#ACTA

King Kong gegen Godzilla

von , 29.2.12

In der Waffenindustrie gilt die zynische Regel: Je größer die Vernichtungskraft einer Waffe, desto harmloser ihr Name. Die Bombe für Hiroshima hieß deshalb „Little Boy“. Bei einschneidenden Gesetzen ist das so ähnlich.

SOPA, PIPA und ACTA klingen erst mal süß. Doch bei SOPA, PIPA und ACTA geht es um die profitabelste Zukunftsbranche der Welt. Nicht einmal die Auto-Industrie kann derart traumhafte Umsätze erreichen. Immaterielle (also digital gespeicherte) Güter und die mit ihnen verbundenen Nutzungsrechte sind die Goldgrube des 21. Jahrhunderts.

Nur deshalb wird der Kampf um die Vorherrschaft auf dem Weltmarkt mit derart harten Bandagen geführt. Nur deshalb werden Heerscharen von Lobbyisten eingesetzt, Regierungen erpresst, Geheimabkommen ausgearbeitet und drakonische Strafen angedroht.

 

Das letzte Aufbäumen der Inhalte-Industrie?

Die derzeit laufenden ‚Verhandlungen’ über ACTA, PIPA und SOPA zeigen, dass die alte Content-Industrie ihre Interessen und Reviere mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die aufstrebende Plattformindustrie verteidigen wird. Die Fronten sind unversöhnlich, trotz aller Gespräche hinter den Kulissen, trotz aller Vermittlungsversuche und Deeskalationsmaßnahmen. Am Ende des Kampfes wird es einen klaren Verlierer geben – oder eine Blutsbrüderschaft zwischen Godzilla und King Kong.

King Kong – das ist die Content-Industrie. Das ist Hollywood, das ist Walt Disney, Universal Music, News Corporation, Viacom, Sony, Bertelsmann, Springer etc.pp. Godzilla – das sind die Plattformbetreiber. Das sind Apple, Facebook, Google/YouTube, Ebay, Amazon usw.

King Kong lebt davon, dass die Menschen für die Nutzung der Inhalte bezahlen – und zwar jeder einzelne von ihnen. Godzilla lebt davon, dass die Menschen nach den Inhalten von King Kong Ausschau halten oder diese empfehlen bzw. verwenden. Ob sie dafür bezahlen, interessiert Godzilla nicht. Deshalb will Godzilla auch nicht, dass die Menschen überwacht werden (und die Menschen denken: Was für ein gutes Monster!). Denn Godzilla mag es, wenn möglichst viele Menschen kommen, um Ausschau nach King Kongs Produkten zu halten oder mit ihnen zu spielen. Godzilla lebt von der Zahl der Besucher und von den Daten, die sie dabei hinterlassen.

Nun möchte King Kong Godzilla (auf dem Umweg über die Provider) rechtlich verpflichten, ein Auge auf King Kongs Produkte zu haben, und alle Menschen zu melden oder auszusortieren, die nicht an King Kong bezahlen. Godzilla hat keine Lust zu dieser Überwachung, weil ihm die Menschen, die nicht an King Kong zahlen, genauso willkommen und nützlich sind wie die, die bezahlen. Die Interessen des einen schmälern also das Geschäftsmodell des anderen.

Der alte King Kong ist darüber so erbost, dass er die ihm fremde Internet-Welt lieber kaputt haut, als sich künftig mit kleineren Profiten zu begnügen. Er möchte, dass Godzilla ihm dient, doch Godzilla denkt nicht daran. Denn Godzilla hat wesentlich mehr Kohle.

 

Eines Tages wird Disney zu einer Sparte von Apple

Früher, als das Internet noch nicht existierte, wurden die Drucker der Zeitungen so reich, dass sie auch die Presse, die sie druckten, irgendwann kaufen konnten. Heute werden die Plattformbetreiber so reich, dass sie die Hersteller der Inhalte, die auf diesen Plattformen laufen, aus der Portokasse erwerben können. Und sie werden das eines Tages auch tun, weil sie von der Inhalte-Industrie dazu animiert werden.

Die Plattformbetreiber werden eines Tages sagen, ihr geht uns mit eurem Inhalte-Geschrei und eurem Scheiß-Urheberrecht so auf die Nerven – wir kaufen euch jetzt, damit ihr endlich die Klappe haltet! Dann wird aus Disney eine Sparte von Apple und aus der News Corporation eine Unterabteilung von Google oder Facebook. Schon heute wandeln sich ja manche Content-Anbieter durch Zukäufe in halbe Internet-Plattformen (siehe Springer Verlag) und manche Internet-Plattformen entfalten mehr und mehr verlegerische Content-Aktivitäten.

Wenn die Plattformindustrie die Content-Industrie eines Tages integriert, wird es auch ein neues Urheberrecht geben. Dann allerdings (das wage ich zu prophezeien) werden die Forderungen an eine Lockerung des Urheberrechts sehr viel moderater ausfallen als heute, denn dann geht es ja um die eigenen Profite.

 

Auf welcher Seite stehen wir?

Das Management der Content-Industrie, das heute so lautstark die Beachtung der Urheberrechte einfordert, braucht nach seiner Eingemeindung durch die Plattform-Industrie wahrscheinlich gar nicht gewechselt zu werden, denn es wird sich den neuen Eigentümern schneller anpassen als wir denken können. Die Blutsbrüderschaft zwischen King Kong und Godzilla wird aber unangenehme Internet-Monopole erzeugen, die den Nutzern am Ende mehr schaden als die heutige Konkurrenzsituation. Dies sollten die Netz-Experten bedenken, die mit ihrer Forderung nach einem „zeitgemäßen“ Urheberrecht glauben, sie würden reinen Herzens die Interessen der Nutzer vertreten, während sie doch (vielleicht ohne es zu wollen) die Interessen von Plattform-Giganten bedienen. Und die Gewerkschafts-Experten, die reinen Herzens dem Rechtebesitz und der Rechtedurchsetzung der Content-Industrie das Wort reden, sollten sich im Klaren darüber sein, dass es der Content-Industrie nicht um den Schutz der Urheber geht, sondern um den Schutz der umfassenden Nutzungsrechte, die die Urheber an sie abtreten mussten.

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