von Daniel Drepper, 20.9.13
Recherche ist Handwerk. Das ist der beste Leitspruch, der mir je mit auf den Weg gegeben wurde. Und nichts illustriert diesen Spruch so gut wie die journalistischen Auskunftsrechte. Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) und der Auskunftsanspruch der Presse sollten Werkzeug sein für jeden Journalisten, Schraubenschlüssel und Kettensäge jedes Rechercheurs. Sie sind mit die wichtigsten Dinge, die junge Journalisten lernen können. Mir haben sie extrem geholfen. Deshalb habe ich in meiner Diplomarbeit beschrieben, wie Journalisten mit ihrer Hilfe am besten an Dokumente kommen.
Ich habe zu den Olympischen Spielen 2012 in London gemeinsam mit Niklas Schenck Akten zur deutschen Sportförderung beantragt. Wir haben einen Antrag auf Akteneinsicht nach dem IFG gestellt und später mit Hilfe des Auskunftsanspruchs der Presse auch gegen das Ministerium geklagt. Dadurch haben wir die unrealistisch hohen Medaillenvorgaben des deutschen Sports und ein intransparentes Fördersystem aufgedeckt.
Aktuell gehen wir gegen die hohen Kosten von fast 15.000 Euro und die vielen Schwärzungen des Ministeriums juristisch vor. Dabei haben wir viel über die Anwendung der Auskunftsrechte und deren Probleme gelernt. Diese Recherche findet sich als Fallstudie in meiner Diplomarbeit wieder.
Experten, weitere Auskunftsrechte, umfangreicher Anhang
Dazu habe ich mit drei Experten gesprochen. Wilhelm Mecklenburg ist als Anwalt unter anderem auf das IFG spezialisiert. Mecklenburg vertritt uns auf Kosten des Deutschen Journalisten-Verbandes (Danke dafür!) auch im Kostenstreit mit dem Bundesinnenministerium. Als Journalisten habe ich Manfred Redelfs und David Schraven ausgewählt. Redelfs gilt in Deutschland als Vater des IFG und leitet die Recherche-Abteilung von Greenpeace. Schraven ist einer der erfahrensten IFG-Journalisten Deutchlands und war im Investigativ-Ressort der WAZ fast drei Jahre lang mein Kollege.
Ich habe in meiner Arbeit zahlreiche weitere Auskunftsrechte beschrieben, einige presserechtliche Grundlagen und natürlich etwas zur Historie des IFG in Deutschland. Dazu veröffentliche ich einen umfangreichen Anhang. Darin finden sich unsere Anträge auf Akteneinsicht an das Ministerium, ein Beispielbescheid der Beamten sowie unsere wichtigsten Klageschriften an die Gerichte in Berlin.
Der Titel meiner Diplomarbeit lautet: “Schwarz auf weiß – Wie Journalisten mit dem Infomationsfreiheitsgesetz Originaldokumente beantragen und was der Gesetzgeber bei einer Novelle beachten sollte. Eine Fallstudie mit Experteninterviews.”
Wie könnte ein neues Gesetz aussehen?
Die Diskussion um die Auskunftsrechte ist aktueller denn je: Nachdem das Bundesverwaltungsgericht zuletzt erklärt hatte, dass Bundesbehörden keine Auskünfte nach den Pressegesetzen der Länder erteilen müssen, ist eine Lücke für alle recherchierenden Journalisten entstanden. Der DJV fordert ein neues Pressegesetz. Vor allem, da vergangene Woche in Berlin ein Gericht geurteilt hatte, derzeit gebe es nur einen “Minimalstandard” an Auskunftsrechten gegen Bundesbehörden. Das ist ein krasser Einschnitt in die Pressefreiheit, die nicht nur das Publizieren, sondern auch das Sammeln von Informationen schützt.
In meiner Arbeit gehe ich darauf ein, wie ein neues Gesetz aussehen könnte. Ich halte ein umfassendes Akteneinsichtsrecht für Journalisten innerhalb des presserechtlichen Auskunftsanspruches für eine sehr gute Lösung. Mehr dazu unter anderem auf den Seiten 117 bis 120. Vor allem befasst sich meine Arbeit aber mit der Frage: Wie nutze ich als Journalist die aktuelle Situation am besten zu meinen Gunsten? Deshalb habe ich mich in meiner Kurz-Zusammenfassung (siehe unten) auch darauf konzentriert.
Arbeit steht frei zur Verfügung
Ich hätte mein Diplom sicher auch als kostenpflichtiges Buch oder eBook publizieren können. Ich finde aber, dass das Thema wichtig ist. Möglichst viele Leute sollten diese Arbeit lesen (zumindest die entscheidenden Stellen) und sich mit ihren Auskunftsrechten auseinandersetzen. Wenn ich irgendwann ein richtiges Buch schreibe oder aus anderen Gründen zum Crowdfunding aufrufe, freue ich mich umso mehr über Unterstützung.
Folgt mir gerne auf Twitter und Facebook oder abonniert den RSS-Feed dieser Seite. Ich studiere derzeit für ein Jahr in New York Investigativ- und Datenjournalismus an der Columbia University und melde mich vor allem in den sozialen Medien immer wieder mit Eindrücken von dort.
Die Kurz-Zusammenfassung meiner Arbeit
Journalisten, die mit Hilfe ihrer Auskunftsrechte an Originaldokumente kommen wollen, sollten sich mit den ihnen zur Verfügung stehenden Rechten gut auskennen und diese flexibel anwenden können. Die Kontaktaufnahme sollte zunächst informell und freundlich sein, um die Behörde nicht unnötig gegen sich aufzubringen. Zudem sollten Journalisten zu Beginn abfragen, ob die benötigten Informationen überhaupt vorhanden sind, das kann zur Not auch mit einer Anfrage nach dem Presserecht geschehen: Informationen über Informationen können kaum abgelehnt werden. Vor einer Anfrage nach dem IFG kann man der Behörde noch einmal deutlich machen, dass sich dadurch der Aufwand für beide Seiten erhöht – vielleicht geht die Behörde dann doch noch ohne Antrag auf den Begehr des Journalisten ein.
Bei einer offiziellen, schriftlichen Anfrage sollten sich Journalisten schließlich genau überlegen, auf welche Informationsrechte sie sich berufen und sich zur Not auf IFG, UIG, VIG und das Presserecht gleichzeitig beziehen. Bis zu einer Gesetzesnovelle ist es für Journalisten aufgrund der strengeren Verfahrensregeln sinnvoll, sich wenn möglich auf das UIG zu beziehen.
Anfragen sollten grundsätzlich nicht zu global gestellt werden: Je allgemeiner die Anfrage, desto größer ist die Gefahr, dass Ausnahmeregeln eine Herausgabe verhindern. Andererseits sollte die Anfrage auch nicht zu kleinteilig sein, damit die Behörde den Antrag nicht auf viele kleine Anfragen aufteilt und die Kosten dadurch steigen.
Wenn eine Behörde den Informationszugang nach einem Antrag ablehnt, sollten Journalisten die Beamten bitten, detailliert zu begründen, was gegen den Zugang spricht. In einigen Fällen kann man eventuell auf Bestandteile der Informationen verzichten, um die Argumente der Behörde zu entkräften und zumindest den Rest der Dokumente zu bekommen. Zudem sollte man den Aufwand der Behörde so niedrig wie möglich halten. So kann man in manchen Fällen auf Kopien verzichten und stattdessen nur Einsicht in die Akten nehmen, um dann vor Ort selbst Kopien anzufertigen. Bei Konflikten sollten Journalisten zudem den Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit einschalten, der manchmal eine Behörde zur Einsicht bringen kann.
Journalisten sollten zudem immer prüfen, ob sie die Informationen auch auf anderem Weg bekommen können. Wenn Journalisten genau wissen, welche Informationen sie bekommen wollen, können sie auch auf das Presserecht ausweichen, so, wie in der Fallstudie dieser Arbeit geschehen. Die Rechtsprechung für das Presserecht ist deutlich umfangreicher und schärfer, zudem sind beispielsweise Eilverfahren vor den Verwaltungsgerichten möglich.
Grundsätzlich sollten Journalisten überlegen, ob sie ihre Informationen auch über andere Einsichtsrechte bekommen können, zum Beispiel aus dem Grundbuch oder aus öffentlichen Datenbanken (zum Beispiel für Ausschreibungen). Journalisten sollten zudem im Blick haben, dass sie auch die speziellen Einsichtsrechte anderer Berufsgruppen für sich nutzen können, etwa die Einsichtsrechte von Beamten, Regierungsmitgliedern oder Anwälten. Solch ein Vorgehen muss allerdings mit derselben Vorsicht betrieben werden, wie es im Umgang mit Quellen üblich ist. So müssen zum Beispiel die Motive der helfenden Personen im Auge behalten werden, um den Wert der oft nur teilweise durchgesteckten Informationen zu bewerten.
Meine Arbeit (131 Seiten)
Crosspost von Daniel Drepper. Links von der Redaktion ergänzt.
Siehe auch
- WAZ / DOSB: Innenminister betreibt Informationsverschleppung (10.08.2012)
- Informationsfreiheitsgesetz – Kostenfreiheit exklusive (06.09.2012)
- Montag im Innenausschuss: Keine weiteren Fragen zum Informationsfreiheitsgesetz? (21.09.2012)
- Netzwerk Recherche bringt eigenen Entwurf: “Akt zivilgesellschaftlicher Notwehr” (06.06.2013)
- Netzpolitik, André Meister: Informationsfreiheit hat noch viele Lücken und Probleme, muss ausgebaut werden