#GEZ-Reform

Haushaltsabgabe: Die Rechnung hinter dem neuen Rundfunkgebührenmodell

von , 20.6.10

Manchmal sind politische Entscheidungen einfacher zu durchdringen, wenn man die Dokumente und fiskalischen Berechnungen kennt, auf deren Basis sie getroffen wurden. Dann fällt ein Teil der politischen Inszenierung von ihnen ab und man kann recht klar erkennen, worum es intern eigentlich ging.

Beim Rundfunkgebührenmodell zum Beispiel. Carta hat nun Einblick in Unterlagen erhalten, die in den Staatskanzleien vor der Entscheidung über ein neues Gebührenmodell vom 10. Juni kursierten. Demnach hätte bei Beibehaltung des bisherigen Modells ein Rückgang der Einnahmen von 7,4 Mrd. auf 6,5 Mrd. Euro in den kommenden zehn Jahren gedroht. So zumindest haben es die Referenten intern dargestellt – und so hatte es Kurt Beck auch im vergangenen November vertreten: “Bleibt alles wie es ist, rechnen wir bis 2020 mit bis zu einer Milliarde Euro Mindereinnahmen.”

Becks Angaben basierten freilich auf der Annahme, dass die Gebührenhöhe in den kommenden zwei Gebührenperioden nicht weiter steigen würden, anders als in vergangenen 20 Jahren. Tatsächlich hat sich Beck mit seinen Ministerpräsidentenkollegen derart verständigt: Es solle vorerst keine weiteren Steigerungen der Abgabenhöhe von 17,98 Euro geben.

Das Wunder der Haushaltsabgabe: 7,3 Mrd. statt 6,5 Mrd Euro Rundfunkeinnahmen im Jahr 2020 bei einem stabilen Beitragssatz von 17,98 Euro (Quelle der Grafik: Berechnungen im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz)

Das Wunder der Haushaltsabgabe: 7,3 Mrd. statt 6,5 Mrd Euro Rundfunkeinnahmen im Jahr 2020 bei einem stabilen Beitragssatz von 17,98 Euro (Quelle der Grafik: Berechnungen im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz)

Gleichbleibende Gebührenhöhe und – eine zweite politische Prämisse der Ministerpräsidenten – gleichbleibende Anstaltseinnahmen passten im bisherigen Gebührenmodell nicht mehr zusammen, wie das obige Schaubild aus den Staatskanzleien zeigt.

Die Ministerpräsidenten wollten ein neues Modell, das auf Basis der bisherigen Gebührenhöhe für stabile bis leicht steigende Einnahmen der Rundfunkanstalten sorgen sollte. Hierfür bedurfte es einer Ausweitung der Abgabenpflicht und einer Streichung von verminderten Abgabensätzen.

Die Lösung wurde in Form der “Haushaltsabgabe” gefunden. Sie ist nicht nur angeblich “einfacher und gerechter” (Beck), sondern sie soll über eine Ausweitung der Abgabenpflicht auch für eine Erhöhung der Einnahmen bei stabilen Beitragssatz sorgen (siehe Grafik). Da die Zahl der Haushalte praktischerweise auch bei sinkender Bevölkerung voraussichtlich leicht steigen wird, ist sogar mit leicht steigenden Abgabeneinnahmen zu rechnen.

Anhand des Schaubilds lässt sich außerdem auch berechnen, wie hoch die Gebührensteigerungen hätten ausfallen müssen, wenn es bei dem bisherigen Rundfunkgebührenmdell geblieben wäre. Nach Carta-Berechnungen hätte die Gebühr 2013 auf 18,73 Euro und 2017 auf 19,77 Euro ansteigen müssen, um das Einnahmenniveau der Anstalten zu halten. Doch genau das wollten die Ministerpräsidenten nicht.

Die Haushaltsabgabe maximiert nun die Zahl der Abgabenpflichtigen (alle Haushalte und alle Betriebsstätten). Durch die neue allgemeine Abgabenpflicht wird prinzipiell das gesamte (elektronische) Mediensystem zu Rundfunk erklärt – und der Subventions- und Interventionsbedarf unabhängig von den tatsächlichen Nutzungsanteilen von klassischem Rundfunk festgeschrieben. Die Einführung 2013 kommt womöglich gerade noch rechtzeitig, damit nur ein geringer Prozentsatz der GEZ-Kunden konkret etwas von der Systemumstellung spürt.

Aus den Unterlagen, die Carta vorliegen, geht auch hervor, dass die verminderte Hörfunk- und PC-Gebühr nicht nur deshalb aufgegeben wurde, weil es bei der Haushaltsgebühr per se nur noch eine Abgabenhöhe gibt, sondern auch ganz konkret zur “Kompensation von Mindereinnahmen”. Durch den Wegfall der Mehrfachgebührenpflicht (Autoradio, etc.) würden im neuen System Einnahmen in Höhe von 156 Mio. bis 350 Mio. Euro wegfallen. Zum Ausgleich müsse daher die Hörfunk- und PC-Gebühr angehoben werden:

“Die bisherige Trennung von Grund- und Fernsehgebühr muss aufgehoben werden, um die genannten Mindereinnahmen teilweise auszugleichen.”

Vor dem Hintergrund solcher Formulierungen erscheint die Festlegung eines neues Gebührenmodells nicht so sehr Grundsatzentscheidung, sondern vor allem auch Gegenstand komplizierter Gegenrechnungen. In den Staatskanzleien werden die Interessen von Abgabenpflichtigen und Klientelinteressen (Berlin-Brandenburg bat etwa um die Abgabenbefreiung von freiwilligen Feuerwehren, etc.) bis in kleinste Details hin- und hergeschoben – bis am Ende hoffentlich alles wieder so hoch ist wie vorher.

Das neue Modell entpuppt sich im Detail als riesiger Verschiebebahnhof: Hotels werden offenbar weniger zahlen, Autovermietungen und Supermarktfilialen eher mehr. Auch regionale Unterschiede in den Auswirkungen werden erwartet. So kalkulieren die Rundfunkreferenten etwa, dass die neue Abgabe sich insbesondere auch in Berlin bemerkbar machen wird:

“Ein geräteunabhängiger Beitrag bietet sich speziell mit Blick auf den RBB bzw. die hohe Schwarzseherquote in Berlin an.”

Ob und in welchem Umfang es tatsächlich gelingt, die Zahl der “Schwarzseher” durch das neue Modell zu reduzieren, bleibt hingegen unklar. 2013 sollen auf einen Schlag Millionen von Haushalten und Betriebsstätten zusätzlich abgabenpflichtig werden. Berechnungen, in welchem Umfang die Zahl der Zahler tatsächlich steigen wird – und wie sich entsprechend analog die Gebührenhöhe entwickeln müsste, gibt es offenbar noch nicht. Die Systemumstellung ist mit viel höheren Unsicherheiten verbunden, als es die oben stehende Grafik suggeriert. Weder Einnahme- noch Akzeptanz-Effekte sind wirklich klar.

Doch für eine Milliarde Euro waren die Ministerpräsidenten bereit, die Wette einzugehen.

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