#Berichterstattung

Unverblümt. Ein Fall von Journalismus-Verweigerung

von , 6.10.13

Im südlichen Hamburger Umland gibt es keine richtige Tageszeitung. Und auch kein befriedigendes Online-Angebot. Informationspolitisch ist dieser Teil Nordniedersachsens ein weißer Fleck wie Zentralafrika im frühen 19. Jahrhundert. Weder das Hamburger Abendblatt noch die Lüneburger Landeszeitung noch der Winsener Anzeiger decken das Gebiet so umfassend ab, dass man als Einwohner gerne eine Lokalzeitung abonnieren möchte.

Stattdessen gibt es das Wochenblatt. Das ist ein Anzeigenblättchen, das mit seinen verschiedenen Lokalausgaben nach eigenen Angaben etwa 400.000 Haushalte erreicht. Das Wochenblatt, das mittwochs und samstags erscheint, verfügt in weiten Landstrichen über das lokale Informationsmonopol. Was nicht im Wochenblatt steht, steht meist auch nirgendwo anders.

In diesem Jahr nun fanden in Wilhelmsburg, einem südlichen Hamburger Stadtteil, der zusammen mit der Hafencity das neue Schaufenster der „Elbmetropole“ bilden soll, zwei Großereignisse statt: die Internationale Bauausstellung und die Internationale Gartenschau. Von Letzterer erfuhr man allerdings wenig, und so wurde die Gartenschau, die Mitte Oktober ihre Pforten schließt, laut Wochenblatt ein „Mega-Flop“. Statt der erhofften zweieinhalb Millionen Besucher kamen nur eine Million.

Der Chefredakteur des Wochenblatts, Reinhard Schrader, nennt einen einleuchtenden Grund dafür: das aus seiner Sicht verfehlte Werbekonzept. Um seine Meinung zu belegen, zitiert Schrader den Geschäftsführer des eigenen Verlags:
 

„Wir haben uns als Werbepartner angeboten, sind aber überheblich abgebügelt worden“.

 
Dann fügt der Chefredakteur seiner Analyse noch einen bemerkenswerten Satz hinzu:
 

„Die Wochenblatt-Gruppe, die mit ihren Zeitungen 400.000 Haushalte pro Woche zwischen Winsen und Stade erreicht und inzwischen über ein stark frequentiertes Online-Portal verfügt, verzichtete daraufhin auf jede Berichterstattung über die Gartenschau. Wie sagte es Henry Ford: ‚Wer nicht wirbt, stirbt’.“

 
Das also ist das Geschäftsmodell des realen Journalismus im Hamburger Umland. Wer als Veranstalter nicht bereit ist, “Werbepartner” zu werden, über den wird nicht berichtet. Berichterstattung ergibt sich nicht etwa aus der journalistischen Chronistenpflicht, sie ist Ausdruck eines Gegengeschäfts. Beim nächsten Mal trifft es vielleicht die örtliche CDU, ein internationales Reitturnier oder einen Stromversorger. Und weil man als Monopolist eine Macht ist in der Region, müssen solche Geschäfte auch gar nicht in irgendwelchen Hinterzimmern besprochen werden, nein, der Chefredakteur schreibt darüber ganz offen und unverblümt in der eigenen Zeitung.

 

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