von Tabea Rößner, 17.3.11
Der Ruf der Verleger nach einem Leistungsschutzrecht war laut. Wie erfolgreich er war, werden wir im Gesetzesentwurf zum dritten Korb in den nächsten Wochen zu sehen bekommen.
Ich behaupte: ein Leistungsschutzrecht wäre medienpolitisch gesehen eine Fehlentscheidung. Ich plädiere daher für eine Verschiebung des Fokus auf die tatsächlichen Probleme von Verlegern und JournalistInnen und für eine ergebnisoffene Debatte über mögliche wirksamere Maßnahmen.
Warum? Die Presse hat seit gut zehn Jahren mit massiv sinkenden Abozahlen, Werbeeinbußen und Auflagenrückgang zu kämpfen. Von 1995 bis 2010 haben die Kaufzeitungen gut ein Drittel ihrer Auflage eingebüßt und die Abonnementzeitungen ein Fünftel, die Werbeeinnahmen sind ebenfalls um 30 Prozent gesunken.
Die Folge sind Zeitungs- und Redaktionseinstellungen, Lohnkostensenkungen, Entlassungen und vor allem deutlich spürbare Reorganisationen in Form von Zusammenlegungen, Kooperationen und Fusionen. Davon ist die gesamte Branche betroffen, die Verluste sind aber im Lokalen am größten.
Dort werden Titel eingestellt, erfolgreiche Alternativangebote wie beispielsweise der Heddesheimblog bleiben die Ausnahme. Viele – vor allem kleine Verlage, fürchten um ihre Existenz, Journalistinnen und Journalisten um ihr Auskommen. Einstellungen und Zusammenlegungen mögen im Einzelfall marginal und wenig spürbar sein, in der Summe jedoch schwindet die publizistische Vielfalt.
Ich stelle mir die Frage, wie wir damit medienpolitisch und gesellschaftlich umgehen wollen. Die Vielfalt unserer Medienlandschaft – und dazu zählten bislang vielfältige Presseangebote – war immer ein Gut, dessen wir uns in Deutschland gerühmt haben.
Ich will nicht leugnen, dass es im Netz eine schier unüberschaubare Vielfalt an Angeboten gibt. Die Frage ist allerdings: Ersetzen diese die bisherigen Angebote? Und vor allem: Rechnen sie sich? Können Journalistinnen und Journalisten davon leben?
Bislang ist mir kaum ein Online-Journalismus-Geschäftsmodell bekannt, dass schwarze Zahlen schreibt. Ein Leistungsschutzrecht als Antwort und Möglichkeit, Online-Geschäftsmodelle gegenzufinanzieren, überzeugt mich nicht.
Ich denke nicht, dass wir uns mit einer solchen Maßnahme dem annähern, was medienpolitisch unser eigentliches Ziel sein sollte und muss: nämlich dem Erhalt und der Förderung publizistischer Vielfalt.
Im Gegenteil: Es ist zu befürchten, dass ein Leistungsschutzrecht in der Hauptsache nur den großen Verlagen zugute käme und die Konzentrationstendenzen damit eher noch befördert würde. Abgesehen von den Unklarheiten (sind schon „Snippets“ geschützt und wie soll das gehen?) und möglichen Kollateralschäden im digitalen Raum (u. a. tausendfache Verfolgung unerlaubter Nutzung), ist auch die Frage offen, ob bzw. wie viel bei Journalistinnen und Journalisten von den geplanten Lizenz-Einnahmen ankäme.
Meiner Meinung nach verschleiert das Leistungsschutzrecht die eigentlichen Probleme nur und lenkt von einer differenzierten Auseinandersetzung und manch unangenehmer Frage ab. Ziehen wir diesen Schleier beiseite, müssen wir zunächst die Frage beantworten: Wie viel publizistische Vielfalt wollen wir? Und die unangenehme Frage stellen: Garantiert uns diese weiterhin alleine der Markt?
Wenn wir der Meinung sind: ja, dann ist die Diskussion an dieser Stelle beendet. Dann darf aber auch nicht nach einem Leistungsschutzrecht gerufen werden. Wenn wir die Frage mit einem: „vielleicht doch nicht“ beantworten, gilt es zunächst den aufsteigenden Flucht-Reflex vor einem Eingriff in die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Presse und dem Ekel vor dem Geruch nach Subvention zu unterdrücken.
Bislang wurde noch jeder Vorschlag, der von wissenschaftlicher wie politischer Seite auf dem Tisch lag, als Eingriff in die Unabhängigkeit der Presse und regulatorische Keule vehement abgelehnt. Hilfe durch Staat oder Politik? Nein danke. Subventionen und alles, was dem nahe kommt: ohnehin unerwünscht. Andere EU-Länder wie die Niederlande, Frankreich oder auch Österreich gehen anders damit um.
Anstatt nun aber nach einem Leistungsschutzrecht zu rufen, halte ich es für ehrlicher und sinnvoller, noch einmal öffentlich den Diskurs zu beginnen, welche Alternativen es gibt, die Vielfalt publizistischer Angebote in Presse off- wie online zu stärken. Dabei müssen jene Maßnahmen hinten angestellt werden, die eine Förderung nach dem Gießkannenprinzip bedeuten würden.
Damit fallen einige der uns aus den europäischen Nachbarländern bekannten Instrumente weg. Offen zu diskutieren wäre aber zum Beispiel, ob
- Stiftungen, die zum Teil über öffentliche Gelder oder Spenden finanziert würden und einzelne journalistische Projekte fördern (so sie der Vielfalt zugute kommen) eine Lösung sein könnten;
- eine staatlich unabhängige Stelle geschaffen werden sollte (im Medienbereich bekannte Modelle sind KEK, KEF und FFA), die Gelder für Online-Geschäftsideen vergibt, einzelne journalistische Projekte fördert oder notleidenden Verlagen mit Krediten aushilft;
- Verlage bei der Aus- und Weiterbildung von Journalistinnen und Journalisten unterstützt werden sollen;
- es noch andere Möglichkeiten gibt, die publizistische Vielfalt zu stärken und zu erhalten und die Finanzierbarkeit von Journalismus auch im Online-Zeitalter zu gewährleisten.
Ich habe mir vorgenommen, verschiedene Maßnahmen zu prüfen und mit den Betroffenen offen zu diskutieren. Möglicherweise kommt man am Ende dieses Diskurses zu dem Ergebnis, dass die regulativen Keulen zu groß wären und der freie Markt immer noch die bessere Alternative ist. Dann haben wir uns zumindest umfassend damit auseinandergesetzt.
Aber einfach nur blind einem Leistungsschutzrecht hinterherzulaufen, das Konzentrationstendenzen eher beschleunigt, halte ich für falsch. Ich freue mich auf eine anregende und ergebnisoffene Debatte!
Tabea Rößner ist medienpolitische Sprecherin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bundestag. Sie ist außerdem Mitglied im Ausschuss für Kultur & Medien, der Enquete-Kommission „Internet & digitale Gesellschaft“ sowie Obfrau im Unterausschuss „Neue Medien“ des Deutschen Bundestages. Bis 2009 arbeitete sie als freie Journalistin und Autorin, zuletzt als Schluss – & Planungsredakteurin (CvD) beim ZDF.