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Die Mailbox für Alles: Facebook will mehr als nur ein banaler E-Mail-Client sein

von , 16.11.10

Facebook kann jetzt auch E-Mail, auch wenn das neue Produkt kein dezidierter E-Mail-Client ist. Statt dessen versucht das neue Feature mehrere Messaging-Funktionen unter einen Hut zu bringen: E-Mail, Instant Messaging, SMS und das schon vorhandene Facebook-interne Messaging sollen sich nahtlos über eine Oberfläche verwalten lassen.

Der Anspruch, der dahinter steckt, ist nicht ohne Ambition: Egal mit wem und wie man kommunizieren möchte, als Facebook-User soll man dazu nur ein einziges Tool verwenden müssen. Funktioniert das in der Praxis wie versprochen, ließe sich damit die nicht unerhebliche Fragmentierung der verschiedenen digitalen Nachrichtentools und -systeme endlich (weitgehend) überwinden. Facebook könnte so seine User noch enger an sich binden und für sie zur vollumfänglichen Kommunikationsdrehscheibe werden.

Da spielt es dann auch keine Rolle, dass das neue Kind noch keinen richtigen Namen hat: Mark Zuckerberg sprach von der “Social Inbox“, Facebooks Blogartikel zum Event nur von “Messages”. Mehrfach betont wurde dagegen, dass es sich nicht um einen E-Mail-Client handelt und auf Nachfrage äußerte Mark Zuckerberg, dass man sich damit nicht in Konkurrenz zu Googles Gmail sieht.

Auf der technischen Ebene blieb unklar, wie das System entscheidet, über welchen Weg eine neu verfasste Nachricht an den Empfänger weitergeleitet wird. Der User soll einfach nur den Adressaten auswählen, den Text schreiben und ihn abschicken. Den Kanal zur Übermittlung bestimmt das System dann selbst, was nicht nur Technik-Freaks, sondern auch Datenschützer in erwartungsvolle Stimmung versetzen dürfte.

Für ältere Zeitgenossen mag das alles nicht besonders eindrucksvoll wirken. Für jüngere Menschen dagegen, die laufend SMS verschicken, chatten oder die Message-Funktion von Facebook nutzen und dabei teils über ihren PC, teils vom Mobiltelefon aus kommunizieren, kann die Bedeutung dieser Ankündigungen gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Denn hier wird nichts weniger als eine einheitliche Plattform in Aussicht gestellt, mit der sich Kommunikation stationär und mobil wie aus einem Guss ergeben dürfte.

Die Frage, ob sich über dieses System auch verbale Kommunikation (“Voice”) wird abwickeln lassen, beantwortete Mark Zuckerberg zurückhaltend: Erst einmal müssten die vorgestellten Möglichkeiten reibungslos funktionieren, bevor man an Erweiterungen denken könne. Mobilfunk-Provider bzw. Unternehmen der Telekommunikationsbranche generell werden das mit Schaudern zur Kenntnis genommen haben. Denn hier deutet sich an, dass die Zeit der säuberlich getrennten Kanäle zu Ende geht und am Ende intelligente Clients wie das neue Messaging von Facebook alles in sich vereinen werden. Spezielle Funktionen für Telefonie, SMS oder Chats, die separat bepreist und abgerechnet werden können, gehen damit ihrem Ende entgegen.

Gänzlich übergangen wurde beim Presse-Event die Tatsache, dass künftig Microsofts Office Dokumente als Anhänge zu den neuen Messages mitgeschickt werden können. Gut möglich, dass Mark Zuckerberg das in seiner offensichtlichen Aufregung einfach vergessen hat. Denkbar ist aber auch, dass er diesem Feature keine große Bedeutung beimisst und es deshalb nicht erwähnt hat. Während für Microsoft eine Welt ohne Office Dokumente kaum vorstellbar sein dürfte, könnte für Mark Zuckerberg die Zukunft anders aussehen: Warum umständlich Anhänge verschicken, wenn man Inhalte viel einfacher per Link zugänglich machen kann?

Es bleibt also spannend, nicht zuletzt weil das Rollout für das neue Produkt eher langsam und über mehrere Monate verteilt erfolgen soll. Wer nicht so lange warten will, kann sich um eine Einladung bemühen.

Insgesamt könnte Facebook damit gelingen, was Google mit Wave versagt blieb: Einen großen Erfolg bei den Usern landen. Das neue Messaging wirkt als Konzept schlüssig und seine Bedienung könnte einfach, um nicht zu sagen, kinderleicht, sein. Google Wave war das genaue Gegenteil: Komplex und alles andere als selbsterklärend, ein Produkt von Technikern für Techniker.

Facebook zeigt damit, dass man die Bedürfnisse seiner User kennt und versucht, praktische Lösungen dafür zu entwickeln. Zugleich schafft sich Mark Zuckerberg damit eine neue Differenzierung am Markt und einen Wettbewerbsvorsprung. Gut gemacht! Jetzt muss das neue Messaging samt Social Inbox nur noch in der Praxis auch so funktionieren, wie es angekündigt wurde.

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