#Afghanistan-Papiere

Verteidigungsministerium pocht aufs Urheberrecht

von , 9.4.13

Im vergangenen November hat das Rechercheteam der WAZ-Mediengruppe mit gewissem Trommelwirbel die, wie die Kollegen es nennen, Afghanistan-Papiere veröffentlicht. Ich habe keinen Hehl daraus gemacht, dass ich diesen Wirbel um die wöchentlichen Unterrichtungen des Parlaments (UdP) für ein wenig überzogen hielt.

Aber die Reaktion des Verteidigungsministeriums  halte ich grundsätzlich für bedenklich: Dessen Rechtsabteilung hat die Redaktion jetzt aufgefordert, die Papiere aus dem Internet zu entfernen – unter Berufung auf das Urheberrecht.

Nun kann man die Veröffentlichung der WAZ juristisch unter verschiedenen Aspekten betrachten: Zum einen ist natürlich die Frage, wie die Veröffentlichung von eingestuften Papieren der untersten Geheimhaltungsstufe Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch (VS-NfD) zu bewerten ist. Diesen Weg ist das Verteidigungsministerium aber nicht gegangen, sondern bemüht das Urheberrecht – praktisch wie ein Verleger, der Raubkopien seines neuesten Romans verhindern möchte.

Bislang hat die WAZ-Redaktion nur ein Schreiben mit dieser Aufforderung erhalten; noch hat das Ministerium den Klageweg nicht beschritten, wie mir aus dem Presse- und Informationsstab bestätigt wurde.

Dass die Ministerialjuristen den Weg über das Urheberrecht versuchen, hat vermutlich praktische Gründe – ein Bruch der Geheimhaltungsbestimmungen ist ja nicht den Journalisten anzulasten, die es veröffentlicht haben. Aber die Veröffentlichung unter Berufung auf das Urheberrecht halte ich aus einem Grund für falsch und aus einem anderen für brandgefährlich:

Zum einen bin ich der – juristisch vermutlich leider nicht durchfechtbaren – Ansicht, dass wir alle als Steuerzahler die Leistungen von Ministerialbeamten bereits bezahlt haben und sie damit öffentliches Eigentum sind (die Leistungen, nicht die Beamten). Das bedeutet zwar noch nicht, dass auch alles veröffentlicht werden kann, aber dieses öffentliche Gut mit privatwirtschaftlicher Produktion gleichzusetzen, ist aus meiner Sicht zumindest problematisch (das gilt unter anderem auch für die Arbeiten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, bei denen bisweilen auch unter Verweis auf das Urheberrecht eine Veröffentlichung untersagt wird).

Zum anderen, und das ist der an dieser Stelle wesentliche Punkt: Die Mechanismen des Urheberrechts an dieser Stelle anzuwenden, hätte groteske Folgen. Ein Verlag kann frei und willkürlich entscheiden, an wen er einen Text verkauft und wem er die Veröffentlichung gestattet. Ich als Journalist und damit Urheber kann frei wählen, wer meine Texte veröffentlichen darf (na gut, unter der Voraussetzung, dass sich mehrere dafür interessieren).

Staatlichen Stellen kann und darf ich solche Entscheidungsmöglichkeiten nicht zugestehen – auf die Spitze getrieben hieße das: Zur Pressekonferenz des Ministers dürfen nur Medien kommen, die das Ministerium aussucht. Alle anderen haben nicht das Urheberrecht für seine Äußerungen …
 

(Und als Nachtrag) Noch eine Überlegung: Wenn bei solchen Papieren das Urheberrecht greift, dann gilt das nicht nur fürs Verteidigungsministerium. Und nicht nur für Papiere, die einer Geheimhaltungsstufe unterliegen. Sondern für alles, was in einer Behörde an Material produziert wird. Langfristig wäre dann jegliche journalistische Veröffentlichung gefährdet, die sich auf Unterlagen bezieht, die ein Ministerium nicht ausdrücklich veröffentlicht sehen will.

Mängelberichte zum Berliner Flughafen? Lebensmittelskandale, zu denen Unterlagen in einer Behörde existieren? Kommen die an die Öffentlichkeit, dürfte nach dieser Lesart immer das Urheberrecht verletzt sein. Ein praktischer Hebel: Ob ein Journalist anderswo einen Text klaut (was nach dem Urheberrecht natürlich nicht geht) oder ob er ein internes Behörden-Dokument veröffentlicht – das stünde in der rechtlichen Beurteilung auf der gleichen Stufe. Außer Pressemitteilungen gäbe es dann kaum noch eine legal verwertbare Quelle.

Nun gut, ich bin kein Jurist. Deshalb warte ich, wie vermutlich viele Kollegen, den Ausgang dieses Streits mit Spannung ab.
 

Nachtrag 2: In der Abmahnung gemäß §97a Urheberrechtsgesetz, die vom 11. März datiert ist, verlangt der für das Medienrecht im Verteidigungsministerium zuständige Referatsleiter der Rechtsabteilung, die veröffentlichten Unterrichtungen des Parlaments von Ihrer Internetseite zu entfernen und neue UdP zukünftig nicht mehr zu veröffentlichen. Dafür wurde eine Frist bis zum 27. März gesetzt –  die die WAZ ja ganz offensichtlich hat verstreichen lassen. Als Grund nennt der Referatsleiter den §12 Absatz 1 Urheberrechtsgesetz, nachdem das Ministerium das Recht habe, selbst zu bestimmen, ob und wie die UdP zu veröffentlichen sind.
 

Crosspost von Augen geradeaus!
 

 

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.