#Journalismus

Österreichs Journalisten: Sie ticken anders

von , 5.3.09


Wenn es darum geht, die politische Tagesordnung zu beeinflussen, sich für Benachteiligte in der Bevölkerung einzusetzen oder Kritik an Missständen zu üben, ticken Österreichs Journalistinnen und Journalisten ganz anders als ihre deutschen Kollegen. Das jedenfalls hat eine repräsentative Umfrage unter 500 österreichischen Journalisten ergeben, die der Medienwissenschaftler Andy Kaltenbrunner und sein Forscherteam durchgeführt haben. Ihrem „Journalisten-Report II“ zufolge möchten 31 Prozent der österreichischen Journalisten Einfluss auf die Politik-Agenda nehmen, 60 Prozent halten es für wichtig, Unterprivilegierten zu helfen – das sind jeweils mehr als doppelt so viele wie in der Studie aus Deutschland von 2006, die zum Vergleich herangezogen wird. Nicht ganz so groß ist der Abstand, wenn es um die Kritik an Missständen geht: 75 Prozent der österreichischen Kollegen möchten sich hier engagieren, dagegen nur 58 Prozent aus Deutschland.

Diese Zahlen zu bewerten, ist gar nicht so einfach. Unstrittig dürften sie belegen, dass das angelsächsische Verständnis der Berufsrolle in Deutschland deutlich stärker verbreitet ist als in Österreich. Aber dann beginnt der Eiertanz der Autoren: Einerseits scheine „diese Zustimmung zu kritisch-analytischem Journalismus auf den ersten Blick erfreulich und demokratiepolitisch wünschenswert“. Andererseits gälte es, Missverständnisse aufzuklären: „Auch die spezifisch österreichische Form des populistischen Meinungs- und Kampagnenjournalismus“ präsentiere sich gerne „im Gewand der kritischen Aufklärung“.

Immerhin, hohe Übereinstimmung zwischen den österreichischen und den deutschen Journalisten gibt es beim Ziel, das Publikum möglichst neutral und präzise zu informieren. In Österreich wollen das 92 Prozent, in Deutschland 89 Prozent der Befragten. Wie diese hohen Prozentwerte mit den anderen Befragungsdaten in Einklang zu bringen sind, das allerdings bleibt die ungeklärte Gretchenfrage, die an Österreichs Journalisten zu richten wäre. Von außen betrachtet, zeigen solche Befragungsergebnisse immerhin, wie vielfältig Europas Journalismus-Kulturen selbst innerhalb eines Sprachraums sind. Und diese Vielfalt sollten wir wohl auch in ihrer Widersprüchlichkeit als etwas Kostbares begreifen – eine Bereicherung, die Europa stärkt.

Quelle: Andy Kaltenbrunner/Matthias Karmasin/Daniela Kraus/Astrid Zimmermann: Der Journalisten-Report  II. Österreichs Medienmacher und ihre Motive. Eine repräsentative Befragung. Wien: Facultas Verlag, 2008

Stefan Russ-Mohl ist Kolumnist der österreichischen Wochenzeitung “Die Furche”, in der in ähnlicher Form auch dieser Text erschien.

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