#Freiheit

Die Polizei im Netz

von , 18.6.09

Das heute im Bundestag mit den Stimmen der Großen Koalition verabschiedete Zugangserschwerungsgesetz („ZugErschwG“) muss man im Zusammenhang mit dem BKA-Gesetz sehen, das die Befugnisse der Bundespolizei erheblich erweitert. Die Regulierung des Netzes wird zu einer Polizeiaufgabe. Neben die Online-Durchsuchung tritt die Online-Zensur. Metternichs Karlsbader Beschlüsse lassen grüßen.

Eingriffe in Freiheitsrechte wurden schon immer gern mit edlen Motiven begründet. Auch die Netzsperre gegen Kinderpornographie ist eine solche „humanitäre Intervention“ (gegen die kein vernünftiger Mensch etwas haben kann). Früher war es der arabische Sklavenhandel, den man unterbinden musste, heute sind es geschundene Kinder, die als Vorwand für ganz andere Motive dienen.

Die Netz-Community hat eine Niederlage erlitten. Trotz Sammlung von 134.000 Unterschriften in relativ kurzer Zeit, trotz Parteienmobilisierung und Mahnwachen wurde das Exempel statuiert. Das war ein Schuss vor den Bug der Piraten. Die Netzkritiker wollten zeigen, dass sie nicht länger gewillt sind, sich auf der Nase herumtanzen zu lassen. Und sie haben erkannt, dass die „Schwachstelle“ des Netzes bei den Zugangs-Providern liegt. Die Dienste-Anbieter müssen in Zukunft geeignete technische Maßnahmen treffen, um den Netz-Zugang (auf Anordnung der Polizei) zu erschweren, und zwar binnen sechs Stunden. Bei Zuwiderhandlung drohen Geldbußen bis zu 50.000 Euro.

Das heißt: Vom Bundeskriminalamt wird den großen Providern künftig täglich eine Sperrliste mit gefährlichen Internetadressen zur Verfügung gestellt. Wer eine Seite, die in dieser Liste enthalten ist, anklickt, wird zu einem Stoppschild des BKA umgeleitet (und damit sozusagen verwarnt). Die Provider werden verpflichtet, dem BKA jede Woche eine anonymisierte Zugriffsliste für solche Seiten (mit Zugriffszahl pro Stunde) zu liefern. Ein neutrales Aufsichtsgremium, bestehend aus fünf Experten, soll ein Mal im Vierteljahr prüfen, ob alles mit rechten Dingen zugegangen ist.

Nun hat die Netz-Community ja häufig genug darauf verwiesen, dass es sich bei den neuen Regelungen (ähnlich wie schon bei anderen Vorhaben Ursula von der Leyens) um reinen Aktionismus handelt. Statt die Kinderpornographie wirksam zu bekämpfen, wird ein digitaler Vorhang installiert, damit die Gesellschaft besser wegsehen kann (und dem Moloch Internet noch etwas ängstlicher gegenüber tritt).

Natürlich ist das keine „Dummheit“ des Gesetzgebers, sondern Absicht. Das Zugangserschwerungsgesetz ist das Einfallstor für weitere Beschränkungen. Der behauptete „rechtsfreie Raum Internet“ wird über die Zugangs-Provider schrittweise „zivilisiert“ werden.

Doch die Netz-Community wird sich auch fragen lassen müssen, ob sie alles richtig gemacht hat. Ob ihre manchmal arrogant vorgetragene Abwehrposition gegen jede Art von Zivilisierung des Netzes nicht am Ende kontraproduktiv ist. Die Netz-Community hat es z.B. nicht geschafft, die Kreativen (die Schriftsteller, Filmemacher, Musiker usw.) in der Urheberrechtsdebatte auf ihre Seite zu ziehen. Im Gegenteil, sie behandelt die Kreativen geringschätzig und von oben herab wie eine Horde von Bettlern. Wer im Netz nicht überleben kann, so höhnen sie, hat nichts Besseres als den (beruflichen) Tod verdient. Die Netz-Community beraubt sich auf diese Weise eines wichtigen Verbündeten. Das ist alles andere als klug. Denn die Verteidigung der Freiheit benötigt eine ziemlich breite gesellschaftliche Basis.

Die Netz-Community darf sich jetzt nicht in die Schmoll-Ecke zurückziehen und einen trotzigen „Online-Wahlkampf“ androhen. Sie sollte das Gespräch mit anderen Gruppen suchen.

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