von Wolfgang Michal, 22.3.14
Während die Süddeutsche Zeitung für einen Schlussstrich plädiert, mäandert der Spiegel unschlüssig herum und der stern raunt weiter. Andere Blätter sorgen für moralische Begleitmusik, indem sie das Thema „weiterdrehen“ (und damit ins Ungefähre entschwinden lassen) oder – wie die Bildzeitung – ihrem „Knacki“ auf Schritt und Tritt ins Gefängnis folgen und am liebsten noch Zelle und Blechnapf mit ihm teilen möchten.
Konzentrieren wir uns auf die drei Hauptprotagonisten:
Der Spiegel mäandert
Innerlich zerrissen präsentiert sich die Titelgeschichte des Spiegel vom vergangenen Montag: „Hoeneß – Game Over“. Neun (!) Spiegel-Autoren mäandern durch das Thema, ohne einen roten Faden zu finden. Am Anfang und am Ende des Textes wird das Funktionieren des modernen Rechtsstaats gefeiert, aber im Mittelteil ist – oh Wunder – von einem möglichen „Justizskandal“ die Rede. Ja, was denn nun? Der Spiegel-Text passt hinten und vorne und in der Mitte nicht zusammen.
Der Mittelteil enthält allerdings ein paar interessante Details: Jener unbekannte Whistleblower, der den Fall Hoeneß ins Rollen brachte, hatte sich bereits am 4. Dezember 2010 (!) – also vor mehr als drei Jahren – an die Mainzer Rechtsanwaltskanzlei Hoffmann & Partner gewandt. Der Fremde mit dem „Schweizer Akzent“, offenbar ein „Insider“ aus der Bankenwelt, soll schon damals den Namen Hoeneß genannt haben (den der stern im Januar 2013 überraschenderweise nicht nennt!).
Im Juli 2013 habe sich Hoffmann mit den brisanten Informationen des Whistleblowers an die Münchner Staatsanwaltschaft gewandt. Im darauffolgenden August sei es sogar zu einem Treffen zwischen Whistleblower, Hoffmann und der Staatsanwaltschaft gekommen. Der Whistleblower habe auspacken wollen, „aber nur gegen Zusicherung der Anonymität“.
Die Staatsanwaltschaft habe sich daraufhin mit dem Justizministerium beraten und Anfang Oktober 2013 eine Absage erteilt: Die Anonymität des Informanten könne nicht zugesichert werden (Bis zum 9. Oktober war noch Beate Merk bayerische Justizministerin). Hoffmann habe sich dann noch einmal im Februar 2014 – unmittelbar vor dem Prozess – an die Staatsanwaltschaft gewandt und im Namen seines Mandanten weitergehende Informationen zum Fall Hoeneß angeboten. Doch das Justizministerium zögerte erneut (und zögert nach Angaben des Spiegel bis heute). Daraus zieht das Magazin den Schluss: „Es ist somit denkbar, dass weitere Recherchen in den kommenden Wochen einen neuerlichen bayerischen Justizskandal ans Licht bringen“.
Der Hoeneß-Prozess, so die Vermutung des Nachrichtenmagazins, sei möglicherweise eine geschickte Inszenierung gewesen, der Ablauf könnte schon vorher ausgekaspert worden sein. Ist das nun Verdachtsberichterstattung vom Feinsten oder eher vom Gröbsten?
Der Stern raunt weiter
Der stern operiert zurückhaltender. In seiner Ausgabe vom 20. März (Titel: „Die Maschmeyer Connection“) dehnt er das Thema Steuervermeidung auf weitere deutsche Prominente aus und garniert die Titelstory mit einem unscheinbaren Interview. Titel: „Der geheime Informant“. stern-Reporter Johannes Röhrig interviewt jenen Whistleblower, der die Berichterstattung zum Fall Hoeneß ausgelöst hat.
Das Interview selbst ist eher wegen seiner konspirativen Umstände interessant, inhaltlich bietet es kaum Neues. Wir erfahren, dass sich der Whistleblower über Hoeneß’ Doppelmoral in Sachen Steuern und Banken geärgert hat, dass es sich bei dem Whistleblower möglicherweise auch um eine Whistleblowerin handeln könnte und dass man sich weder in Deutschland noch in der Schweiz getroffen habe. Es wird auch viel über die Notwendigkeit der Anonymität geraunt – obwohl wir (siehe oben) aus dem Spiegel erfahren haben, dass sich der Whistleblower/die Whistleblowerin im August 2013 mit der Münchner Staatsanwaltschaft getroffen haben soll. Wenn diese Information tatsächlich stimmt, wussten zumindest einige, um wen es sich handelt.
Ein kleine Unstimmigkeit fällt noch auf: In der stern-Geschichte, die den Fall Hoeneß am 16. Januar 2013 auslöste, war von 800 Millionen Schweizer Franken die Rede, die zeitweise auf dem ominösen „Fußballkonto“ in der Schweiz gelegen haben sollen. Im Interview mit dem Whistleblower werden daraus nun 600 Millionen. Ein Annäherungsprozess? Ein Zurückrudern? Wie gut ist der Whistleblower tatsächlich im Bilde gewesen? Ist er vielleicht ein Wichtigtuer?
Die Süddeutsche Zeitung sagt: „Schluss jetzt!“
Während der stellvertretende Chefredakteur Wolfgang Krach seinen Leitartikel nach dem Urteil gegen Uli Hoeneß noch mit „Milde Strafe für einen maßlosen Mann“ betitelte, beginnt das Mitglied der Chefredaktion, Heribert Prantl, bereits am Tag nach der Urteilsverkündung mit der Resozialisierung des Verurteilten. „Der erste Hafttag“, schreibt er, „ist für ihn womöglich Beginn eines Weges, der ihn dahin führt, den Ansprüchen der FC Bayern-Vereinsämter wieder zu genügen“. Dieser Satz steht tatsächlich so in der Süddeutschen Zeitung! Das Münchner Blatt spricht bereits von Ulis möglichem „Comeback“. Obwohl der die Medien ein Jahr lang an der Nase herumgeführt hat. A Hund isser scho!!
Nun halten der Adidas-Hainer und der Bayern-Hopfner dem Uli den Platz warm, bis er wieder am Drücker sitzen darf? Der Respekt Prantls vor so viel Bayern-Chuzpe übertrifft noch den Respekt der Kanzlerin: „Der Mann, der für so viele ein strahlendes Vorbild war – er zeigt im Fallen, im Abstieg ins Gefängnis, wieder Größe.“
Weil aber die Hamburger und Berliner ‚Schmierfinken’ dem verurteilten Hoeneß nicht die verdiente Ruhe in seiner neuen „Größenrolle“ gönnen, muss Prantl noch einmal nachlegen. Am Dienstag nach dem Urteil beißt er allen Hoeneß-Wadlbeißern kraftvoll in die Wadln. „Das Urteil ist kein Freibrief für Späher und Spanner, es ist auch kein Erlaubnisschein zur Befriedigung von Sensationsgeilheit.“ Ex-Staatsanwalt Prantl schließt seinen Kommentar mit der höchstrichterlichen Ermahnung: Mit der Rechtskraft des Urteils sei auch „der Rechtsfrieden, der durch eine Straftat verletzt worden ist, wieder hergestellt. Man sollte auch den Verurteilten wieder in Frieden lassen.“
Flankierend zu dieser Aufforderung erläutert die SZ als bereitwillige Sprecherin der Münchner Staatsanwaltschaft allen ‚Verschwörungstheoretikern’ geduldig, was wirklich Sache ist. Die Herkunft des Geldes sei „restlos aufgeklärt“. Es gebe keine Anhaltspunkte für dunkle Vermutungen. Der Fall Hoeneß sei abgeschlossen.
Dem Whistleblower fehlt der Mut
Auch die anderen Zeitungen ziehen nun nach. Von der FAZ bis zu Spiegel Online wird die Lesart der Münchner Staatsanwaltschaft übernommen: Der Fall ist abgeschlossen. Berichterstattung over?
Wohl kaum. Zu viele Fragen bleiben unbeantwortet. Wer schenkt schon einem reichen Mann 5 Millionen DM zum Spielen? Das Beste wäre, der große Unbekannte fände den Mut, sich Edward Snowden zum Vorbild zu nehmen und aus dem Dunkel der Anonymität ins Licht der Aufklärung zu treten.
Er (oder sie) könnte das ja auch von Hongkong aus tun.