#Außenpolitik

Obamas blassrote Linie

von , 15.6.13

Es gibt Nachrichten, die einen elektrisieren. Man liest sie und weiß: Da lügt jemand. Gleichzeitig fragt man sich: Warum?

Es war diese Nachricht, dass die USA jetzt “unmissverständliche Beweise” für Assads Giftgasangriffe gegen die Rebellen in Syrien haben. Die USA würden nun hier die rote Linie ziehen und sich überlegen, wie sie eingreifen.

Ich hatte augenblicklich die Assoziation der “Weapons of Mass Destruction” des Saddam-Regimes. Die Giftgas-Geschichte ist von ähnlicher Qualität, was die Glaubwürdigkeit angeht. Die russische Regierung, denen die Amerikaner die Beweise vorgelegt haben, zeigen sich ebensowenig überzeugt.

Eins vorweg: Der Einsatz von Sarin im Bürgerkriegsland Syrien ist bereits seit geraumer Zeit im Gespräch. Im einem Artikel vom 05. Juni 2013 schreibt die taz darüber. Das ist 11 Tage her. In der heutigen Zeit eine Ewigkeit.

Bislang sind nur Rebellen in der Türkei mit Sarin-Containern aufgegriffen worden, die offenbar dort für Bomben verwendet werden sollten. Von der syrischen Armee kam lediglich die Nachricht, dass sie Giftgas-Container erbeutet haben. Doch wenn sie mit Giftgas angreifen, sollten sie eigentlich über entsprechende Vorräte verfügen und nicht auf Beute angewiesen sein.

Warum wird also ausgerechnet jetzt die Giftgas-Karte gezogen und das Ganze Assad in die Schuhe geschoben? Die Lage in dem vom Bürgerkrieg erschütterten Land hat sich in den letzten Tagen nicht wirklich verändert. An dieser Stelle möchte ich Fefe danken, der das fehlende Puzzleteil geliefert hat: Die Metapher vom dreiköpfigen Hund. [Update: Wolfgang Michal hatte es schon vorher getwittert.]

Damit bekommt die Geschichte auch Sinn. Obama steht, entgegen jeder selbstbewußten Äußerung (nicht nur) wegen des Prism-Programms buchstäblich mit dem Rücken zur Wand. Gute alte amerikanische Außendiplomatie ist es, in dem Moment, wo es innenpolitisch eng wird, die Armee loszuschicken und von den eigenen Fehlern abzulenken. “Seht mal, ein dreiköpfiger Hund!”

Nun ist aber auch die amerikanische Armee nicht auf beliebig vielen Baustellen einsetzbar. Afghanistan, Irak; in Somalia die Piratenjagd, im Iran die Drohgebärden aufrecht erhalten – US-Armeen sind über eine große Fläche verteilt. Entsatztruppen müssen zurückgehalten werden, noch einen Kampfplatz können sich die Streitkräfte nicht leisten. Das wird deutlich, wenn man sich die Rhetorik Obamas genauer anhört.

Ja, er zieht eine “rote Linie” in Sachen Syrien. Ja, er “bestätigt” die Existenz “unmissverständlicher Beweise” über den Giftgas-Einsatz Assads. Aber darüber hinaus? Humanitäre Hilfe in Form von medizinischem Personal, Gasmasken und Waffen ist geleistet worden. Aber mehr auch nicht.

Weder wurde der UN-Sicherheitsrat einberufen, noch wurden auch nur Truppenteile in Bewegung gesetzt – es blieb bei der Pressekonferenz. Das ist tatsächlich untypisch. Auch hat sich Obama nicht konkret geäußert, welche Konsequenzen er sich jetzt in Syrien vorstellt.

Stellt er sich eine Flugverbotszone vor? Militärschläge wie in Libyen, um das Assad-Regime zu schwächen? Man weiß es nicht.

Barack Obama spielt hier gerade Poker. Die Beweise müssen vorgelegt werden. Einen Militärschlag allein aufgrund der Versicherung des US-Präsidenten, die Regierung habe Beweise, darf es nicht geben. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.

Ich bestreite dabei nicht den Einsatz des Giftgases. Doch angesichts der Tatsachen, dass sich die westlichen Staaten seit Wochen erfolglos bemühen, Assad die Giftgasangriffe unterzuschieben, und dass man zwar Giftgascontainer bei Bürgerkriegskombattanten gefunden habe, dies aber ausschließlich auf Seiten der Rebellen, bezweifle ich sehr wohl die Behauptung, dass Assad es war, der Giftgas eingesetzt hat.

 

Mein Fazit:

Barack Obama ist derzeit offenbar verzweifelt und versucht, mit dem dreiköpfigen Hund vom aktuellen Prism-Skandal abzulenken. Hinzu kommen der Bengasi-, der AP- und der IRS-Skandal, der zumindest für die Republikaner und insbesondere für die Tea Party noch nicht abgeschlossen ist.

Zudem handelt es sich bei den Rebellen um islamische Fundamentalisten – und ganz sicher wollen die Amerikaner nicht noch ein fundamentalislamisches Land im Nahen Osten, das sich bestenfalls als unsicherer Verbündeter und im schlimmsten Fall als neuer Feind erweisen würde.

Man zeigt also auf Bashar al-Assad, beschuldigt ihn, die Giftgas-Bomben geworfen zu haben und hat damit die Nachrichten erfolgreich für eine Weile von den eigenen Problemen abgelenkt, ohne weitere Konsequenzen ziehen zu müssen. Doch wenn Obama nicht liefern kann, wenn die Beweise nicht stichhaltig sind, ist die Glaubwürdigkeit der USA endgültig dahin.

Pokerspiele mit leerer Hand können für den Spieler schnell gefährlich werden.

 
Crosspost von Tante Jays Café

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