von Miriam Meckel, 4.6.10
Es spricht für sich, dass zwei Frauen an der Spitze Deutschlands, als Bundeskanzlerin und Bundespräsidentin, ein „Ladies Overkill“ wären, den Deutschland noch nicht verkraften kann. Anachronismus ist selbsterklärend.
Was immer die Bundeskanzlerin bewogen hat, sich auf Christian Wulff festzulegen, es hat sicher auch damit zu tun, dass sie eine Realpolitikerin ist und immer sehr schnell begreift, was sie durchsetzen kann und was ihr hilft. Wulff hilft ihr als Bundespräsident, weil er ihr als Ministerpräsident dann nicht mehr schaden kann.
Das ist der Merkel-Feminismus: Alle mächtigen Männer der CDU solange wegzuloben oder zu befördern, bis sie selbst gehen, lahm gelegt oder jenseits des entscheidenden politischen Einflussradius angelangt sind. Koch geht. Rüttgers ist abgewählt. Wulff wird Bundespräsident.
Haben wir nicht immer gefordert, Frauen müssten dieselben konsequenten Machtstrategien entwickeln wie Männer, um endlich gleichberechtigt zu sein und ihre Positionen zu sichern? Angela Merkel zeigt vorbildlich, wie das geht. Dafür gebührt ihr Respekt.
Diese Strategie hat allerdings zwei Nachteile: Zum einen sind noch immer deutlich mehr Führungspositionen in der Politik mit Männern besetzt. Wenn die männlichen Konkurrenten raufgelobt werden müssen, um die eigene Position abzusichern, verstopfen sie die Aufstiegskanäle für Frauen. Zum anderen hat sie im aktuellen Entscheidungsfall in Kauf genommen, dass ihre politisch Verbündete Ursula von der Leyen beschädigt wird. Es gibt gute Gründe, sie als Arbeitsministerin zu behalten. Es hätte ebenso gute Gründe gegeben, dann die Gerüchteküche über sie als mögliche Bundespräsidentin schnell zu schließen.
Ein sehr einsamer Feminismus ist es, der bei Angela Merkel aufscheint. Er ist mehr Ergebnis als Antrieb politischer Entscheidungen und subsumiert die Frage nach Frauen und politischer Macht unter die der individuellen Machtabsicherung. Vielleicht geht das in der Politik nicht anders. Vielleicht geht das nach einem tradierten, analogen Politikverständnis nicht anders, das nach dem Prinzip „up or out“ funktioniert. Vielleicht ist das auch die traurige Begleiterscheinung von Frauen in Machtpositionen, die noch so selten sind, dass ihr eigener Machterhalt ständiger Referenzpunkt bleiben muss.
Wulff ist „up and out“. Das ist gut für Merkel. Ursula von der Leyen hat noch viele Optionen. Sie könnte nicht nur Ambitionen als Bundespräsidentin haben, sondern womöglich auch als künftige Bundeskanzlerin. Fragt sich, wie das Ein-Frauen-System des Merkel-Feminismus dann reagiert.
Crosspost von miriammeckel.