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Helmut Metzner: Die Mär vom FDP-Spion mit der Fliege

von , 20.3.11

Der Sturm hatte sich gerade ein wenig gelegt, da gab es wieder eine Schlagzeile über Helmut Metzner: „Trotz Rauswurfs – FDP-Maulwurf wühlt wieder“ schrieb der Kölner „Express“, als der ehemalige Parteifunktionär im Januar zum Dreikönigstreffen der Liberalen nach Stuttgart flog.

„Gibt‘s doch gar nicht!“ zitierte die Zeitung „führende FDPler“. War Metzner denn nicht so eine Art Agent der Amerikaner gewesen, „a well-placed FDP source“, wie die US-Botschaft ihn in ihren Depeschen nannte? So stand es doch im „Spiegel“, der die Depeschen von Wikileaks bekommen hatte und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machte.

Wer den Fall in den Medien verfolgte, musste jedenfalls glauben, es mit einer kapitalen Agentenstory zu tun zu haben. Über Jahre hinweg soll Metzner den Amerikanern aus seiner Partei berichtet haben, sogar aus den Koalitionsgesprächen mit der Union. Für die Medien ein gefundenes Fressen. Und dass die Amerikaner offenkundig übertrieben, als sie sich rühmten, sie hätten ihre Quelle in der FDP „platziert“ – was tut das schon zur Sache? Die Information kam von Wikileaks, und was die bislang lieferten, war doch immer brisant.

Helmut Metzner ist korrekt gekleidet, als p&k ihn in Berlin trifft, der 42-Jährige trägt wie üblich Fliege. Bei sich hat er Zeitschriften, Zeitungsartikel und viele Notizen. Der Spross einer fränkischen Beamtenfamilie – er ist das siebte von neun Kindern – hat auch Unterlagen der Bundesanwaltschaft dabei: Diese hatte nämlich zu prüfen, ob sie Ermittlungen gegen ihn aufnehmen muss, wegen landesverräterischer Agententätigkeit.

Fünf Anzeigen gab es gegen ihn, alle gestützt auf die Medienberichte, allesamt von Menschen, die Metzner nicht kennt. Die Bundesanwaltschaft bat ihn im Januar zum Gespräch nach Karlsruhe, prüfte den Fall – und fand keinen Anfangsverdacht, der Ermittlungen rechtfertigen würde. Und dennoch schrieb eine Nachrichtenagentur zunächst einmal von „Ermittlungen“, die „eingestellt worden“ seien.

Metzner will sich eine neue Existenz als Politikberater aufbauen und hat dabei ein nicht geringes Problem: „Mein Ruf ist ramponiert“, sagt er. Als er und die Partei sich im Dezember darauf einigten, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, sei er erst einmal dem Rat einer befreundeten PR-Expertin gefolgt, nicht direkt an die Öffentlichkeit zu gehen.

Diesen Text schrieb Sebastian Lange für die Zeitschrift “politik & kommunikation”. Carta präsentiert diesen Text mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.

„Gegen diesen Sturm kannst Du jetzt nicht ankommen“, habe sie gesagt. Nun aber möchte er seine Sicht der Dinge schildern, was für ihn einen Spagat bedeutet: Will er doch kein unfreundliches Wort über die FDP sagen. Nach inzwischen 23 Jahren Mitgliedschaft hängt er immer noch an der Partei, deren Spitze ihn aus der Parteizentrale weghaben wollte. Dort hat er sechs Jahre lang in verantwortlicher Position gearbeitet.

US-Depeschen schlugen ein

Helmut Metzner war in der FDP-Zentrale für internationale Kontakte zuständig, es war sein Job, mit Vertretern ausländischer Parteien, Stiftungen und eben Botschaften zu reden, ihnen auch die Politik der FDP zu erläutern. Das tat er regelmäßig, manchmal kamen die Leute in sein Büro oder man traf sich in einem Café – nichts Ungewöhnliches im politischen Berlin.

Ende November vorigen Jahres schlugen die Depeschen der US-Botschaft bei der Partei ein wie eine Bombe. Viele Liberale waren stinksauer auf die Amerikaner, zumal Parteichef und Außenminister Guido Westerwelle recht unvorteilhaft dargestellt wurde. Da die US-Botschaft von der „platzierten Quelle“ berichtete, die auch „interne Unterlagen ausgehändigt“ habe, sah es so aus, als hätten die Amerikaner sich gezielt einen Zuträger herangezogen, wenn nicht sogar in die FDP eingeschleust.

Politikberater Metzner: Als erstes fallen die Bauern.

Als Anfang Dezember herauskam, dass der vermeintliche „Maulwurf“ Westerwelles Büroleiter im Thomas-Dehler-Haus war, konnte sich mancher Journalist den sonst eher fernliegenden Vergleich zwischen Westerwelle und Willy Brandt nicht mehr verkneifen: Brandt war als Bundeskanzler zurückgetreten, weil sein persönlicher Referent Günter Guillaume Stasi-Spitzel gewesen war. Metzner war nun Westerwelles Guillaume.

Der Schaden für die Partei war unbestreitbar, selbst wenn das Bild, das die Öffentlichkeit von Metzners Tätigkeit gewann, schief sein mochte. Der Druck auf die Parteiführung wuchs, erst wollte man den Funktionär im Dehler-Haus halten, dann forderte der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki im „Focus“: „Der FDP-Mitarbeiter, der sich angedient hat, muss fristlos entlassen werden.“

Die Angelegenheit war nun Teil eines politischen Machtkampfs geworden, denn Kubickis Attacke galt natürlich Westerwelle. Machtkämpfe fordern schnell Opfer: Als erstes fallen die Bauern.

Auf der Jagd nach einer guten Geschichte wurden die Journalisten unfreiwillig zu Assistenten in diesem Machtkampf. Sie verpassten Metzner das Etikett des Spions, machten ihn zum „Maulwurf“, womit sie eine Variante der Geschichte – die des willigen Gehilfen der Amerikaner – zementierten. Sie schauten sich auf seiner Homepage um, wo sie entdecken konnten, dass der Liberale leicht exzentrische Züge hat: So hatte er sich mal im Hasenkostüm auf dem Christopher Street Day präsentiert und nennt sich selbst zuweilen „Mr. Helmut“. All das wurde nun ausgewalzt.

Doch dabei blieb es nicht: Weil Metzner wie Westerwelle bekennend homosexuell ist, warf die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung die Regeln journalistischer Ethik über Bord und spekulierte über „homosexuelle Seilschaften“. Die Quelle: „Einer in der FDP“. Zögerten seine Vorgesetzten also deswegen erst mit dem Rauswurf? Hielt jemand die Hand über Metzner, weil – ja, weil was eigentlich? Die Zeitung beließ es bei den Andeutungen, die Diskussion aber war eröffnet, auch die „Süddeutsche“ und andere Medien griffen die Spekulationen der Kollegen aus Frankfurt auf.

Der einzig handfeste Vorwurf gegen Metzner bleibt am Ende der, er habe zu viel geplaudert und interne Papiere herausgegeben. Das bestreitet er: „Was die Amerikaner für interne Papiere hielten, war der Wahlaufruf vor der Bundestagswahl und eine Liste mit den Namen der FDP-Teilnehmer an den Koalitionsgesprächen.“

Beides hatte die Partei zuvor veröffentlicht. Auch FDP-Sprecher Wulf Oehme teilt mit, Metzner habe „im Rahmen seiner Aufgaben“ gehandelt. Wollte die Botschaft also gegenüber dem US-Außenministerium glänzen und peppte ihre Depeschen ein wenig auf? Metzner geht indes so weit zu vermuten, die von den Amerikanern genannte Quelle sei eine „fiktive Person“ gewesen, der die Botschaftsmitarbeiter auch den Medien entnommene Informationen zugeschrieben hätten.

Kurzsichtige Parteifreunde

Sollte der vermeintliche Maulwurf denn zu viel erzählt haben – Spionage war das nicht, sind Informationen doch die Währung der politischen Kommunikation. Dass Politiker zuweilen auch Vertrauliches mitteilen – zur Pflege einer Beziehung oder in der Hoffnung, dafür Informationen zurückzubekommen – gehört zum politischen Spiel dazu.

Juristisch gesehen ist die Affäre erledigt, auch arbeitsrechtlich: Über ihr liegt der Mantel des Aufhebungsvertrags, den Metzner und die FDP geschlossen haben, und über dessen Details Stillschweigen vereinbart ist. Zu vernehmen ist jedoch, dass die FDP-Spitze ihm übelnahm, dass er sich nicht umgehend „offenbart“ habe, als der „Spiegel“ über die US-Depeschen berichtete. Metzner meint, es habe doch nichts zu offenbaren gegeben.

Beim Dreikönigstreffen jedenfalls konnte er immerhin mit Parteifreunden wie Katja Suding plaudern, der damaligen Spitzenkandidatin bei der Hamburg-Wahl. Auch wünschte Generalsekretär Christian Lindner ihm ein gutes neues Jahr. „Bei dem einen oder anderen machte sich allerdings offenbar eine Art altersbedingter Kurzsichtigkeit bemerkbar“, sagt er und lächelt.

Er nimmt die Maulwurf-Affäre inzwischen mit Humor, doch wird es dauern, bis er ihre Folgen bewältigt hat. Für viele in der FDP, so ist zu hören, gilt Metzner zwar nicht als Spion – ein Bundestagsabgeordneter aber bringt es so auf den Punkt: „ein armes Schwein“. Fragt sich, welches Urteil am Ende schmeichelhafter ist.

Diesen Text hat Sebastian Lange für die Zeitschrift “politik & kommunikation” geschrieben. Carta präsentiert ihn mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.

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