#Jugendschutz

JMStV: Erste Umsetzungsschritte wurden bereits unternommen

von , 7.6.10

Das Medienreferat von Kurt Becks Staatskanzlei in Rheinland-Pfalz macht noch einmal Druck und hat eine Handreichung erarbeitet, warum der JMStV in der nächsten Wochen unterzeichnet werden muss. Dabei scheut man nicht davor zurück, darauf zu verweisen, dass schon erste Umsetzungsschritte vorgenommen wurden – und dies, obwohl es von allen Parteien Kritik gab und Änderungsbedarf angemeldet wurde.

Zum Verfahren heißt es in der Begründung des Medienreferats (PDF, 26. Mai 2010):

„Die Novellierung wurde sorgsam vorgenommen. Dem diente eine Vorbereitung durch ein wissenschaftliches Institut. In die Beratungen wurden sämtliche betroffene Institutionen im Bereich Jugendschutz und Wirtschaft einbezogen. In intensiven Verhandlungen wurde ein breiter Konsens gefunden, der durch einzelne Änderungen wieder zur Disposition gestellt werden würde.

Der Staatsvertragsentwurf stößt bei beteiligten Institutionen und in der Medienwirtschaft auf breite Akzeptanz. Das Hans-Bredow-Institut für Medienforschung, das bereits die Evaluierung vorgenommen hat, beurteilt die Novellierung ebenfalls positiv. Auch die technische Umsetzbarkeit wird bestätigt. Erste praktische Umsetzungsschritte wurden mit entsprechendem Aufwand bereits unternommen, um die neuen Instrumente auch zeitnah nutzbar zu machen.“

Dazu lässt sich feststellen bzw. fragen:

  1. Sorgsamkeit bürgt nicht für Qualität und auch nicht dafür, dass der Realität adäquate Regelungen geschaffen werden, mit denen das Regelungsziel auch erreicht wird.
  2. Wer war denn an den Verhandlungen beteiligt und ist nicht bereit, bestimmte Änderungen mitzutragen? Sind damit Vertreter der Länder gemeint oder Institutionen, die bei einer Veränderungen einzelner Regelungen einen Bedeutungsverlust ihrerseits befürchten, wie z.B. die KJM?
  3. In der Medienwirtschaft gibt es keine breite Akzeptanz. Unternehmensverbände haben sich gegen die Regelungen ausgesprochen, selbst die ARD sieht mit dem Staatsvertrag große Probleme auf sich zukommen.
  4. Was nützt eine breite Akzeptanz der beteiligten Institutionen, wenn es keine Akzeptanz in der medienpolitischen Öffentlichkeit gibt. Die Medienpolitiker der Parlamentsparteien sehen – über die Parteigrenzen hinweg – grundsätzlichen Änderungsbedarf. Sie wollen die Beschlussfassung verschoben sehen.
  5. Dass ein Institut, das die Evaluierung durchgeführt hat, die Novellierung positiv beurteilt, wenn diese die wesentlichen Hinweise des Instituts aufgreift, ist klar.
  6. Die technische Machbarkeit sagt nichts über die Nachhaltigkeit, also die Effektivität, die Möglichkeiten, die Maßnahmen zu umgehen sowie die Kosten, also das Aufwand-Nutzen-Verhältnis aus.
  7. Wieso kann man erste Umsetzungsschritte mit entsprechendem Aufwand, also finanziellem Aufwand, schon veranlassen, obwohl es doch Kritik aus der Politik und der Öffentlichkeit gibt? Warum kann man nicht wenigstens die Unterzeichnung durch die Ministerpräsidenten abwarten, da dann bis zur Ratifizierung noch einmal vier bis sechs Monate vergehen? Woraus also ergab sich der Zeitdruck, schon jetzt Aufträge auszulösen? Hätte man nicht entsprechend der Dauer der Vorarbeiten das Inkrafttreten des Staatsvertrages nach hinten schieben können? So wird das Gesetzgebungsverfahren in den Parlamenten ad absurdum geführt. Hier werden Tatsachen am Gesetzgeber vorbei ohne staatsvertragliche Grundlage geschaffen, um dann diese Tatsachen als Druckmittel zu nutzen, den Staatsvertrag zu verabschieden. Besser kann man nicht offen legen, dass die Parlamente in Medienfragen nichts zu sagen haben.

Eine Folge des Scheiterns der Novellierung sei, so wird behauptet:

„Beibehaltung des Status quo für mindestens drei weitere Jahre ohne die durch die Evaluierung erreichbaren Verbesserungen“.

Daraus folgt im Umkehrschluss, die Novellierung müsse jetzt durchgezogen werden, da dies sonst erst wieder in drei Jahren möglich wäre. Warum das so ist, wird nicht näher ausgeführt. Aus der Geltungsdauer sowie den Kündigungsmodalitäten (§ 26 des aktuellen Staatsvertrages) ergibt sich dies jedenfalls nicht.

Hinzu kommt außerdem: Wenn sich alle einig sind, was an dem Entwurf noch zu ändern ist, dann sind die Kündigungsfristen egal. Es gibt keinen Zeitdruck, den Vertrag jetzt zu verabschieden. Warum sollte also nicht in sechs Monaten eine neue unterschriftsreife Variante vorliegen? Oder haben die Medienreferate kein Zeitfenster für eine Überarbeitung? Diktiert also der Arbeitsplan der Regierungsbürokratie das Verabschieden auch schlechter Gesetze? Oder haben sie einfach keine Lust mehr, sich mit dem Thema zu beschäftigen?

P.S.: Obwohl schon das eine oder andere Kabinett dem aktuellem Entwurf des Jugendmedienschutzstaatsvertrages zugestimmt hat, soll es doch noch kleine Änderungen geben. Laut heise online habe dies eine Berliner Regierungsvertreterin am letzten Mittwoch (2. Juni) in einer Sitzung des zuständiges Ausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus bestätigt.

Die Alterskennzeichnung werde auf Online-Spiele und Videos begrenzt. Das System der Altersfreigabe solle vereinfacht und vereinheitlicht werden. Die Evaluierungsfrist solle von vier auf drei Jahre verkürzt werden. Mal sehen, in welche Worte dies gefasst wird.

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