#Journalismus

Was wird aus der Tageszeitung? Eine Plattform natürlich

von , 5.8.13

Zur Zukunft der Tageszeitung ist eigentlich alles gesagt. Nur noch nicht von allen. Im Hochsommer 2013 versucht sich der Spiegel an einer Reform-Debatte, deren Hashtag nicht zufällig an die Agenda 2010 angelehnt ist (denn ein ähnliches Downsizing steht dem Journalistenberuf in den nächsten Jahren bevor).

Nein, Sarkasmus ist ganz und gar fehl am Platz! Das Gute an der Spiegel-Kampagne für eine Erneuerung der Tageszeitung ist ja nicht, dass das Thema noch einmal durchgenudelt wird, das Gute ist die Form, in der das geschieht: unter erstmaliger Beteiligung der Spiegel-Leserschaft und – wichtiger noch! – mit einem konkreten Ergebnis am Ende. Ich bin gespannt, wie „die Zeitungsausgabe der Zukunft“ aussehen wird.

Zuvor gibt uns Cordt Schnibben, preisgekrönter Spiegel-Reporter und beliebter Journalistenausbilder bei den Workshops des Reporterforums, noch „elf Vorschläge für lebensverlängernde Maßnahmen“ mit auf den Weg.

Alle elf kann man so unterschreiben (und ich bin dankbar dafür, dass er das Rascheln des Papiers nicht als Argument für die Zeitung anführt). Trotzdem werden die Ärzte zusammen mit den Angehörigen am Ende entscheiden, das Beatmungsgerät abzuschalten und den Patienten in Frieden sterben zu lassen.

Die Einäscherung der Tageszeitung und das Verbringen der Urne in einen angenehm sonnendurchfluteten Friedwald wird freilich nicht das Ende aller Berichterstattung sein. Es findet nur eine Metamorphose statt. Der Geist der Zeitung löst sich von seiner papierenen Hülle, von Druckerpresse, Zeitungsausträger, Kiosk und täglich nur einmaliger Erscheinung. Er sucht sich eine andere Daseinsform.

Und alle, die jetzt meinen, diesen Prozess durch „Entschleunigungs-Journalismus“, Überraschung, Vielfalt, Toleranz und andere Zauberkunststückchen aufhalten zu können, lügen sich in die Tasche. Sie wollen den Tod noch immer nicht akzeptieren. Sie können nicht loslassen. Sie sind unfähig zur Trauer.

Es ist nämlich so, dass Online das alles genauso gut kann: Entschleunigung, Überraschung, Vielfalt, Toleranz und die anderen Zauberkunststückchen sind längst im Netz vorhanden. Man muss sie nur finden, zusammenholen und auf einer gemeinsamen Plattform präsentieren. Das ist alles. Das ist der Journalismus der Zukunft. Und es wäre reine Nostalgie, solche Plattformen noch Tageszeitungen zu nennen.

P.S. Ein Argument fand ich wirklich überzeugend und neu. FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher sagt, die Zeitung sei „das einzige nicht überwachungsfähige Medium“. Das würde mich in der Tat für die Zeitung einnehmen. Allerdings steht bei mir zuhause auch das Buch „Undercover. Der BND und die deutschen Journalisten“. Selbst Papier lässt sich also heimlich überwachen.

Update 6.8.: Zur These “Aus Zeitungen werden Plattformen” passt ziemlich gut, dass Jeff Bezos die Washington Post kauft

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