#Drei-Stufen-Test

Rauchbomben und Nebelkerzen im Drei-Stufen-Test

von , 21.10.09

Die Online-Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durchlaufen momentan die sog. Drei-Stufen-Tests. In diesem Rahmen sind unter anderem die marktlichen Auswirkungen der bestehenden und geplanten Angebote zu ermitteln. Das soll mit Hilfe ökonomischer Gutachten geschehen (siehe dazu auch den Beitrag von Robin Meyer-Lucht hier).

Im Auftrag des VPRT haben der Kollege Ralf Dewenter (TU Ilmenau) und ich Ende Juli ein konzeptionelles Gutachten erstellt, das nicht ein bestimmtes Online-Angebot evaluiert, sondern die Vor- und Nachteile verschiedener Methoden analysiert und Vorschläge für eine ökonomisch fundierte Vorgehensweise unterbreitet. Dabei haben wir auch die signifikanten Schwächen der bis dahin vorliegenden Gutachten offen gelegt. Insbesondere die beiden Gutachten der Unternehmensberatung EE&MC (in Sachen kika.plus und www.kikaninchen.de) sind handwerklich und methodisch mit zahlreichen Schwächen behaftet. Die beiden Autoren der Gutachten, Dr. Dr. Doris Hildebrand und Dr. Ulf Böge, haben am 7. Oktober 2009 in den epd medien auf diese Kritik geantwortet.

Die Antwort der beiden Autoren geht strategisch so vor, unser Gutachten, die europäische Praxis der Beihilfekontrolle, die Vorgehensweise der britischen Ofcom (die in UK die Market Impact Assessments im Rahmen der Public Value Tests durchführt) sowie die Rechtsprechung falsch darzustellen, vielleicht um Rundfunkräte durch Rauchbomben und Nebelkerzen zu verunsichern. Nun sind Hildebrand und Böge keine Wissenschaftler, die sich an die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis halten müssen (hier bei DFG, hier bei der Alexander-von-Humboldt-Stiftung). Von diesen sind die Gutachten als auch der jüngste Beitrag in den epd medien auch meilenweit entfernt. Aber vielleicht sollte man die Einlassung auch als Versuch einer Glosse oder Satire werten? Worum also geht es?

Ihre Kritik zu unserem Gutachten beginnen Hildebrand und Böge wie folgt: “In einem für den VPRT erstellten Gutachten lehnen die Wissenschaftler Dewenter/Haucap die oben skizzierte, für Wettbewerbsfragen weltweit übliche Methode der Marktabgrenzung für Beihilfeverfahren ab und empfehlen Folgendes: Erst wenn es kein privates Angebot im Internet gibt oder geben könnte, dürften die öffentlich-rechtlichen Anstalten ein Online-Angebot zur Verfügung stellen. Ein solches Angebot im Internet sei auch nur dann zu rechtfertigen, wenn damit demokratische, soziale oder kulturelle Ziele erreicht werden könnten.”

Dies ist erstens falsch und zweitens irreführend: Zum einen wird unser Gutachten völlig falsch dargestellt – wir legen sehr ausführlich dar, dass ein öffentlich-rechtliches Online-Angebot auch dann sinnvoll sein kann, wenn es schon private Angebote gibt, nämlich zur Vielfaltssicherung. Dann schlagen wir vor, sich an den Kriterien “Gefahren verzerrter Darstellung durch private/Verifizierbarkeit der Inhalte” einerseits und “gesellschaftspolitische Relevanz” der Inhalte andererseits zu orientieren. Darüber hinaus argumentieren wir auch, dass öffentlich-rechtliche Angebote erst recht ziemlich unproblematisch sind, wenn es kein privates Angebot in dem Bereich gibt oder geplant ist. Dies ist aber, wie wir ausführlichst erklären, nur eine von zwei möglichen Begründungen für ein öffentlich-rechtliches Angebot. Vielfaltssicherung ist eben die zweite Möglichkeit der Legitimation. Wer lesen kann, ist somit im Vorteil. Hier wird also unser Gutachten – wie ich denke, mit Absicht – falsch dargestellt, denn so lässt es sich natürlich leicht angreifen. Weiter bringt das die Debatte nicht.

Zum anderen ist es irreführend von einer “weltweit üblichen Methode der Marktabgrenzung” zu sprechen. Erstens ist die von Hildebrand und Böge benutzte Methode (der sog. Hypothetische-Monopolisten-Test) ledigliche eine Methode der Marktabgrenzung und auch keineswegs die weiter vebreitete. In Deutschland z.B. ist sie durch das Bundeskartellamt, dessen Präsident Böge lange war, bisher kaum benutzt worden. Auch in der Praxis der europäischen Beihilfenkontrolle hat die Methode bisher – anders als Hildebrand und Böge suggerieren – so gut wie keine Rolle gespielt. Überhaupt spielt die Marktabgrenzung in der europäischen Beihilfenkontrolle – ganz egal nach welcher Methode – sowohl bisher als auch nach den Plänen für die Neuausrichtung kaum eine Rolle. Genau das haben wir auch in der Monopolkommission kritisiert. Nicht plädiert haben wir jedoch dafür, blind bestimmte Testverfahren falsch anzuwenden. Dennn zweitens muss der Test, wenn er schon verwendet wird, korrekt angewendet werden und eben nicht falsch, wie in den beiden o.g. Gutachten der beiden Autoren.

Die britische Ofcom verzichtet daher aufgrund der zahlreichen, wohl bekannten Probleme und Schwierigkeiten auf eine solche kartellrechtliche Marktabgrenzung in ihren Market Impact Assessments und schlägt einen anderen Weg ein, um die marktlichen Auswirkungen von BBC-Angeboten zu ermitteln. Darauf haben wir auch in unserem Gutachten hingewiesen. Das Vorgehen der Ofcom ist vernünftig und durchdacht. Hildebrand und Böge ignorieren diese Tatsache und behaupten wie trotzige Kinder das Gegenteil. Sie schreiben: “Dewenter/Haucap weisen zur Untermauerung ihrer Position im VPRT-Gutachten auf die OFCOM hin. Die OFCOM – so Dewenter/Haucap – soll sich gegen die Verwendung kartellrechtlicher Marktdefinitionsverfahren ausgesprochen haben. Die Behörde habe sich entschieden, ‘auf eine kartellrechtliche Marktabgrenzung ganz zu verzichten’ (Seiten 38 und 63 VPRT-Gutachten). Diese Aussage ist falsch.”

Nun ja, die Ofcom selbst aber schreibt 2006 in ihrem Market Impact Assessment zu BBC New On-Demand Proposal: “It is important first to clarify a methodological point. This analysis is not a competition law market definition exercise. Our focus is on assessing the impact of the BBC’s on-demand proposals on services in a range of related markets, and not on defining markets for the purpose of assessing dominance.“ (Tz 2.34) Und nachdem die Ofcom die Probleme einer kartellrechtlichen Marktabgrenzung ausführlich dargestellt hat, noch einmal: “Taken together, these differences suggest that we are not engaged in a market definition exercise as understood in competition law. Rather, we are seeking to identify the set of materially impacted services.“ (Tz 2.36). Im Ofcom-Papier zur Methodology for Market Impact Assessments of BBC Services steht noch einmal: “It should be noted that this analysis is not a competition law market definition exercise. Our focus is on assessing the impact of the BBC’s proposals on services in a range of related markets, and not on defining markets for the purpose of assessing dominance.” Jeder kann das in den Dokumenten im Internet nachlesen.

Wie soll ich verstehen, was die Ofcom hier schreibt? Ich würde sagen, hier steht: Wir machen nicht einfach eine kartellrechtliche Marktabgrenzung. Hildebrand und Böge hingegen sagen: Doch, die Ofcom macht natürlich nichts Anderes als eine kartellrechtliche Marktabgrenzung. Wörtlich schreiben sie: “Dewenter/Haucap sehen in dieser Vorgehensweise eine neue OFCOM-Methode und eine Ablehnung der kartellechtlichen Methode. Diese Analyse ist sachlich falsch.” Was soll ich dazu sagen? Vielleicht: Wer kann besser Englisch? Was steht da oben jetzt? “Wir machen eine kartellrechtliche Marktabgrenzung” oder “Wir machen keine kartellrechtliche Marktabgrenzung”? Wie deutlich kann die Ofcom das noch schreiben? Ich empfehle dann vielleicht doch den Besuch eines Englisch-Kurses…..

Es kommt dann noch allerlei Quatsch darüber, das Gerichte unsere Prüfmethode ablehnen würden (völlig unsubstanziiert), während Hildebrand und Böge suggerieren, ihre Methode entspräche einem akzeptierten Vorgehen, das auch die EU-Kommission in Beihilfenverfahren benutze. Ich kann nicht jedes Detail ausarbeiten, aber auch das ist völlig falsch und ähnlich “gut” argumentiert wie die obigen Punkte.

Wenn die Qualität der anderen Gutachten ähnlich sein sollte, wird der ganze Drei-Stufen-Test zu einer Farce, der die Gebührenzahler sehr viel Geld kostet, aber rein gar nichts bringen wird. Auf diesem Niveau fällt es mir noch schwer zu diskutieren – vielleicht, weil ich mich zu oft an Universitäten aufhalte und akademische Mindeststandards gewöhnt bin. Da kann ich sicherlich noch dazu lernen. Ist vielleicht auch etwas….

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