislang einmalig.

Auf Grund der beachtlichen Verstöße und festgestellten Schwierigkeiten habe ich gegenüber dem zuständigen Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung eine Beanstandung gem. § 25 Absatz 1 BDSG i. V. m. § 12 Absatz 3 IFG ausgesprochen”

In meinem Schreiben an den Bundesdatenschutzbeauftragten informierte ich diesen auch über die Preisgabe von personenbezogenen Daten durch das Eisenbahn-Bundesamt. Hierauf geht der Datenschutzbeauftragte in seinem Antwortschreiben jedoch mit keinem Wort ein. Stattdessen warnt der Beauftragte Peter Schaar die Bürger öffentlich davor, nicht zu viele Daten in sozialen Netzwerken preiszugeben. Dass die wahren Gefahren für den Datenschutz offensichtlich auch in deutschen Amtsstuben lauern, scheint an ihm vorbeizugehen.

Das Eisenbahn-Bundesamt hat mir zwischenzeitlich mitgeteilt, dass die Deutsche Bahn “alle Beschwerdeführer zwischenzeitlich entschädigt” hat. Das letzte Verfahren wurde jedoch erst am 22. Oktober eingestellt. Darüber hinaus wurden, wie mir das EBA auch wieder erst auf weiteres Nachhaken hin mitteilte, “in zwei Fällen Verstöße gegen Art. 16 und/oder 17 VO 1371/2007/EG festgestellt”. In den beiden Fällen hat die Bahn „die geschuldete Leistung nicht binnen der gesetzlichen Zahlungsfrist von einem Monat gemäß Art. 17 Abs. 2 S. 1 VO 1371/2007/EG bewirkt“, so EBA-Sprecherin Heike Schmidt.

Mein an das EBA gerichteter Antrag, auf die Erhebung der 303,85 Euro Gebühren aus Gründen des öffentlichen Interesses zu verzichten, wurde übrigens abgelehnt. Nach § 2 Informationsgebührenverordnung kann eine Behörde, selbst wenn eigentlich Gebühren erhoben werden könnten, von deren Erhebung aus „Gründen der Billigkeit oder des öffentlichen Interesses” absehen, also beispielsweise bei Journalisten, die für die Öffentlichkeit berichten. „Aufgrund fehlender medialer Aufmerksamkeit für die in Rede stehende Thematik, war ein überwiegend öffentliches Interesse für die Behörde auch nicht erkennbar“, so das Eisenbahn-Bundesamt in seiner Begründung. Sicherlich meint das Eisenbahnbundesamt mit „fehlender medialer Aufmerksamkeit“ die Berichte zu dem Thema im Spiegel, bei sueddeutsche.de, bei Welt Online, auf ntv.de und in der letzten Ausgabe des „journalist“.

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