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“Konjunkturpaket II”: Halbherziger geht es kaum

von , 11.2.09

Am Freitag wird der Bundestag das Konjunkturpaket II beschließen, das wohl wichtigste Gesetz in diesem Jahr. Dank Internet ist es praktischerweise leicht verfügbar – und der genauere Blick lohnt sich, statt sich nur mit dem parteipolitischen Kleinklein aufzuhalten.

Am “Konjunkturpaket II” fällt zunächst einmal das Versagen der politischen Sprache auf. Der Name erinnert verdächtig an Harz IV. Das Wort “Paket” löst den Verdacht auf Sammelsurium aus. Das Anhängsel “II” scheint anzudeuten, dass  die “I” nicht viel taugte und die “III” möglicherweise nicht weit ist. Dabei heißt das Gesetz in Wirklichkeit “Pakt zur Beschäftigung und Stabilität in Deutschland zur Sicherung der Arbeitsplätze, Stärkung der Wachstumskräfte und Modernisierung des Landes”. Es gehört zum Vermittlungsdefizit der Regierungskoalition, a) keinen überzeugenden Namen gefunden zu haben und b) das Gesetz selbst ständig “Konjunkturpaket II” zu nennen. Die Unentschlossenheit des Gesetzes spiegelt sich so letztlich schon in der Bezeichnung wider.

Doch was steht konkret im Gesetz?

Da gibt es erstens ein Investitionsprogramm für Ausgaben in Bund, Ländern und Kommunen in Höhe von 14 Mrd. Euro. Viele Ökonomen, wie etwa auch Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, halten derartige Ausgabenprogramme grundsätzlich für besser geeignet, einen drastischen Abschwung abzufangen als Steuersenkungen (mehr etwa hier). Entscheidend ist jedoch, dass die Investitionen schnell, zeitlich begrenzt und dabei zugleich an gesellschaftlich wertvoller Stelle erfolgen. Wie genau Regierung und Kommunen dies im Falle der 14 Mrd. sicherstellen wollen, darüber seht zumindest im Gesetz wenig.

Zwischenfazit: Ein Ausgabenprogramm ist angesichts der Ausnahmesituation tendenziell richtig, aber zumindest im Gesetz noch sehr wage gefasst.

Zusätzlich wird die Bundesregierung die Automobilindustrie mit 1,5 Mrd. Euro für die “Abwrackprämie” (die ja eigentlich “Umweltprämie” heißt) und mit o,5 Mrd. Euro für Mobilitätsforschung unterstützen. Der Mittelstand bekommt 0,9 Mrd. Euro für ein zentrales Innovationsprogramm. Hier beginnen langsam die Kleckerbeträge und der Lobbyismus.

Den zweiten großen Block bilden Steuersenkungen, die konservative Parteien gerne in Konjunkturpakete hineinschreiben. Ab 2009 steigt der Grundfreibetrag der Einkommenssteuer um satte 170 Euro auf 7.834 Euro, der Eingangssteuersatz sinkt von 15 auf 14 Prozent, und die “Tarifeckwerte” steigen um 400 Euro. Anfang 2010 steigt der Grundfreibetrag  noch einmal um 170 Euro, auf dann 8004 Euro, und die Tarifeckwerte klettern um weitere 330 Euro.

Das  alles klingt nicht nach besonders viel? Stimmt. Im Jahr 2009 beträgt die Einkommenssteuererleichterung laut Gesetzesbegründung real lediglich 4,9 Mrd. Euro – also grob 61 Euro pro Bundesbürger. Das ist Absurdität Nummer 1. Und Absurdität Nummer 2 ist, dass sich die Steuererleichterungen im Jahre 2013  weiter auf 6,3 Mrd. Euro summieren sollen, wenn die Krise hoffentlich längst vorbei ist. Allein der gesunkene Ölpreis steigert die Inlandskaufkraft derzeit mit rund 2 Mrd. Euro pro Monat. Dagegen nimmt sich die Einkommenssteuersenkung der Bundesregierung nur noch niedlich aus. Zwischenfazit: Das konjunkturpolitisch umstrittene Mittel der Steuersenkung wird hier viel zu zögerlich und fälschlicherweise nicht zeitlich begrenzt eingesetzt.

Da Deutschland nicht so sehr Steuer-, sondern vor allem auch Abgabenstaat ist,  will die Bundesregierung gerade auch hier für Entlastung sorgen:
— Die gesetzliche Krankenversicherung erhält 2009 3,2 Mrd. und in den Jahren 2010 und 2011 jeweils 6,3 Mrd. Euro mehr Bundeszuschuss als ohnehin schon vorgesehen.
— Die Bundesagentur für Arbeit erhält 2009 1,5 Mrd. Euro und 2010 2,4 Mrd. Euro mehr Bundeszuschüsse, um den Beitragssatz der Arbeitslosenversicherung auf 2,8 Prozent zu halten und für eine Teilübernahme der Sozialabgaben beim Kurzarbeitergeld sowie Qualifizierungsmaßnahmen (etwa die Umschulung von Altenpflegern, ja, das ist Teil des “Konjunkturpakets”).

Diese Abgabensenkungen sind strukturpolitisch toxisch. Die Sozialsysteme entfernen sich immer weiter davon, sich selbst zu tragen und hängen am Steuertropf. Den Beitragszahlern bleiben die wahren Kosten der Systeme so verborgen. Das Konjunkturpaket wird so gerade für die sozialdemokratische Seite der Bundesregierung zur willkommenen Ausrede, die kränkelnden Sozialsysteme ein wenig “fit” zu spritzen.

Zwischenfazit: Das konjunkturpolitisch umstrittene Mittel der Abgabensenkungen scheint zumindest im Falle der Krankenversicherung vor allem darauf zu zielen, den Staatsanteil an den Sozialsystem unter den Deckmantel der Konjunkturpolitik zu erhöhen. Immerhin sind die zusätzlichen Ausgaben bei der Agentur für Arbeit befristet.

Zusätzlich bietet der Gesetzentwurf zwei konjunkturpolitisch zweifelsfrei unwirksame, aber sehr mildtätige Maßnahmen:
— Es gibt eine Einmalzahlung von 100 Euro für Kindergeldbezieher, was volle 6 Mio. Euro in die Volkswirtschaft pumpen soll (die Summe erscheint zu gering, steht aber so im Gesetzesentwurf).
— Die Regelsätze für Kinder in Harz IV-Haushalten werden leicht angehoben, was in diesem Jahr zu Mehrausgaben von 170 Mio. Euro und in den kommenden Jahren von 340 Mio. Euro führen wird.

Zwischenfazit: Wahlkampfklimbim.

Wenn man veranschlagt, dass es Bund und Ländern 2009 gelingen wird, etwa die Hälfte des geplanten Investitionsvolumens von 14 Mrd. Euro unters Volk zu bringen und dann die weiteren Ausgabenposten addiert, dann kommt man für das kritische Jahr 2009 auf ein Volumen von grob 20 Mrd. Euro. Für eine Volkswirtschaft mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund 2450 Mrd. Euro ist das nicht viel. Es kann den Nachfrageausfall nicht ausgleichen. Und wie bereits angedeutet: Der gesunkene Ölpreis dürfte mindestens einen ebenso großen Konjunktureffekt haben wie das Konjunkturpaket – nur dass der niedrigere Ölpreis auch noch sofort wirkt.

Dabei ist die Lage sehr, sehr ernst: Im November/Dezember lagen die Auftragseingänge der Industrie um 25,9 Prozent unter Vorjahresniveau. Das Zeit.de-Blog Herdentrieb hat errechnet, dass dies vom dritten zum vierten Quartal einen Rückgang von 49,6 Prozent bedeute. Dieter Wermuth schreibt weiter:

Überspitzt gesagt: Es sieht so aus, als ob es nichts mehr zu tun gäbe, niemand will mehr etwas kaufen, und niemand braucht daher zu arbeiten. … Ich habe den Eindruck, dass den Wirtschaftpolitikern und auch der Öffentlichkeit nicht klar ist, was für ein Tsunami da auf uns zurollt.

Zum Gegensteuern müsse die Mehrwertsteuer für mindestens drei Jahre gesenkt werden, so Wermuth.

Ganz sicher ist: Ein Konjunkturpaket III ist nicht mehr fern. Das Konjunkturpaket II steht für die Halbherzigkeit einer schwachen Regierung. Angela Merkel wird das Paket am Freitag gar nicht mehr verteidigen. Dafür schickt sie ihren neuen Super-Wirtschaftsminister ins Rennen.

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