von Thomas Stadler, 4.12.12
Bereits vor einigen Monaten konnte man eine Form von Kampagnenjournalismus beobachten, der mich zu der Frage veranlasst hat, wer die Urheberrechtskampagne eigentlich koordiniert.
Aktuell lässt sich in den klassischen Zeitungsmedien erneut eine fast durchgehend einseitige Berichterstattung über das geplante Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse feststellen. Zu einer ausgewogenen Berichterstattung würde es beispielsweise gehören, zumindest zu erwähnen, dass die Rechtswissenschaft das Leistungsschutzrecht – in seltener Einigkeit – ablehnt. Zu einer ausgewogenen Berichterstattung würde es zudem gehören, nicht nur den Lobbyismus von Google anzuprangern, sondern in gleichem Maße den Verlagslobbyismus zu hinterfragen, der dieses Gesetzgebungsvorhaben überhaupt erst auf den Weg gebracht hat. All das passiert aber nicht, oder bestenfalls unzureichend.
Man kann also ohne Weiteres konstatieren, dass bei diesem Thema eine objektive Berichterstattung schlicht nicht stattfindet. Stattdessen erleben wir Kampagnenjournalimus, der von Verlegerinteressen geleitet wird. Ob die Verlage unmittelbar Einfluss auf die Redaktionen nehmen, oder es sich um eine Form von vorauseilendem Gehorsam handelt, ist letztlich von untergeordneter Bedeutung, denn das Ergebnis bleibt dasselbe.
Selbst diejenigen Journalisten, die Kritik am Leistungsschutzrecht üben, scheinen mir am Ziel vorbeizuschießen oder gar eine Ablenkungsdebatte führen zu wollen. Wenn Stefan Plöchinger – Chefredakteur von Sueddeutsche.de – in einem lesenswerten Blogbeirag die Ansicht vertritt, die Debatte über ein Leistungsschutzrecht würde von der wesentlich wichtigeren Google-Debatte ablenken, dann scheint er mir damit selbst eine Ablenkungsdebatte führen zu wollen.
Denn die Probleme, die sich daraus ergeben, dass Google ein marktbeherrschendes Unternehmen ist, haben wenig bis gar nichts mit der Debatte um das Leistungsschutzrecht zu tun. Die Situation der Verlage wäre keinen Deut anders, wenn der Suchmaschinenmarkt nicht von einem Monopolisten dominiert würde, sondern es beispielsweise fünf gleich große Anbieter gäbe.
Das Leistungsschutzrecht betrifft andererseits nicht nur Google, sondern ganz allgemein Suchmaschinen und gewerbliche Anbieter von Diensten, die Inhalte wie Suchmaschinen aufbereiten. Das lässt jede Menge Raum für juristische Auslegung. Je nachdem, wie die Rechtsprechung diese weiteren Dienste definieren wird, können davon durchaus eine Vielzahl von Onlineanbietern betroffen sein.
Es geht also keineswegs nur um Google. Vielmehr wäre es notwendig, die Rolle der Verlage etwas genauer und kritischer zu beleuchten, und mit Blick auf das Leistungsschutzrecht die Frage nach Sinn und Notwendigkeit stärker in den Vordergund zu rücken. Die mediale Diskussion krankt an dieser Stelle aber auch daran, dass viele Journalisten den juristischen Hintergrund einfach nicht verstehen und den Gesetzesentwurf deshalb nicht richtig einordnen können. Denn es gibt Gründe dafür, dass die Rechtswissenschaft den Gesetzesentwurf praktisch einhellig ablehnt und selbst die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtschutz und Urheberrecht (GRUR) – die ansonsten äußerst urheber- und rechteinhaberfreundlich ist – in derart eindeutiger Weise Position bezieht.
Mich persönlich lässt die Berichterstattung gerade auch von Flaggschiffen wie der FAZ und der SZ wirklich ernsthaft daran zweifeln, dass es den unabhängigen und kritischen Journalismus (vulgo: Qualitätsjournalismus) überhaupt noch gibt. Jedenfalls dann, wenn die eigenen Interessen der Verlage betroffen sind, werden die Leser nicht mit einer ausgewogenen Berichterstattung bedient. Die Verlage nutzen vielmehr ihre publizistische Macht ebenso, wie Google seine Suchmaschine benutzt, um in dieser Frage die Meinungshoheit zu erlangen. Und das ist, mit Verlaub, schändlich.
Der Journalist Richard Gutjahr stellt seinen Zeitungskollegen deshalb die vermutlich entscheidende Frage:
Journalismus. War das nicht genau das, was uns von Google unterscheidet?
Crosspost von Internet Law