von Marvin Oppong, 13.7.10
Ohne Demokraten keine Demokratie – ohne wissbegierige Antragsteller keine Informationsfreiheit. Von den deutschen Bundesbürgern dürften viele das seit 2006 geltende Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gar nicht kennen. Dabei ist das Gesetz, das dafür sorgt, dass das Amtsgeheimnis nicht mehr absolut gilt und eine Behörde die Herausgabe von Informationen nur in bestimmten Ausnahmefällen verweigern darf, eine wahre Revolution in Bezug auf Transparenz.
Es ermöglicht Bürgern, von der lokalen Verwaltung Informationen über anstehende Bauprojekte erhalten oder verhilft Journalisten, an einen wichtigen Vermerk eines Ministeriums zu gelangen. Ein Bürger beantragte beispielsweise auf der Grundlage des IFG Auskunft darüber, wer die Sponsoren der Amtskette des Düsseldorfer Oberbürgermeisters sind – es waren der Chemiekonzern Bayer und zwei lokale Kreditinstitute. Er musste für diese Information sein Recht auf Akteneinsicht einklagen.
Denn viele Behörden haben das alte Amtsgeheimnis noch nicht überwunden und geben nur widerwillig Auskunft. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Peter Schaar, beschwerte sich sogar Anfang Mai in der Tagesschau darüber, dass viele Behörden zu intensiv von Ausnahmeregeln wie dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Gebrauch machen.
Je länger das Gesetz in Kraft ist und je mehr Anträge gestellt werden, desto eher wird sich eine Kultur der offenen Informationserteilung einstellen. Doch wie schnell dies der Fall ist, hängt auch davon ab, wie intensiv Bürger und Journalisten von dem neuen Gesetz Gebrauch machen. Deswegen ist falsche Scheu in Sachen Informationsfreiheit fehl am Platz. Einen IFG-Antrag zu stellen ist nämlich keine bloße Möglichkeit, die die Verwaltung aus Kulanz einräumt, sondern ein Bürgerrecht erster Klasse. Dennoch stellten über 82 Millionen Bundesbürger im Jahr 2008 nur 1.548 Anträge nach dem Bundes-IFG – Anfragen von Journalisten mit eingeschlossen.
Allerdings muss immer berücksichtigt werden, dass die Bearbeitung von Anträgen nach dem IFG auch Aufwand bei der Behörde erzeugt und ganze Apparate lähmen kann. Ganz unabhängig davon, ob der Antragsteller später über eine Gebühr dafür aufkommt oder nicht.
Dies ist aber auch schon ein entscheidender Punkt: Nach dem IFG können für Anfragen – in der Praxis teils erhebliche – Gebühren erhoben werden. Zwar sieht etwa das schleswig-holsteinische IFG eine Gebührenbefreiung für gemeinnützige Organisationen vor und auch Journalisten haben das Glück, dass sie mit ihren Fragen das öffentliche Interesse vertreten und damit unter die Gebührenausnahmeregelung gefasst werden können. Wegen der Vielzahl und der Art ihrer kritischen Anfragen haben Journalisten jedoch auch häufiger das Nachsehen bei den Behörden, wenn es um die Auskunftserteilung geht.
Denn genauso wie Pressestellen von Behörden filtern sollen, was für Informationen an die Öffentlichkeit gelangen, halten sie auch peinlich ihre Hand über das, was im Rahmen von IFG-Anträgen an Informationen ihr Haus verlässt. Jeder ordnungsgemäß bearbeitete Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz kann aus Sicht einer Behörde der Auslöser für unliebsame mediale Berichterstattung sein.
Zum Glück bietet der Bundesbeauftragte für Informationsfreiheit mit seiner Ombudsfunktion die Möglichkeit, die Bearbeitung von IFG-Anfragen durch Behörden zu überprüfen und gegebenenfalls einzuschreiten. Ein Weisungsrecht, welches eigentlich das Entscheidende wäre und deshalb dringend einzuführen ist, hat er allerdings nicht.
Was das Verhältnis zwischen dem eigenen Aufwand, immer wieder nachzuhaken, dem erzeugten Verwaltungsaufwand und berechtigtem Interesse angeht, bleibt es immer eine Abwägungsfrage, ob man einen IFG-Antrag wirklich stellen sollte. Wer weiß – vielleicht wird das beantragte Dokument ja kurze Zeit später Wikileaks zugespielt und dort frei veröffentlicht. So erging es Jörg Tauss, der 2008 sogar klagte, weil er die die Toll-Collect-Verträge nicht einsehen durfte. Später standen sie bei Wikileaks.
Das ist jedoch eher die Ausnahme. Und da die rund 50.000 Journalistinnen und Journalisten in Deutschland die Arbeit der Politik und die von über 4,1 Millionen Staatsbediensteten in Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen nicht alleine kontrollieren können, braucht kritischer Journalismus kritische und interessierte Bürgerinnen und Bürger.
In diesem Sinne: Bürger, nutzt die Informationsfreiheit!