von Ulrich Horn, 13.9.13
Vor Monaten hofften sie noch, sie könnten die 20 Prozent-Marke erreichen. Heute hocken sie nur noch knapp im zweistelligen Bereich. Ihren Plan, die schwindsüchtige SPD als Volkspartei zu beerben, können sie – vorerst jedenfalls – zu den Akten legen. Es gibt nun auch grünen Schwund.
Inhaltliches Angebot erweitert
Beide Parteien zeigen sich partnerschaftlich verbunden. Doch der Schein trügt. Sie sind Konkurrenten. Die SPD will Volkspartei bleiben. Sie kämpft gegen die Dominanz der Union und die inhaltliche Hegemonie der Grünen. Die wiederum haben ihr Programmspektrum erweitert und hoffen, ihren Stimmenanteil zu vergrößern, auch auf Kosten der SPD: Die grüne Zweitstimmen-Kampagne setzt darauf, die schmalbrüstige SPD kräftig anzuzapfen.
In Süddeutschland arbeiten die Grünen seit langem daran, die SPD als zweite Kraft zu bedrängen. Mit der Katastrophe von Fukushima erhielt ihr Bemühen Auftrieb. Bei der Baden-Württemberg-Wahl 2011 überflügelten sie die SPD und degradierten sie in Stuttgart zum kleinen Koalitionspartner.
Das Ziel, grüne Volkspartei zu werden, schien nahe, zumal die SPD inhaltlich und personell ausgelaugt ist. In Ostdeutschland auch von der Linken bedrängt, fiel die SPD bei der Bundestagswahl 2009 auf mickrige 23 Prozent zusammen. Nachhaltig erholt hat sie sich nicht. Die Grünen versuchen, die SPD-Schwäche zu nutzen. Als wollten sie die SPD beerben, haben sie sich in ihrem Wahlprogramm Themen zu eigen gemacht, die zum Markenkern der SPD gehören.
Bindende Umarmung
Sie rücken soziale und finanzielle Fragen in den Vordergrund. Sie benutzen die Steuerpolitik als Instrument der Sozialpolitik, wie dies die SPD seit jeher praktiziert. Das grüne Wahlprogramm erscheint noch sozialdemokratischer als das Programm der SPD.
Der neue Kurs bleibt bei den Grünen nicht ohne Widerspruch. Die Partei ist gespalten. Der Realo-Flügel hält den Kurs für falsch, beugt sich jedoch der linken Mehrheit. Sie hat die Partei auf eine rot-grüne Koalition festgelegt. Auch das halten die Realos für falsch, nehmen den Lagerwahlkampf jedoch hin.
Die SPD stützt den Kurs des linken Flügels und rückt dabei eng an die Grünen heran. Aus Sorge, sie könnten nach der Bundestagswahl zum Mehrheitsbeschaffer der Union werden, propagiert die SPD ohne Unterlass Rot-Grün. Die Umarmung und die Absage der SPD an eine große Koalition sollen auf die Grünen bindend wirken.
Der Glaubwürdigkeit geschadet
Beides zielt darauf ab, die Differenzen bei den Grünen zu verschärfen, deren linken Flügel zu stärken und den Spielraum der Realos einzuschränken. Je stärker sich die Grünen umarmen lassen, desto schwerer fällt es ihnen, nach der Wahl die Stellung zu wechseln, hofft die SPD. Daher versichert sie wie vom Endlosband, nach der Wahl werde es allen Umfragen zum Trotz Rot-Grün geben. Das klingt wie ein Versprechen und wirkt so, als wolle die SPD die Grünen im rot-grünen Lager einzementieren, damit sie nicht zur Union wechseln können.
Seit sichtbar wird, dass die Grünen in den Armen der SPD liegen, geht es mit ihnen bergab. Trittins Kurs, die Sozial- und Finanzpolitik in den Vordergrund zu rücken, spaltet die grüne Anhängerschaft. Der Kurs findet zwar Widerhall bei den Gewerkschaften, schreckt jedoch jene bürgerlichen Wähler ab, die kein Problem mit Schwarz-Grün haben und die Gewerkschaften mit Skepsis betrachten.
Viele dieser Wähler halten die soziale Lage nicht für dramatisch prekär. Sie finden es befremdlich, dass die Grünen die SPD imitieren, statt sich von ihr zu unterscheiden. Viele grüne Stammwähler haben auch registriert, dass Trittins Steuerkonzept, anders als behauptet, tief in den Mittelstand eingreift und sie selbst betrifft. Das schadet der Glaubwürdigkeit der Grünen, zumal sich die Opferbereitschaft vieler ihrer Anhänger in Grenzen hält.
Als Reclam-Ausgabe beargwöhnt
Den Grünen gelang es stets, ihre Anliegen als Interesse der Allgemeinheit zu stilisieren. Mit dem Rauchverbot übertrugen sie ihre Erziehungserfolge in der Umweltpolitik auf die Gesundheitspolitik. Der Preis war hoch. Er trug ihnen den Vorwurf ein, die Bürger zu bevormunden.
Als im Wahlkampf die Zustimmung schwand, versuchten sie erneut, ein Gesundheitsthema zu setzen, den fleischlosen Kantinen-Tag. Die Veggie-Aktion erweist sich als Rohrkrepierer. Der Bogen ist überspannt, vor allem für die Anhänger, die ohnehin mit der Partei hadern. Sie werfen den Grünen vor, sie wollten in das Privatleben hineinregieren. Union und FDP hauen in die gleiche Kerbe, wohl wissend, dass sie damit auch die SPD treffen.
Der Wahlkampf der Grünen schwächt die Partei. Von der stagnierenden SPD bis zum Ersticken geknuddelt und als deren Reclam-Ausgabe beargwöhnt, schauen die Grünen zu, wie ihre Umfragewerte sinken. Unterdessen rührt die SPD weiter Zement an, indem sie unverdrossen ruft, nach der Wahl werde es Rot-Grün geben.
Crosspost von Post von Horn
- Hektor Haarkötter: Liebling, wer hat die Umfragen geschrumpft?