von Nina Galla, 8.1.13
Netzpolitik wird in Berlin gemacht, in den Ländern, in Brüssel und auf der ganzen Welt. Alle Parteien haben Netzpolitik als Querschnittsthema erkannt, wir haben mehrere (mehr oder weniger parteinahe) NGOs, die sich des Themas annehmen.
Und dennoch: Die meisten Bürger kriegen überhaupt nicht mit, was die Netzpolitiker machen. Und warum überhaupt. Die netzpolitischen Damoklesschwerter VDS, Videoüberwachung, LSR, Urheberrecht in sozialen Netzwerken und einige andere hängen derzeit unerkannt über den meisten Köpfen unserer Bevölkerung. Die GEZ-Regelungen werden nur vor dem Kostenhintergrund diskutiert – die damit verbundene Datensammlung, die die Piratenpartei ein “Schatten-Melderegister” nennt, ist vielen Menschen kaum bewusst.
Das Kommunikationsversagen der Nerds
Netzpolitik ist komplex. Technisch. Schnell. Jeden Tag gibt es etwas Neues am digitalen Himmel. In dem lauten Dschungel aus Netz & Politik kennen sich entsprechend nur wenige Menschen aus. Viele haben einen IT-Fachhintergrund. Das erleichtert ihnen den Zugang zu sperrigen technologischen Zusammenhängen. Die Einbettung der Themen in die Politik ist die zweite Hürde, die nur wenige zu nehmen wissen.
Sowohl Politik, als auch IT sind Bereiche, die sich kommunikativ gern hinter Mauern der Fachsprache in verschachtelten Bandwurmsätzen verstecken. Ihre Akteure nutzen Fachsprache als Abgrenzungsmerkmal. Von Politikern erwarten wir mittlerweile eher eine verständliche Wortwahl, von IT-Experten noch nicht. Die meisten von uns akzeptieren ihre Distinktion als Wissensvorsprung. IT-Experten bemühen sich kaum, sich verständlich auszudrücken. Weil sie es nicht müssen: sie werden ja so dringend gebraucht und für ihre Fachkenntnisse bewundert. Die netzpolitischen Sprecher bleiben so unter sich – und versagen.
Was in Unternehmen und Gesellschaft mit dem liebevollen Titel “Nerd” versehen wird, ist in der Politik gefährlich: Denn wenn die Bürger nicht verstehen, was Netzpolitik für sie bedeutet, können sie sich nicht dagegen wehren.
Netzpolitik braucht Allgemeinheit
Nach dem Erfolg gegen ACTA haben sich führende Persönlichkeiten und Gruppierungen der Netz-Community überheblich auf ihre eigenen Interessen zurückgezogen. Bündnisse? Nein, danke, vielleicht kommen meine Organisation oder ich ja zu kurz dabei. Daran unter anderem ist der Widerstand gegen das LSR gescheitert. Man hat sich trotz des gemeinsamen Ziels einfach nicht zusammengefunden, um als Phalanx geschlossen gegen wenige Befürworter aufzutreten.
Dabei müssen sich Netzpolitiker und Gesellschaft ergänzen: Der Bürgerprotest bleibt bis heute weitestgehend aus – es gibt nicht nur beim LSR zu viele Fragen, was das denn eigentlich für den Alltag bedeute; viel zu oft: “Was ist das denn, das habe ich ja noch nie gehört!?”
Um den Bürgern Netzpolitik nahezubringen, muss die Kommunikation dringend vereinfacht werden: durch den Verzicht auf Fachwörter, Beispiele aus dem Alltag, einfache Vergleiche, sprachliche Bilder, Visualisierungen. Die netzpolitische Kommunikation muss so einfach sein, dass wir sie unseren Eltern und Kindern so erklären können, dass die sie sofort verstehen. Wir brauchen die Bürger, um die Damoklesschwerter abzuhängen. Um sie zu gewinnen, müssen Netzpolitiker endlich lernen, ihre Sprache zu sprechen.
Crosspost von Zentralprojektion