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Rotrot oder Tod? Die Hessenwahl als Vorzeichen

von , 19.1.09

Und das sind die Fakten: 31,6 Prozent der Wahlberechtigten reichten der Formation Schwarz-Gelb in Hessen für eine komfortable absolute Mehrheit (die CDU erzielte 22 Prozent, die FDP 9,6 Prozent). In manchen städtischen Wahlkreisen rangiert die SPD bereits hinter Nichtwählern, CDU, FDP und Grünen auf Platz 5. Resignierter kann eine Linke in einer Weltwirtschaftskrise kaum sein.

Aber selbst das staatliche „Krisenmanagement“ der tapferen SPD-Minister in Berlin bringt keine Stimmen. In den fünf wichtigsten Bundesländern – in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachen und Hessen regiert nun der schwarz-gelbe Block. Und die Lautsprecher in den Leitmedien fordern schon ein Konjunkturpaket III: eine Abwrackprämie für die große Koalition: Die SPD soll endlich gehen.

Aber wohin?

Nach dem Aufstieg der Linkspartei (die in Hessen erstmals nicht mehr von den Verlusten der SPD profitieren konnte) und der Höllenfahrt der SPD (dem Abgang von fünf SPD-Vorsitzenden binnen fünf Jahren, der Halbierung der Mitgliederzahl, dem drohenden Verlust des Volkspartei-Status und einer massenmedial erzeugten Rot-Rot-Hysterie) stellt sich die Frage nach der Zukunft der beiden Sozialdemokratien neu.

SPD & Linke – die ungleichen Zwillinge – müssen sich mit der Existenz des jeweils anderen leidenschaftlicher und kenntnisreicher auseinandersetzen als bisher. Sie müssen sich zueinander verhalten. Ohne Berührungsangst. Und ohne Angst vor Medienschelte.

Aber wie soll dieser Umgang aussehen? Werden sich die beiden Parteien nun bis aufs Messer bekämpfen? Werden sie in irgendeiner Form kooperieren? Oder werden sie am Ende gar fusionieren?

Drei Szenarien sind denkbar:

Szenario 1: SPD und Linke versuchen, sich gegenseitig zu spalten mit dem Ziel, dass entweder ein maßgeblicher Teil der Linken reumütig zur SPD zurückkehrt oder ein gewichtiger Teil der SPD frustriert ins Nichtengagement oder zur Linken abwandert (Modell feindliche Übernahme).

Szenario 2: Beide Parteien stecken ihr Terrain und ihr Wählerpotential neu ab und kooperieren nach pragmatischen Gesichtspunkten. Das kann in ein Koalitionsmodell münden wie in Berlin oder in ein Tolerierungsmodell wie in Sachsen-Anhalt. Auch ein brüderlich-schwesterliches Kooperationsmodell nach dem Vorbild von CDU und CSU wäre denkbar – mit der Linken in der Paraderolle einer Ost-CSU.

Szenario 3: Beide Parteien re-formieren sich, arbeiten schonungslos ihre gemeinsame & getrennte Geschichte auf und beenden die hundertjährige Spaltung der „Arbeiterbewegung“ mit einem feierlichen Wiedervereinigungsparteitag im Jahr 2017.

Die Macht der Gewohnheit spricht für einen emotional geprägten, historisch begründeten Konkurrenzkampf mit harten Bandagen. Jede Seite wird „die wahre Linke“ für sich reklamieren und das Erbe beanspruchen (Option 1). Die strategische Vernunft und der Selbsterhaltungstrieb gebieten ein pragmatisches Kooperationsmodell nach dem Vorbild der Union (Option 2). Das Herz aber, das bekanntlich links schlägt, verlangt nach einem nationalen Konvent, auf dem alle Delegierten gemeinsam singen: „Wann wir schreiten Seit’ an Seit’“ (Option 3).

Jede der drei Optionen hat Anhänger in beiden Parteien. Die linken Antikapitalisten und der Seeheimer Kreis stehen für Option 1, die mittlere Funktionärsschicht der SPD und die Reform-Linken plädieren für Option 2, die Gefühlssozialisten und die Langzeitstrategen favorisieren Option 3.

Aber kann aus den Zerfallsprozessen zweier alter & altmodischer Parteien (SED & SPD) wirklich etwas Neues entstehen? Verweist die Rotation der immer gleichen alten Männer an der Spitze der beiden „Arbeiterparteien“ (bei der SPD von Müntefering zu Müntefering, bei den Linken von Bisky zu Bisky) nicht auf das Ende einer Epoche? Erleben wir den gemeinsamen Untergang zweier Altparteien, die sich im Todeskampf aneinander klammern, um nicht zu ertrinken?

Ergänzung 25. 01. 09: Jutta Roitsch hat eine sehr lesenswerte Analyse zu den machtpolitischen Hintergründen des Falls Ypsilanti veröffentlicht: Furcht vor einem Politikwechsel.

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