##btw13

Die Wurst ist politisch. Das Schnitzel auch.

von , 7.8.13

Es geht um die Wurst. Deswegen gebe ich natürlich meinen Senf dazu. Okay. Ja. Genug. (Ich konnte, nein, wollte nicht widerstehen.)
 

NRW-Wahlkampf 2012, SPD-Wahlplakat Currywurst

Der Veggieday erhitzt die Gemüter mehr, als es jede Hitzewelle vermochte – und die angebrachten Argumente sind teilweise so haarsträubend, wie an selbigen herangezogen. Ich verzichte daher darauf, jetzt über Moral, Zwang und Massentierhaltung zu schreiben. Genau. Das wird kein Artikel über Fleisch, ich muss Sie also enttäuschen. Bitte gehen Sie dafür direkt weiter zur BILD-Zeitung und gehen Sie nicht über Los.

So ähnlich hat es nämlich Peer Steinbrück gemacht, der Montag mit Kai Diekmann, seines Zeichens Chefredakteur der BILD-Zeitung und Hobby-Politik-Strippenzieher, Schnitzel essen war.

Am selben Tag, als die BILD-Zeitung den möglichen Koalitionspartner für den Veggieday-Vorschlag medial so attraktiv machte, wie Kantinen ein Sojaschnitzel (wie Dennis so schön betonte), geht Peer Steinbrück mit dem Chef des Boulevards essen. Schnitzel, laut Diekmann. Eine wichtige Information, schließlich war der Mittelfinger in Richtung Grüne auf dem Foto nicht abgebildet.
 

 
„Darf Peer jetzt nicht mehr Abendessen gehen????!!!1“,

höre ich die Campaigner und Fanboys kreischen, in gleicher Manier wie darüber, dass niemand die CDU kritisiert, weil sie Merkel nicht auf ihren Plakaten habe, während es bei der SPD ja so total voll gemein ist, wenn Medien anmerken, dass Peer nirgends zu sehen ist. Menno. (Dass die CDU das überhaupt nicht nötig hat, dass man als Regierungspartei eine andere Strategie fahren kann als die angreifende Partei, dass Peer Steinbrücks Popularität – und die der SPD – in keinster Weise nach ähnlichen Strategien wie denen Merkels ruft … ach, egal! Merkel ist SPD, oder so).

Nein, Peer darf nicht mehr Abendessen gehen. Zumindest nicht mit Kai Diekmann. Und wenn er das unbedingt tun muss – weil er so gerne sein Personal aus der BILD (-Redaktion) rekrutiert –, dann darf er sich dabei nicht fotografieren lassen. Und. Das. Verdammt. Noch. Mal. Nicht. Online. Stellen. Lassen.

Sagt mal, saufen die alle zu viel Eierlikör, oder was passiert da gerade?

Denkt sich der Sprecher von Peer Steinbrück, „Ehh Peer, kein Ding, mach mal ein Foto mit dem BILD-Chef, merkt keiner, so wie es ja auch keiner gemerkt hat, dass ich früher bei der BILD war und es da ja auch null Kritik gab! Hahaha! Und lass Kai mal noch einen schönen Seitenhieb auf die doofen Grünen posten! Das gibt dir bestimmt voll den Popularitätspush! Zeig, wie gern du Schnitzel magst! Es geht um die Wurst!“

(Oder denkt sich Rolf Kleine einfach, es wäre cool, wenn sein Ex-Chef und sein Jetzt-Chef anbändeln, und schätzt dann nicht ein, wieso es vielleicht doof wäre, ein Foto der beiden zu posten? Wenn ja: Job verfehlt. Sorry, Bro.)

Ich bin es so leid. Ich bin es so müde, ständig aufzuzeigen, in wie vielen verschiedenen Arten die SPD-Kampagne gerade alles falsch macht, was man im Wahlkampf falsch machen kann. Sogar Mitt Romneys Wahlkampf wirkt im Nachhinein professionell dagegen.

Sie präsentieren ihre Plakate: langweilig, null Herausstellungsmerkmal, und dann auch noch Merkel: Merkel mit ihrer Handtasche. Merkel, die nachdenkt. Merkel, Merkel, Merkel.

Es gibt Pressefotos, da steht Peer Steinbrück vor Merkelplakaten der SPD. Scheißegal, ob die geklebt werden oder nicht. Sie wurden vorgestellt. Bei der offiziellen Vorstellung der Plakate.

Und um es dann noch schöner zu machen (sonst hätte man ja kein Thema), werden die nächsten Tage damit verbracht, sich darüber aufzuregen, dass andere sich darüber aufregen, dass die Plakate so schlecht sind. „Die Merkelplakate werden gar nicht geklebt!“ „Ihr versteht die Plakate nicht!“

Ähm. Man stelle sich eine Werbeagentur vor, die Kunden ankackt, weil die ihre Werbung nicht verstehen und das Produkt nicht kaufen. Eben. Rausgeflogen. Hochkant.

Da bekommt Peer Steinbrück ein Porträt im ZDF, und statt darüber zu sprechen, was die SPD für tolle Ideen im Bereich der Gleichstellung, der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und der Rentensicherung hat, wird wieder einmal aufgerollt, wie missverstanden Peer Steinbrück ist. Es geht immer noch um die schief gelaufene Kandidatur, sogar die Ehefrau kommt wieder zu Wort; Peer Steinbrück, Pechvogel, der missverstandene Kandidat.

Da ich davon ausgehe, dass das Wort „Themensetting“ den Campaignern von Steinbrück geläufig ist, scheint dies die Strategie zu sein: Guck mal, der arme Peer, dieser knuffige Welpe, der kann doch auch nix dafür, der ist gar nicht so böse. Der mag sogar Schnitzel, nicht so wie diese komischen Ökos.

Die SPD-Kampagnenleitung gefällt sich in ihrer Opferrolle, und ein bisschen fragt man sich ja schon, ob sie das nur aus reiner Schadensbegrenzung tut, die Machtverteilung nach der Wahl bereits im Blick. Plakate vorstellen, Inhalte pushen – nee.

Plakate vorstellen, darüber meckern, dass die Presse festgestellt hat, dass man den eigenen Job scheiße gemacht hat, mit den Finger auf alle anderen zeigen. Noch zwei Pfund negative campaigning, fertig: der Wahlkampf der SPD, wegen Risiken und Nebenwirkungen sehen Sie auf die aktuellen Umfragewerte.

Und statt am Tag der Veggieday-Debatte mal dem möglichen Koalitionspartner klug zur Seite zu springen und über Massentierhaltung zu sprechen und über die letzten Lebensmittelskandale und Tierschutz und lauter Dinge, welche die Deutschen eigentlich unterstützen, geht Peer Steinbrück mit Kai Diekmann Schnitzel essen.

Vielleicht ist man bei der SPD-Kampagne der Meinung, dass diese Wahl nur noch mit Hilfe der BILD-Zeitung zu gewinnen sei.

Vielleicht denkt dort auch gar keiner mehr nach.

Vielleicht ist es auch allen scheißegal.

Ach, was soll’s. Es wird eh nichts ändern, ich werde wieder dafür angeblafft, dass ich Kritik übe, und im Endeffekt ändert sich eh nix.

Ich glaub, ich mach mir jetzt einfach ‘nen Salat.
 
PS: Ja, auch die Medien™ sind Teil des Problems. Aber es ist ein Push & Pull-System, und das ständige Abschieben auf alle anderen kotzt mich an.

 
Disclaimer: Ich bin SPD Mitglied, werde mir die Füße bei Wahlkampfständen platt stehen, würde Rot-Grün wirklich gerne siegen sehen, habe ein paar Jahre in Unternehmensstrategie und -kommunikation hinter mir, habe keine Ahnung von Wahlkampf und finde die Kampagnenstrategie trotzdem Scheiße. Sue me.
 
Crosspost von Frau Dingens

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